Sondersitzung zu Coronavirus - Berlin und Brandenburg ziehen Ausgangssperren in Erwägung

Gemeinsam gegen das Virus: Berlin und Brandenburg wollen in der Corona-Krise vor allem bei der Gesundheitsversorgung noch stärker kooperieren. Zudem werden weitere Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens besprochen - auch Ausgangssperren.
Allgemeine Ausgangssperren im Kampf gegen das Coronavirus werden nicht mehr ausgeschlossen. Das gaben die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg am Mittwoch nach einer gemeinsamen Sitzung beider Landesregierungen bekannt. "Das kann schnell entschieden werden", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, "aber ich hoffe sehr, dass wir das vermeiden können". Man stehe weiterhin erst am Anfang einer Epidemie, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. "Es fängt jetzt erst richtig an." Experten der Charité hätten beiden Landesregierungen am Mittwoch mitgeteilt, dass sich die Zahl der Infektionen jeden Tag um ein Drittel erhöhen werde. "Die Beanspruchung des Gesundheitssystems wird weiter steigen."
Medizinische Kapazitäten werden stark erhöht
Beide Bundesländer wollen deshalb nun im Bereich der Gesundheitsversorgung intensiver zusammenarbeiten. So sollen etwa die Kapazitäten in der intensivmedizinischen Versorgung, vor allem mit Beatmungsgeräten, verdoppelt werden. Auch die Testkapazitäten sollen weiter erhöht werden - in Berlin liegen sie derzeit bei rund 4.000 Tests am Tag. Krankenhäuser wurden bereits aufgerufen, Operationen, die nicht dringlich sind, zu verschieben. Zudem wird zusätzliches Personal angeworben, auch unter pensionierten Ärzten, Pflegerinnen und Medizinstudierenden.
In Berlin übernehme die Charité die zentrale Verteilung der Corona-Patienten, so Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, wobei die schwersten Fälle bei Deutschlands größtem Uniklinikum bleiben sollen. Zudem wird via Telemedizin das Wissen der Charité-Experten an andere Krankenhäuser in der Region weitergegeben. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher sagte, dass ihr Bundesland bei schwerkranken Patienten auf die Berliner Kapazitäten angewiesen sei.
Berlin hat derzeit laut Gesundheitssenatorin Kalayci 1.045 Intensivbetten mit Beatmungsgeräten, in Brandenburg sind es 700 Intensivbetten und 500 Beatmungsplätze. Bislang sind in der Hauptstadt 519 positive Coronavirus-Fälle (Stand: 18.03.2020, 16:10 Uhr) gemeldet worden, 28 davon sind in stationärer Behandlung. In Brandenburg gibt es 189 bestätigte Fälle, davon 23 im Landkreis Oder-Spree und 20 im Barnim, doppelt so viele wie am Vortag (Stand: 18.03.2020, 19:15 Uhr).
Brandenburg skeptisch bei Ausgangssperren
Nonnemacher zeigte sich skeptisch gegenüber weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens. "Wir haben hier keinen inneren Notstand", sagte sie vor der Kabinettssitzung. Man befinde sich erst bei "Tag 1 des Shutdowns" und müsse erst die Wirkung der bisher beschlossenen Maßnahmen abwarten. "Es hat auch keinen Sinn, jetzt jeden Tag neue Regelungen zu treffen, sondern man muss sich jetzt erstmal angucken, wirkt das wirklich und nicht in hektischen Aktionismus verfallen." Zudem seien Ausgangssperren "kein Allheilmittel".
Müller und Woidke weisen Kritik zurück
Die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin waren am Mittwochmittag in Potsdam zu einer gemeinsamen Sondersitzung - und zwar in kleiner Runde, um auch hier Ansteckungswege zu verhindern. Woidke wies Kritik am Vorgehen der Brandenburger Kenia-Koalition als unzutreffend zurück. "Die erste Handelseinrichtung, die ich schließen würde, wäre der Jahrmarkt der Eitelkeiten", sagte Woidke, "aber das wird in der Politik ein frommer Wunsch bleiben."
Müller, dem die Berliner Opposition vorgeworfen hatte, zu langsam zu handeln, wehrte sich ebenfalls: Die Ratschläge der Experten würden sich dynamisch entwickeln, jeden Tag sei die Lage eine andere. "Hier drückt sich niemand vor Entscheidungen", so Müller, "aber es ist immer ein Abwägungsprozess". Dass zum Beispiel einzelne Bezirke weitergehende Maßnahmen als der Senat umsetzen und zuletzt eigenmächtig Spielplätze schlossen, sei völlig in Ordnung. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass Menschen in der Großstadt nicht die gleichen Ausweichmöglichkeiten hätten wie Bewohner des Berliner Umlandes.
Müllers Wutrede: "Corona-Partys sind untragbar, Hamsterkäufe asozial"
Müller appellierte zugleich an das Verantwortungsgefühl der Bürgerinnen und Bürger: Jeder müsse begreifen, in welcher Situation man sich befinde. "Es ist untragbar, dass zu Corona-Partys eingeladen wird", sagte Müller sichtlich wütend. "Es ist richtig, dass Hamsterkäufe als asozial bezeichnet werden. Da wird anderen etwas weggenommen, die vielleicht dringend darauf angewiesen sind. Und es ist untragbar, wenn Menschen bestimmte Abstandsregeln nicht einhalten."