Jahrelanger Rechtsstreit - Drohender Hausabriss: Rangsdorfer Familie wendet sich an Bundesgerichtshof

Mo 26.02.24 | 18:02 Uhr
  62
Archivbild: Das Einfamilienhaus von Familie Walter in Rangsdorf (Landkreis Teltow-Fläming). (Quelle: dpa/S. Stache)
Bild: dpa/S. Stache

Die Familie aus Rangsdorf südlich von Berlin, die wegen eines Behördenfehlers ihr selbst errichtetes Einfamilienhaus zu verlieren droht, setzt ihre Hoffnungen auf den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Nach einem Bericht der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" vom Wochenende hat der Anwalt der Familie die Zulassung der Revision gegen ein Urteil des Brandenburger Oberlandesgerichts (OLG) vom Juni 2023 beantragt, weil es seiner Ansicht nach Rechtsfehler enthalte. Ein BGH-Sprecher bestätigte am Montag, dass die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingegangen sei (Az.: V ZR 153/23).

BGH soll sich erneut mit außergewöhnlich belastenden Fall befassen

Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) sagte, der Fall der Familie dokumentiere auf besonders tragische Weise das mögliche Auseinanderfallen zwischen Recht und Gerechtigkeit in der Rechtsprechung. "Die maßgeblichen Rechtsfragen werden in der juristischen Fachwelt zum Teil seit Jahren streitig diskutiert. Wir sind uns vor diesem Hintergrund mit der Familie W. einig, den Zivilrechtsweg vollständig auszuschöpfen."

Hierdurch werde dem Bundesgerichtshof als höchster Instanz die Gelegenheit gegeben, sich in einem für die Betroffenen außergewöhnlich belastenden Fall erneut mit den Rechtsfragen zu befassen. "Folgerichtig haben wir gegenüber der Familie die Kostenübernahme für das Gerichtsverfahren und die anwaltliche Vertretung erklärt."

Fehlerhafte Zwangsversteigerung als Hintergrund

Die Familie hatte das Baugrundstück in Rangsdorf (Teltow-Fläming) im Jahr 2010 bei einer Zwangsversteigerung regulär erworben und darauf ihr Haus gebaut. 2014 entschied jedoch das Landgericht Potsdam, dass die Zwangsversteigerung fehlerhaft gewesen sei, weil das Amtsgericht Luckenwalde nicht ausreichend nach dem Eigentümer gesucht habe, der sein knapp 1.000 Quadratmeter großes Grundstück anschließend zurückforderte.

Familie hofft auf den BGH

Ende Juni 2023 entschied das Brandenburger Oberlandesgericht, dass die Familie binnen eines Jahres das Haus abreißen und das Grundstück räumen müsse. Außerdem soll die Familie eine Grundschuld in Höhe von 280.000 Euro plus Zinsen für die Baukosten löschen und dem Eigentümer 6.000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen. Das heißt, in rund vier Monaten müsste die Familie ihr Haus abgerissen haben und wegziehen. Das OLG hatte keine Revision zugelassen. Nun hofft die Familie, durch eine andere Einschätzung beim höchsten deutschen Zivilgericht noch eine Chance zu bekommen.

62 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 62.

    Eine behördliche und juristische Willkür, das soll ein fairer Weg zu sein?
    Rchtsstaat ade, so weit wird es hoffentlich nicht kommen!

  2. 59.

    "Hier ist das Land in der Pflicht, sämtliche Kosten und Folgekosten für diesen schwerwiegenden Fehler zu tragen."

    Macht das Land auch. Ändert jedoch nichts an den Eigentumsverhältnissen, der Eigentümer steht seit 30 Jahren im Grundbuch.

  3. 58.

    Das Grundstück wird die Familie trotzdem abgeben müssen, die Eigentumsverhältnisse haben sich ja nicht geändert.

  4. 57.

    "ob das Recht am Eigentum oder der öffentliche Glaube des Grundbucheintrags den höheren Rang genießen"

    Auf was wollen sie denn hinaus?
    Der rechtmäßige Bodeneigentümer stand mit Antritt seines Erbes seit 23. August 1993 mit Berichtigung seines falsch eingetragenen Geburtsdatums zum 25. Oktober 1993 ordnungsgemäß im Grundbuch.

  5. 56.

    Wenn sie im Kontext eines Vollstreckungstitels dem Schuldner per Zwangsvollstreckung das Recht an seinem Eigentum entziehen, ohne das dieser überhaupt Kenntnis davon hat, obwohl eine Beschlusszustellung möglich war, dann handelt es sich de jure schon um eine widerrechtliche Zwangsenteignung.
    Denn die Verletzung der Zustellpflicht hemmt je den Schuldner vollständig in seinem grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in der Zwangsversteigerung.

