Trauer und Protest in Berlin - Hunderte Menschen protestieren nach Nawalnys Tod vor russischer Botschaft

So 18.02.24 | 21:28 Uhr
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Eine Person demonstrieren nach dem Tod des Regimekritikers Nawalny gegen die russische Regierung mit einem Schild mit der Aufschrift "stop Putin" in Berlin-Mitte. (Quelle: dpa/Sommer)
Video: rbb24 Abendschau | 18.02.2024 | Nural Akbayir | Bild: dpa/Sommer

Rund 450 Menschen gedenken am Sonntag dem Tod des Kreml-Kritikers Nawalny vor der russischen Botschaft in Berlin. Gleichzeitig demonstrieren sie gegen den russischen Präsidenten. Auch Pussy Riot-Anhänger zeigten sich.

  • Am Sonntag demonstrieren etwa 450 Menschen vor der russischen Botschaft in Berlin gegen den russischen Präsidenten
  • Tod des Kreml-Kritikers Nawalny in einem russischen Straflager war am Freitag bestätigt worden
  • Auch Mitglieder der russischen Gruppierung Pussy Riot solidarisierten sich mit dem Gedenken an Nawalny in Berlin

Nach dem Tod von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny haben am Sonntag in Berlin mehrere Hundert Menschen gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin demonstriert. Vor der russischen Botschaft Unter den Lindenwaren am Nachmittag etwa 450 Menschen zusammengekommen, wie die Polizei dem rbb mitteilte. So viele waren für die Versammlung im Vorfeld auch angemeldet worden.

Die Demonstranten sind in einem Protestmarsch von der Straße Unter den Linden über die Wilhelmstraße zurück zum Botschaftsgebäude gegangen, wie ein Polizeisprecher dem rbb sagte. Dort habe es Reden gegeben, es seien auch Flugblätter verteilt worden. Die Versammlung wurde von der Kampagne "Free Navalny" angemeldet, der Protest richtete sich laut dem Aufruf gegen Putin und den Krieg in der Ukraine.

Festnahmen bei Protesten in Russland

Die russischen Behörden hatten den Tod des 47-jährigen Aktivisten und Oppositionspolitikers Nawalny in einem russischen Straflager am Freitag bekannt gemacht. Noch am selben Tag demonstrierten viele hundert Menschen in Berlin und anderen deutschen Städten. Die Umstände des Todes sind noch ungeklärt.

Auch in Russland gab es zahlreiche Gedenkkundgebungen gegen die Sicherheitsbehörden teils radikal vorgegangen sind. Dem Bürgerechtsportal Ovd-Info zufolge hat es etwa 366 Festnahmen von Nawalny-Anhängern gegeben. Zuvor war die Rede von etwa 400 Festnahmen gewesen.

[Hier finden Sie die Meldung der Tagesschau.]

Nawalny - Putins größter politischer Feind

Nawalny galt als der größte politische Feind von Präsident Wladimir Putin. Er war zu 19 Jahren Lagerhaft verurteilt worden, unter anderem unter dem Vorwurf des Extremismus. Die Vorwürfe gegen ihn nannte Nawalny politisch motiviert - seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.

Nawalny selbst saß seit Januar 2021 in Haft, zuletzt war er in ein Straflager hinter dem Polarkreis verlegt worden. Er führte immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzte die Gerichtsauftritte nicht zuletzt zur Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine.

2020 erholte sich Nawalny nach einem Giftanschlag in der Berliner-Charité.

Menschen stehen nach dem Tod des Regimekritikers Alexej Nawalny vor der russischen Botschaft in Berlin-Mitte vor Blumen. (Quelle: dpa/Sommer)

Auch Anhänger von Pussy Riot protestieren in Berlin

Kurz vor der für 14 Uhr geplanten Demonstration hatte die Protestgruppe Pussy Riot eine eigene Aktion angekündigt. Ein Polizeisprecher sagte, mehrere Personen mit rosafarbenen Hauben und Transparenten seien zur Botschaft gekommen und wenig später wieder verschwunden. Zwischenfälle habe es nicht gegeben.

Pussy Riot erklärte, auch für Mitglieder der Gruppe sei die Situation bedrohlich. "Wir rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich solidarisch zu zeigen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen", hieß es. Und weiter: "Die Ermordung von Alexei Nawalny und die Bedrohung von Pussy-Riot-Mitgliedern sind Angriffe auf die Grundwerte von Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde, die wir entschlossen verteidigen müssen."

Wegen Protesten in Russland waren Mitglieder der 2011 gegründeten Gruppe dort zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Sendung: rbb24 IAbendschau, 18.02.2024, 19:30 Uhr

103 Kommentare

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  1. 103.

    Das mag so sein. "Und als weiterer Faktor für die Demonstration innerer Stärke: uns ist es egal, wie das im feindlichen Westen auf ankommt." Stütz meine Annahme, daß die aktuelle Administration wohl recht fest im Sattel sitzt und die Opposition merginalisiert ist und damit für längere Zeit also keine Änderung zu erwarten ist. Wie also umgehen mit einem autoritären Rußland als Nachbar? Am Umgang mit anderen autoritären Staaten orientieren? Ewig Krieg führen kann man auch nicht.

