Bogensee-Areal in Barnim - Berlin erwägt Abriss der Goebbels-Villa in Wandlitz

Mi 17.04.24 | 08:55 Uhr | Von Dorit Knieling
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Archivbild:Das Areal am Bogensee (Luftaufnahme mit einer Drohne) am 23.03.2024.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
Video: rbb24 Abendschau | 20.04.2024 | Theresa Majerowitsch | Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul

Ein wenig verwunschen sieht es aus, das Gelände der früheren FDJ-Hochschule und ehemaligen Goebbels-Villa am Bogensee. Nun kommt aus Berlin die Idee, die historischen Gebäude abzureißen. Denn die kosten viel Geld. Von Dorit Knieling

Auf einem riesigen Areal rund um den Bogensee nahe der Gemeinde Wandlitz (Barnim) stehen die denkmalgeschützten Gebäude im Besitz des Landes Berlin. Hier befindet sich unter anderem das Landhaus des früheren Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur nutzten die Alliierten die Gebäude als Lazarett. 1946 übergab sie die Sowjetunion an die gerade gegründete Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ).

Es kamen weitere Gebäude für die Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" dazu, um den Funktionärsnachwuchs der SED auszubilden. Architekt war Hermann Henselmann, der auch die protzige Stalin-Allee, die heutige Karl-Marx-Allee, entworfen hatte. Nach der Wiedervereinigung nutzte der "Internationale Bund für Sozialarbeit" (IB) das Areal bis 1998.

Zwischen Abriss und Zukunft

Doch seitdem steht das Ensemble leer, die Häuser verfallen. Die Natur holt sich den Lebensraum sanft zurück. Nun ist erneut eine Diskussion entfacht, wie mit dem historischen Gelände umgegangen werden soll: abreißen oder weiterentwickeln?

Am kommenden Freitag wird sich der Aufsichtsrat der Berliner Immobilienmanagementgesellschaft (BIM), der Verwalterin des Geländes, damit beschäftigen. In der BIM gibt es die Überlegung, die Gebäude abzureißen und zu renaturieren. Berlin stecke pro Jahr rund 250.000 Euro in die Bewirtschaftung der leerstehenden Gebäude. Dazu seien 4 bis 5 Millionen Euro für die Instandsetzung, unter anderem defekter Dächer gekommen, so die Geschäftsführerin der BIM, Birgit Möhring. "Wir arbeiten mit dem Geld der Berliner Steuerzahler. Wenn Berlin nicht genug Geld für Feuerwehr und Polizei hat, fragt es sich, wieso soviel Geld in Bogensee investieren."

Für eine Instandsetzung der vielen Gebäude seien rund 350 Millionen Euro nötig. Die Infrastruktur sei abgeschaltet. Es gebe weder Wasser noch Strom.

Für den Abriss seien vergleichsweise nur rund 45 Millionen Euro nötig. Dieses Geld würde die BIM jetzt versuchen anzusparen und brauche dafür Gelder aus dem Landeshaushalt. Der Denkmalschutz stehe dem Abriss nicht im Weg, so Möhring. Wenn betriebswirtschaftlich dargelegt werden könne, dass ein Erhalt des Ensembles nicht finanzierbar ist, müsse der Abriss genehmigt werden. Werde dies verweigert, müsse das gerichtlich erstritten werden. "Ein 'Weiter so' darf es nicht geben", so das Fazit der BIM-Geschäftsführerin.

Bundesbehörden als Zwischenmieter?

Möhring setzt zudem auf Gespräche mit dem Bund. Sie könne sich auch eine Zwischennutzung durch Bundesbehörden vorstellen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte kürzlich ein Engagement ihrer Behörde ins Gespräch gebracht, ohne konkret zu werden. Auf Anfrage hieß es aus dem Ministerium: "Die Immobilie hat einen hohen zeitgeschichtlichen Wert und ist bautechnisch herausfordernd. Mögliche Weiterentwicklungs- und Nutzungskonzepte müssen dem gerecht werden. Als Bund können wir uns ein Engagement vorstellen, allerdings müssen dazu noch wichtige Voraussetzungen und Fragen geklärt werden."

BIM-Aufsichtsräte mit unterschiedlichen Vorstellungen

Einen Abriss sieht Steffen Zillich, Linken-Abgeordneter und BIM-Aufsichtsrat, kritisch. Weil der viel Geld kosten würde, plädiert er für eine Weiterentwicklung des geschichtsträchtigen Ortes. Zum Beispiel mit einem Mix aus verschiedenen Lösungen. "Dafür braucht es Zeit und Geld." Zudem müsse eine Lösung gemeinsam mit den Brandenburger Beteiligten und dem Bund gefunden werden.

Dagegen will Sven Heinemann, SPD-Abgeordneter und Mitglied im Aufsichtsrat der BIM, kein Geld mehr in das Areal stecken. Seit über 20 Jahren passiere nichts. Deshalb solle es schrittweise zurückgebaut werden. "Berlin hat viele Bauprojekte. Dafür könnten Ausgleichsflächen reaktiviert werden." Dass der Bund sich langfristig engagiert, bezweifelt Heinemann. Der Bund könne das Areal sofort für einen Euro haben. Es brauche keine Zwischenlösung, sondern ein nachhaltiges Konzept.

