Meinung | Quarantäne nach Auslandsbesuch - Corona kennt keine Grenzen, der Kampf gegen Corona schon

Di 10.11.20 | 19:15 Uhr
  40
Ein Kind blickt 2020 in Berlin aus dem Fenster. (Quelle: Dominik Wurnig)
Bild: Dominik Wurnig

Wer seine Familie im ausländischen Risikogebiet besucht, muss hinterher mindestens fünf Tage in Quarantäne. Für innerdeutsche Risikogebiete gilt das nicht. Das ist Diskriminierung, meint Dominik Wurnig

Meine Familie und ich haben gerade fünf Tage in häuslicher Quarantäne hinter uns. Warum? Weil wir unsere Eltern im ausländischen Risikogebiet besucht haben. Die Omas meines Kindes leben nicht irgendwo in Deutschland, sondern in Österreich, konkret in Wien. Eigentlich sollten Behörden keinen Unterschied machen, zwischen deutschen Staatsbürgern und Unionsbürgern. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, heißt es im Artikel 3 des Grundgesetzes. Doch während der Corona-Pandemie sind Landesgrenzen auf einmal wieder wichtig. Dabei ist die Personenfreizügigkeit einer der vier Grundpfeiler der Europäischen Union.

Für die Bundesregierung ist ganz Österreich ein Covid-19-Risikogebiet – so wie alle anderen EU-Staaten (zumindest in Teilen) auch. Deshalb muss die ganze Familie bei der Rückkehr nach Berlin in Quarantäne. Für uns Erwachsene ist das ja ganz gut aushaltbar, für ein Kleinkind aber eine ziemliche Tortur. Mit der am 7. November in Kraft getretenen Verordnung kann man sich dem Hausarrest auch nicht mehr – wie bisher – durch einen negativen Test entziehen. Erst am fünften Tag kann man sich "freitesten".

Mehr Fälle in Neukölln als im Risikogebiet

Lebten unsere Verwandten nicht in Wien, sondern etwa im bayerischen Landkreis Traunstein, hätte mein Sohn in den letzten Tagen in die Kita gedurft. Dabei sind die Corona-Zahlen dort weit schlechter als in Wien. 378 neue Fälle pro 100.000 Einwohner gibt es in den letzten sieben Tagen im Kreis Traunstein, 250 in der österreichischen Hauptstadt. Selbst in Berlin-Neukölln (300) sind die Infektionszahlen höher (Stand: 10.11., 15:30 Uhr).

Für die Quarantäne-Regelung ist aber anscheinend nicht nur entscheidend, wie gefährlich das Infektionsgeschehen in einem Gebiet ist, sondern vor allem, ob es im Ausland ist. Nach wie vor gibt es keine Beschränkungen für Reisen in innerdeutsche Risikogebiete, sondern nur die dringliche Aufforderung [bundesregierung.de] Reisen in Risikogebiet zu unterlassen. Auch die Beherbergungsverbote für Reisende, die aus Risikogebieten kommen, wurden – wie etwa in Brandenburg – größtenteils wieder gekippt. Schon im Frühling wurden die Landesgrenzen einmal dicht gemacht. Seit der Corona-Pandemie fühlt sich meine Heimat viel weiter weg an.

Null Prozent der Fälle haben Auslandsexposition

In Österreich hatten wir keinen Kontakt mit Corona-Erkrankten. Danach hat auch niemand gefragt. Symptome für eine Covid-Erkrankung haben wir auch nicht. Soweit ich weiß, wird keine andere Gruppe ohne konkreten Verdacht präventiv in Quarantäne geschickt. Eine solche Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist ein massiver Eingriff in unser Grundrecht. Dieser Eingriff muss verhältnismäßig sein. Ist er aber nicht. Laut aktuellem Lagebericht für Berlin haben null Prozent der Covid-Fälle Auslandsexposition, wie es im Fachjargon heißt.

Natürlich macht es zur Pandemiebekämpfung Sinn, die Reisetätigkeit einzuschränken. Dann aber bitte für alle nach den gleichen sachlichen Kriterien. Das Gesundheitsamt kann in bestimmten Fällen Ausnahmen von der Quarantänepflicht machen. Aber von dort eine verbindliche Auskunft zu bekommen, grenzt an ein Wunder. Absurderweise muss ich in Quarantäne, wenn ich meine Mutter in Wien besuche, meine Mutter aber nicht, wenn sie mich aus Wien besuchen kommt. Da greift nämlich die Ausnahmebestimmung für Verwandte ersten und zweiten Grades.