  2. 102.

    Danke für Ihre Kommentare. Leider ist Ihr Wunsch (90) nicht in Erfüllung gegangen. Aber Danke auch für Ihr Feedback.

  3. 101.

    Na, das wird als warnendes, abschreckendes Beispiel genommen. Nach dem Motto: seht her, so wird es euch auch ergehen, wenn ihr rebelliert. Und als weiterer Faktor für die Demonstration innerer Stärke: uns ist es egal, wie das im feindlichen Westen auf ankommt. Wir haben unser Land im Griff.

  4. 100.

    "Hier soll diskutiert und nicht niedergebrüllt, vorverurteilt und beleidigt werden."

    Hier soll diskutiert werden? Dazu gehören auch keine Fake News, whataboutism, Verächtlichmachung von Opfern oder gar Huldigung von Despoten und deren Propaganda verbreiten.

  5. 99.

    Meine Güte, Sie können natürlich für jede Demo irgendwelche verwandten Fälle heranziehen, die dort keine Berücksichtigung finden. Das hat dann aber nichts mit Desinteresse oder Voreingenommenheit zu tun, sondern damit, dass andere Fälle eben gerade nicht aktuell sind. Das kann man natürlich bedauern, aber ist eben der Aktualität geschuldet.
    Dann finden Sie es wahrscheinlich auch befremdlich, dass bei Demos gegen Rechtsextremismus nicht auch gleichzeitig gegen Linksextremismus demonstriert wird, nehme ich an.
    Jedenfalls kann man den Demonstranten nicht vorwerfen, sie wären per se einseitig.

  6. 98.

    Schrieb ich bereits, ganz sicher aufgrund eines gespooften Telefonats mit Konstantin Kudrjawzew (Sokolow) in dem sich Nawalny als Ustininov (früherer FSB-Chef) ausgab und ihm den Tathergang so geschickt entlocken konnte.
    Aber die Grundlage dazu waren offenbar journalistische Recherchen aufgrund von "durchgesickertem" Geheimdienstmaterial. Will sagen, westliche (insbesondere der britische) Geheimdienst haben Nawalny "hilfreich" zur Seite gestanden.

  7. 97.

    ......und wie stehen Sie zu dem Tod von Alexej Nawalny? Dazu haben Sie noch kein einziges Wort gesagt. Sie lenken immer nur ab. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich sehr wohl in der Lage, für alle Menschen, die für mich zu Unrecht im Gefängnis oder wo auch immer sitzen, Empathie aufzubringen. Sie auch? Haben Sie auch Empathie für Alexej Nawalny? Oder geht Ihre Empathie nur in eine Richtung?

  8. 96.

    "... dass er schon abgemagert war, war auf alle Fälle auch zu sehen." Wie kommen solche Bilder überhaupt aus Rußland raus an den als feindlich wahrgenommenen Westen? Ich würde da viel straffere Kontrolle erwarten, auch durch den FSB.

  9. 95.

    Spielt "Pussy Riot" in Rußland überhaupt eine ernstzunehmende Rolle? Hat da jemand verläßliche Infos aus Rußland?

  10. 94.

    Soweit habe ich das auch gelesen. Woher wissen wir das genau: "...dass der Anschlag vom FSB ausgeführt wurde."? Früher gab es in Rußland auch viele Oligarchen, welche gegeneinander 'Krieg' führten - da brauchte es nicht unbeding direkt den FSB. Wie sieht es denn jetzt wirklich aus intern in Rußland?

  11. 93.

    "Die Behandlung der letzten Jahre spricht Bände: [Verlegung ins Hochsicherheitsgefängnis, Untersagung von Besuch, Einsperren von 20 Std.] (psychische Folter) und dass er schon abgemagert war, war auf alle Fälle auch zu sehen. Wie kann man da noch versuchen, etwas zu relativieren? Wie unempathisch muss man sein um nicht sehen zu wollen, dass [Assange] systematisch fertiggemacht und gebrochen werden sollte? Für mich spielt es keine Rolle mehr, woran er letztendlich [sterben wird], denn ich weiß, wer die Verantwortung für seinen Tod trägt."

    Mit ein paar Änderungen trifft das alles auch auf andere Häftlinge - hier Assange - zu, die sind aber für die Demonstrierenden vom Sonntag und den Medien egal ...

  12. 92.

    Nawalny war zur Notbehandlung in einem zivilen Krankenhaus. Ja richtig, die "unbefangenen" Ärzte (jetzt vielleicht andere Tätigkeit oder sogar Gulag?) müssen ihm das Atropien verabreicht haben, sonst hätte Nawalny den Anschlag keinesfalls überlebt.

  13. 91.