Brandenburg gegen Abriss

Der Landkreis Barnim und die Gemeinde Wandlitz sind strikt gegen einen Abriss. Sie haben in einem offenen Brief ein Abriss-Moratorium gefordert, der von zahlreichen Vertretern von Gremien wie der Architektenkammer und der Stiftung Denkmalschutz, aber auch Politikern und Bürgern unterschrieben wurde.

"Es kann doch nur richtig sein, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, nach einer klugen Nutzung zu suchen", sagte der Landrat von Barnim, Daniel Kurth (SPD). Es gebe die Idee, ob Forschung und Wissenschaft den Standort wiederbeleben könnten. "Vielleicht gibt es andere tolle Nutzungen." Deshalb soll das Abriss-Moratorium fünf Jahre lang gelten. In der Zeit soll ein Nutzungskonzept erarbeitet werden.

Auch der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft), in dessen Verantwortung die Planungshoheit über das Gelände liegt, argumentiert: "Wir haben im Flächennutzungsplan Bildung und Wissenschaft stehen." Die Gemeinde sei aber bereit, die Nutzung zu erweitern, zum Beispiel durch Wohnen. 4.000 Wohnungen, wie Berlin es ins Gespräch gebracht habe, sei aber zu viel. Dazu fehle die Infrastruktur wie Kita und Schule.

Dieser Idee steht auch der Denkmalschutz nicht im Weg. Thomas Drachenberg, Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, erklärte, Wohnen sei kein Problem. Zum Beispiel könnten die alten Seminargebäude umgebaut werden. Aber die Gemeinde Wandlitz müsse erst einmal klären, was sie dort wolle.

Doch nicht alle Wandlitzer Gemeindevertreter teilen die Idee der Weiternutzung. Auf einer Sitzung sagte Katja Hoyer (Grüne) laut "Märkischer Oderzeitung", sie wünsche sich, dass das Gelände der Natur zurückgegeben werden sollte.

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Dorit Knieling

154 Kommentare

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  1. 153.

    Das könnte ja auch in Zukunft ein großes Tischtenniszentrum werden, mit Ferienlager oder aber eine große Cannabisproduktionsstätte mit Clubs, Schwimmbad mit Sauna. Nur zur Anregung.

  2. 152.

    Das ist ein Gelände von übergeordneter Bedeutung für die ganze Bundesrepublik, die Geschichte Deutschlands, der Geschichte der DDR.
    Als keineswegs etwas für den Ausschnitt "Brandenburger Bevölkerung"

  3. 151.

    Bin unbedingt für den Erhalt! Es wurde uns schon genug genommen: Palast d.Republik, Flughafengebäude, alte Wohnhäuser…
    Enough is Enough!

  4. 150.

    Ich bin für die Befragung der Brandenburger Bevölkerung und glaube, daß diese sich zugunsten einer Neu,-Umgestaltung, wie Ferienlager, Kultur, Sozialwohnungen usw. aussprechen werden.

  5. 149.

    Für jeden Schwachsinn wird Geld ausgegeben, da fragt man die Steuerzahler auch nicht. Geld wofür wir arbeiten. Andere bekommen es einfach so ! Das Gebäude muss bleiben .Gehört zur Geschichte.

  6. 148.

    Warum sollten die Gebäude abgerissen, statt einer zeitgemäßen Nutzung zugeführt werden? Weil Goebbels dort sein Landhaus hatte und man keinen Wallfahrtsort für Nazis entwickeln möchte? Weil Sowjetunion und FDJ das Gelände nutzten? Weil die zeitgemäße neue Nutzung ein Schlag ins Gesicht der Opfer und Nachkommen der beiden Diktaturen wäre? Eine entsprechende Nutzung in Verbindung mit erforderlicher „Erinnerungskultur“ ist immer möglich.
    Komisch. Warum wurden die Ruppiner Kliniken nicht abgerissen? Erst „Irrenanstalt“, dann Zwischenlager zur Euthanasie und Standort zur Sterilisation zur Vermeidung von „erbkranken Nachwuchses.“.
    In Elstal entstehen im ehemaligen olympischen Dorf Wohnungen in Gebäuden, die vor den Spielen als Kasernen geplant wurden. Auf der anderen Seite der B5 erfolgt die Umnutzung in eine Ferienanlage.
    Bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit Zeitgeschichte kann zu bisher undenkbaren Ideen und Möglichkeiten führen. Vorausgesetzt, die Konzepte dazu sind stimmig.

  7. 147.

    Was wird dort jährlich für rund 250.000 Euro "bewirtschaftet"?

    Etwas sarkastisch: Gärtner, Putzfrau - kein Wasser, kein Strom?
    Oder Sicherheitsmitarbeiter einmal am Tag?

    Mein Denkfehler?

  8. 146.