  6. 55.

    Im Grunde geht es hier um die Frage, wer am Ende vom Staat für dessen Fehler entschädigt werden muss. Insofern ist der Gang durch die Instanzen wichtig, um Rechtsklarheit zu haben, ob das Recht am Eigentum oder der öffentliche Glaube des Grundbucheintrags den höheren Rang genießen. Egal, wie das Urteil ausfällt, beides wäre fatal. Denn wenn man sich seines Eigentums nicht mehr sicher sein kann, ist es nicht weniger schlimm, als wenn man dem Grundbuch, das schlichtweg DER Nachweis für das Eigentum ist, nicht mehr zu 100% vertrauen kann. Denn damit hätte jeder Grundstücks-, Haus- oder Wohnungskauf potentiell immer ein Risiko.
    Ich persönlich glaube nicht an einen guten Ausgang für die Familie. Aber es darf nicht sein, dass sie davon dann auch nur den kleinsten finanziellen Schaden über behält. Hier ist das Land in der Pflicht, sämtliche Kosten und Folgekosten für diesen schwerwiegenden Fehler zu tragen.

  7. 54.

    Eine Frage, der angebotenen Höhe der "Entschädigung" oder "einfach stur", um die Höhe zu treiben?
    Haben Sie evtl. Informationen bzw. Quellen zum Nachlesen?
    Danke im Voraus!


  8. 53.

    "Pokern" bezog sich auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung an den Alt-Boden-Eigentümer.
    Jedes Grundstück hat seinen Preis :-)

  9. 52.

    So etwas darf einfach nicht passieren. Die Käufer haben alles richtig gemacht und trotzdem ist am Ende alles weg. Mir tun die Leute einfach nur leid.
    Es kostet viel Herzblut und Energie sich etwas aufzubauen, nur um es am Ende alles zu verlieren.
    ...hier sollte der Staat für die Fehler seiner Mitarbeiter gerade stehen. Für alles mögliche ist Geld da, aber für gemachte Fehler(kann ja alles mal passieren, sind Menschen) haftet man nicht!....Wo ist die Entschädigung (voll umgänglich) für das erfahrene Leid der Bauherren?

  10. 51.

    War das Grundstück, bevor die Erschließung mit anschließendem Baubeginn vonstatten gingen, nicht eine heruntergekommene, verwilderte Brache? Und hätte derjenige überhaupt etwas von dem Grundstück erfahren hätte diese Zwangsversteigerung nicht gegeben? Ich meine auch daß der Verursacher dieser Problematik (hier: die Behörde) alles zahlen und dafür geradestehen muß. Es müsste ja jetzt von Seiten der Interessenten bei einer Zwangsversteigerung hinterfragt werden ob nicht jemand der eigentliche Eigentümer / die Eigentümerin ist. Deshalb: Vertraue NIE einer Behörde u.ä. Denn wenn man denen vertraut ist man der dumme. Siehe dieser Fall.

  11. 50.

    Bzgl. auf Enteignung sich zu berufen durch den Erben, das hat nichts mit Enteignung zu tun wie und sich darauf berufen, auch wenn es ggf. juristisch erstmal so anzusetzen wäre und was ja auch so vom LG bis OLG als Grundlage genommen wurde, den Fall abzuschmettern und das Leid beginnen zu lassen vor vielen Jahren. Sich in diesem Fall auf Enteignung zu berufen (wie vom Erben in den Instanzen vorgetragen und auch juristisch gesehen Recht bekommen) gegenüber einer in diesem speziellen Fall Amtshaftung durch Fehler im damaligen Verwaltungsakt ist nun vom BGH abzuwägen ob dies unter Enteignung fällt oder nicht. Wäre dann aber ein Präzedensfall in diesem Fall nicht auf Enteignung abzuleiten, aber dann m.E. eine richtige Entscheidung vom BGH eine Enteignung des eigentlichen Eigentümers/Erben hier nicht anzusetzen.

  12. 49.

    "Genau, der BGH prüft auf "Rechtsfehler" u. grundsätzliche Rechtsfragen aller Instanzen und das ist in diesem Fall gegeben."
    Welche Rechtsfehler sind denn ihrer Meinung nach im Instanzenzug vom LG und OLG begangen worden? Oder, welche Rechtsauslegung im Instanzenzug steht zu analogen Rechtssprechungen anderer Bundesländer oder zu der gängigen Rechtsliteratur im Widerspruch? Würden oder haben andere bundesdeutsche Gerichte rechtskräftig in ähnlich gelagerten Fällen (ohne hinreichende Würdigung des Eigentümerrechtsschutzes)zu Gunsten einer Zwangsenteignung entschieden? Ganz sicher nicht, da die Eigentümer sofort den Weg nach Karlsruhe zum BVerfG mit Art. 17 in der Hand einschlagen würden und die würden jedes Urteil, AUCH DAS DES BGH, sofort aufheben.