    Nicht unbedingt, denn es kommt wie gesagt auf die Konzentration und den exakten Wirkstoff an. Nowitschok-Gruppe nennt man die gesamte Klasse der sowjetischen/ jetzt russischen Acetylcholinesterasehemmer. Welcher spezifische Kampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe verwendet wurde ist ja für die Aussage, Putin wollte seinen schärfsten Systemkritikier Nawalny ermorden, völlig unerheblich. Meines wissens nach, war die Signatur des Cholinesterasehemmers sogar neu und ließ sich mit den bekannten Nowitschok-Stämmen nicht matchen. Ist ja auch klar. Damit umgeht Putin die Liste der verbotenen Chemiewaffen und kann formaljuristisch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Chemiewaffenkonvention belangt werden.
    Wir wissen aber, dass es ein Kontaktnervengift der Nowitschok-Klasse war und wir wissen, dass der Anschlag vom FSB ausgeführt wurde.

  14. 89.

    ...warum, lenken Sie vom eigentlichen Thema ab? Fällt es Ihnen so schwer zu akzeptieren, was mit Nawalny geschehen ist? Der Artikel handelt von Alexej Nawalny. Das scheint Ihnen aus irgendwelchen Gründen nicht zu gefallen.

  15. 88.

    ....wie können sich hier Menschen hinstellen und ernsthaft behaupten, man solle nicht vorverurteilen? Der Tod von Nawalny, egal was ihn letztendlich getötet hat, ist auf alle Fälle billigend in Kauf genommen worden und war letztendlich bestimmt auch das Ziel. Die Behandlung der letzten Jahre spricht Bände: Verlegung in immer schlimmere Lager, Ablehnung medikamentöser Behandlung, dass er zum Schluss direkt neben einer Zelle von einem Menschen untergebracht war, der stundenlang nur geschrieen hat (psychische Folter) und dass er schon abgemagert war, war auf alle Fälle auch zu sehen. Wie kann man da noch versuchen, etwas zu relativieren? Wie unempathisch muss man sein um nicht sehen zu wollen, dass Nawalny systematisch fertiggemacht und gebrochen werden sollte? Für mich spielt es keine Rolle mehr, woran er letztendlich gestorben ist, denn ich weiß, wer die Verantwortung für seinen Tod trägt.

  16. 87.

    'Mitmaßlich' hatte ich geschrieben, da es nicht das Nowitchok gibt, sondern das eine ganze Gruppe von verwandten Giftstoffen ist.
    Der gepostete Artikel aus dem Ärtzeblatt zu der Vergiftung und den Gegenmaßnahmen durfte wohl nicht erscheinen hier. Aber bis zur Zwischenlandung wäre er bei einigen Minuten schon tot gewesen, er muß als selbst Atropin dabeigehabt haben (oder ein Begleiter) - also den Anschlag erwartet haben. Schade, daß man keine Fachartikel wohl mehr posten darf. Es wurde schon Atropin bei der Ankunft in Berlin im Urin gefunden, es muß also schon verher angewandt worden sein.

  17. 86.

    Denken Sie bitte an Leute, die auf dieser Seite neu sind und Sie noch nicht kennen. Was hinterlässt denn das für einen Eindruck? Hier soll diskutiert und nicht niedergebrüllt, vorverurteilt und beleidigt werden.

  18. 85.

    In Russland wird es erst eine ernsthafte Opposition geben, wenn eine Generation an die Schalthebel der Macht kommt, die das erste Trauma der "Demokratisierung nach westlichem Vorbild" nicht mehr bewusst erlebt/erlitten hat. Zu tief sitzt die Schmach über den Niedergang, die Ausplünderung durch westliche Konzerne und eigene Mega-Kriminelle, die flugs zu international hofierte Oligarchen wurden und die Figur eines schwächlichen, trotteligen, ewig betrunken Präsidenten. Die älteren unter uns werden sich noch daran erinnern, als Jelzins Prasidenten-Maschine 1994 auf dem Rollfeld in Dublin stand und die ganze Welt darüber lachte, weil spekuliert wurde, dass es zu betrunken sei, um auszusteigen. Auch die allgemeine Russophobie im Westen, ohne Unterschied alles russische betreffend, dürfte den Zusammenhalt in Russland eher noch bestärken. Das hochjazzen von Nawalny in der westlichen Welt hat bei den Russen doch eher zu Mißtrauen gegen über seiner Person geführt.

  19. 84.

    Das hängt von der verabreichten Dosis ab. Bei Anschlägen versuchen sie durch "beiläufige" Kontakte das Nervengift zu übertragen. Da besteht für das Opfer zumindest die Chance, dass die Kontakt-Menge klein ist. Dann hat das Opfer vielleicht ein stundenskalierendes Zeitfenster.
    Beim militärischen Giftgaseinsatz von Nowitschok sind es nur wenige Minuten (deswegen rote Spritze, die sofort SELBST injiziert werden muss).

    Da ist nichts mutmaßlich sondern REAL verabreicht worden. Bei Nawalny gibt es zudem ein Geständnis zu der sowieso wissenschaftlich erstellten Expertise der Kampfmittellabore.

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