    Absurd wäre das nicht: So unterschiedlich die Anbindung oder Nichtanbindung der Geheimdienste an demokratische oder autoritäre Systeme auch sind, so besteht doch die übergreifende Gemeinsamkeit aller Geheimdienste in einem organisatorischen Raster, bis hin zum Exzess. Die Architekten der BND-Zentrale in Berlin waren "pfiffig" genug, das mit Zustimmung des BND dort auch noch architektonisch fast "bis zum Erbrechen" abzubilden.

    Eine Einmietung in den Holzmarkt nahe der Jannowitzbrücke würde bspw. dem Charakter des BND, des VS und des MAD glatt zuwiderlaufen. ;-

    (Allerdings hat die rasterhafte Wahrnehmung der Realität auch immer wieder ihre Schwächen, sowohl ggü. konstruktiven Organisationen als auch ggü. destruktiven ; Erstere, die glücklicherweise, zweite, die fatalerweise Geheimdienste an der Nase herumführen.)

  9. 145.

    Niemand will da privat Geld reinstecken. Weder in das SEZ in prominenter Lage in Friedrichshain noch in die ehemalige FDJ Hochschule Bogensee jwd in Wandlitz. Zeit ist genug vergangen, beim SEZ hat man sich für einen Abriss durchgerungen, ich persönlich sehe eigentlich auch nur den Abriss am Bogensee.

  10. 144.

    "Abreißen und der Natur zurückgeben,"
    Ganz meine Meinung, hätte man schon vor 25 Jahren machen sollen.

  11. 143.

    Das waren auch meine Gedanken. Die Geschichte dieses Gebäudes könnte sinnvoll genutzt werden, um nachfolgenden Generationen einen greifbaren Einblick zu geben. Das sollte jeden Cent wert sein.

  12. 142.

    Der BND auf dem ehemaligen Gelände von Goebbels, daneben dem Gelände der ehemaligen FDJ-Hochschule?
    Wirklich eine gute Idee?
    Ich glaube nicht.

  13. 141.

    Der Abriss ist wohl auch umsonst? Ich Frage mich wieso der BND für beinahe 1. Milliarde € mitten in Berlin seine Zentrale gebaut hat war dies den Notwendig ? Wäre es nicht besser gewesen ihn dorthin Unter zu bringen und am jetzigen Standort des BND Wohnungen zu bauen?

  14. 140.

    Landkreis, Gemeinde, Landespolitik, Bundespolitik waren in den letzten Jahrzehnten da, wo Sie auch sind: Lieber keine konstruktive Idee haben. Defensiv darüber spekulieren, es könne ein "Gedenkplatz" für Rechte werden um dann unter dem scheinbar menschen- und weltfreundlichen Label "der Natur zurückgeben" Gras über die Geschichte des Geländes wachsen zu lassen.
    Ganz in Tradition (mindestens) defensiver Haltung /Disposition gegenüber Geschichte, Praxis, Agenda "rechter Gruppierungen".
    Dabei ganz ohne Nachweis, dass "rechte Gruppierungen" nicht auch an einer frisch gepflanzten Eiche auf dem eingeebneten Gelände Kränze niederlegen könnten.
    Mein hier schon gemachter Vorschlag: Eine Medien- Publizistikhochschule, die sich Denkmal und Geschichte stellt.
    Einschließlich der Geschichte, in der die FDJ-Hochschule den Bruch mit der Geschichte und Nutzung des Geländes darstellen sollte. Was eben nicht "wie Geoebbels" ist. Aber für die BEGRIFFSbildung zur Geschichte des Geländes gehört.

  15. 139.

    350 Millionen für die Sanierung sind viel Geld, aber für ein Universitätsgebäude nicht teuer. Wie Vergleiche zeigen.

    Es könnte eine Medien & Publizistikhochschule entstehen, die einerseits den Denkmalschutz erfüllt,
    andererseits bewusst, offensiv und konstruktiv mit der Geschichte des Geländes umgehen kann - gerade weil sie sich der(scheinbaren) Modernität einer digitalen Medienwelt, digitaler Nachrichtenverbreitung, den Folgen einer durchökonomisierten, von Algorithmen und zunehmender Monopolbildung gekennzeichneten Kommunikation und Informationsverbreitung stellt. Sie untersucht, erforscht, kritisiert und der Gesellschaft Wissen über Struktur, Mechanismen, Prozess und Folge dieser Entwicklung zur Verfügung stellt.

  16. 138.

    Warum jetzt das Gejammer für Erhaltung? Wo waren Landkreis und Gemeinde die letzten 25 Jahre, in denen das Areal immer mehr zerfallen ist und dem Vandalismus preis gegeben wurde? Abreißen und der Natur zurückgeben, damit nicht noch mehr Geld verbrannt wird und rechten Gruppierungen ein "Gedenkplatz" geschaffen wird.

  17. 137.

    Berlin hat NICHTS zerstört. Der Abriss des Palast und Hotel am BER, das gar nicht in Berlin lag, waren Beschlüsse des Bundestages bzw. Bundesverwaltung. Damit hat Berlin nichts zu tun.

  18. 136.

    Das Ding muss weg! Keine Gedenkorte für Neonazis schaffen.

  19. 135.

    Ich meinte und meine das Wohnhaus des Anstifters zum Massenmord. Habe ich aber auch schon geschrieben.

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