  13. 48.

    Genau, der BGH prüft auf "Rechtsfehler" u. grundsätzliche Rechtsfragen aller Instanzen und das ist in diesem Fall gegeben.
    "Die Aufgabe des Bundesgerichtshofs besteht vor allem darin, die Rechtseinheit zu sichern, grundsätzliche Rechtsfragen zu klären und das Recht fortzubilden. Er überprüft Entscheidungen der Instanzgerichte – der Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte – grundsätzlich nur auf Rechtsfehler. Auch wenn die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs formal nur im Einzelfall bindend sind, folgen die Instanzgerichte faktisch fast ausnahmslos seiner Rechtsauffassung. Die weitreichende Wirkung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs beruht zudem darauf, dass sich – insbesondere im Bereich des Zivilrechts – die Rechtspraxis regelmäßig an ihnen orientiert."

  14. 47.

    Der BGH ist weder für die Moral noch für etwaige offene Rechtsfragen zuständig. Der BGH ist im Zivilrecht die Revisionsinstanz, die in schwierigen Rechtsfragen, schon im Sinne einer vereinheitlichten Rechtssprechung, von vornerein als Rechtsmittel vom Berufungsgericht zugelassen wird.
    Dabei prüft das Revisionsgericht aber nur das abgeschlossene Verfahren hinsichtlich Verfahrensfehler und der Auslegung der Rechtssprechung. Im Revisionsverfahren werden aber nicht noch einmal die tatsächlichen Umstände des Falls neu aufgerollt. Die Revision ist nicht die Berufung von der Berufung.

  15. 46.

    Ich hoffe für die Familie, dass der BGH ein gerechtes Urteil spricht. Es sollten auch grundsätzliche Fragen geklärt werden, damit so ein Dilemma zukünftig ausgeschlossen werden kann. Gerecht wäre z.B., wenn das Land Brandenburg dazu verpflichtet werden würde, der Familie ein gleichwertiges, bebautes Grundstück als Entschädigung zu überlassen und sämtliche Kosten zu übernehmen. Letztendlich trägt ja das Land Brandenburg als oberster Dienstherr des Amtsgerichts Luckenwalde die Verantwortung. Wer Mist baut, sollte dafür auch in jeder Hinsicht geradestehen.
    Auch der Eigentümer, der nach Jahren aus der Versenkung gekrochen kam, sollte seinen Teil abkriegen: sich erst jahrelang nicht um sein Eigentum kümmern, nicht auffindbar sein (angeblich) und dann solche Forderungen zu stellen. Dem würde ich aber ebenfalls den Marsch blasen...

  16. 45.

    ach ja, zu meinem Post 43. noch etwas: das hat auch nichts mit Enteignung zu tun wie hier so einige schrieben und sich darauf berufen, auch wenn es ggf. juristisch erstmal so anzusetzen wäre und was ja auch so vom LG bis OLG als Grundlage genommen wurde, den Fall abzuschmettern und das Leid beginnen zu lassen vor vielen Jahren. Sich in diesem Fall auf Enteignung zu berufen (wie vom Erben in den Instanzen vorgetragen und auch juristisch gesehen Recht bekommen) gegenüber einer in diesem speziellen Fall Amtshaftung durch Fehler im damaligen Verwaltungsakt ist nun vom BGH abzuwägen. Wäre dann aber ein Präzedensfall, aber dann eine richtige Entscheidung vom BGH eine Enteignung des eigentlichen Eigentümers/Erben hier nicht anzusetzen.

  17. 44.

    Mit etwas gesundem Menschenverstand würde hier der ehemalige Eigentümer des Grundstückes entschädigt und basta.
    Dieser abermalige Versuch der juristischen Quadratur eines Kreises ist unerträglich.

  18. 43.

    "Entscheidender ist für mich die Frage, wann u. in welchem Umfang die Amtshaftung endlich greift"
    Erstens aus meiner Sicht überhaupt nicht, denn für die Zwangsvollstreckung bedarf es ja eines richterlichen volltreckbaren Titels. Und die Richter haften nach dem "Richterspruchprivileg, § 839 Abs. 2 BGB" nur bei Vorsatz, der zudem bewiesen werden müsste und "Schludrigkeit" gehört ganz sicher nicht dazu.
    Zweitens ist diese Feststellung ja auch nicht Gegenstand des angestrebten Revisionsverfahrens, denn wenn der BGH die Sache überhaupt zur Revision annimmt, was schon ein Erfolg für sich wäre, dann geht es ausschließlich um die Revision des gesamten Prozessablaufs gegen den Bodeneigentümer.

Nächster Artikel