Ausländer haben keine Lobby

Besonders hart treffen die Rückreisebestimmungen Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund - das sind immerhin 21 bzw. 14 Prozent der Berliner und Berlinerinnen. Mütter und Väter. Schwestern und Brüder. Tanten und Onkels. Cousinen und Cousins - viele davon leben im Ausland. In 151 Staaten gibt aus Sicht der deutschen Bundesregierung heute Risikogebiete. Unsere Familien zu besuchen, ist massiv verunmöglicht, wenn man hinterher fünf Tage das Haus nicht verlassen darf. Keine Kita, keine Schule, (oftmals) kein Arbeiten. Das heißt, kein Spielplatz, kein Supermarkt und nicht mal den Müll runtertragen (nicht so lustig mit einem Kind, das in die Windel macht). Vielleicht sollten wir auch gegen die Auflagen klagen – so wie es die Brandenburger Hoteliers vorgemacht haben. Vermutlich stünden die Chancen nicht mal schlecht. Aber welche Familie tut sich das schon an? Wir Ausländer haben leider keine Lobby.

Was Sie jetzt wissen müssen

40 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 40.

    Vielen Dank für Ihre Antwort.

    So wie Sie das erklären, macht das dann natürlich Sinn. Ich hatte gehofft, dass die Quarantänebefreiung auch für Menschen gilt, die ihre Familie im Ausland besuchen, aber gemäß Ihrer Interaktion mit dem Gesundheitsamt scheine ich das wirklich falsch verstanden zu haben. Gut, dass sich das geklärt hat.

    Ich habe auch Familie im Ausland und hoffe für uns alle, dass sich die allgemeine Lage wieder verbessert!
    Das wird sich schon alles wieder einrenken.
    Viel Kraft und frohen Mut an Euch!

  2. 39.

    So wie ich das verstanden habe, gilt das eben für Leute die Verwandte hier in Berlin besuchen - nicht aber umgekehrt. Vielleicht lese ich das auch falsch. Das Gesundheitsamt hat jedenfalls die Quarantäne angeordnet, obwohl ich den Familienbesuch erwähnt hatte.

  3. 38.

    Haben Sie gesehen, dass es jetzt eine Ausnahme für Familiäre Grunde gibt???
    https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/
    Art. 8 Abs. 3. Nr 2.a (ohne Testergebnis für Reise weniger als 48 Stunden)
    Art. 9 Abs. 3. Nr 2.a (mit Testergebnis für Reise mehr als 72 Stunden)

    Es gibt Hoffnung für Weihnachten :-)

  4. 37.

    Um das Beispiel auf die Spitze zu treiben:

    Oma A wohnt in Freilassing, Oma B ein paar Meter weiter in Salzburg.
    Kommt man von Oma A zurück ist alles ok, aber von Oma B ist man gefährlicher Reiserückkehrer und muss in Quarantäne.

  5. 36.

    Okay, wenn es die räumliche Distanz ist, dann nehmen wir halt an, die Oma wohnt nicht in Neukölln sondern in München. Es bleibt trotzdem der Unterschied bestehen, ob ich die Oma in Wien oder in München besuche, obwohl beides Risikogebiete sind. Bei der Münchener Oma muss ich nicht in Quarantäne, bei der Wiener Oma aber schon. Trotzdem bleibt das Unverständnis, warum der Verordnungsgeber annimmt, meine Ansteckungsgefahr bei der Oma in Wien, die ich mit dem PKW besuche, wäre höher, als wenn ich mit der U8 zur Oma nach Neukölln reise. Für mich liegt im letzteren Fall das Risiko einer Infektion sogar ungleich höher. An solchen Dingen erkennt man aber, wie widersinnig die Corona-Verordnungen sind. Diese Ungleichbehandlung dürfte meines Erachtens sogar klar verfassungswidrig sein. Die Quarantäne ergäbe nur dann Sinn, wenn Berlin kein Risikogebiet wäre. Solange es das aber bleibt, ist die Quarantäne in solchen Fällen reine Willkür.

  6. 35.

    Lesen sie mal diesen Artikel.....
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/schutz-aus-zellstoff-warum-so-viele-japaner-mundschutz.979.de.html?dram:article_id=292628

    Die Maske trägt dort jeder zum Selbstschutz ... das kann man auch in einem anderen Artikel nachlesen, dass einige sie sogar beim schlafen tragen.

  7. 34.

    Sinnvoller wäre grundsätzlich eine bessere Daseinsvorsorge im Sinne des Gesundheitsschutzes, wie z.B. in Taiwan. Dort verliessen vor der Pademie gewohnheitsmäßig Leute mit leichten Infektionen ihr Zuhause mit Mundnasenschutz-Maske und gingen auch so ihrem Alltag nach (Schule, Arbeit, ...) - also zum Schutz der Anderen. Doch das mit der Daseinsvorsorge klappt ja leider hier schon in vielen Bereichen seit der "Liberalisierung" in den 70er/80er... Jahren nicht mehr so toll: Bahn, Post, ÖPNV, Wasser, ....
    Wie das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen werden soll, um nicht nur mit dieser Pandemie angemessen umzugehen, sondern auch künftig sinnvoll präventiv die Gesundheit der Allgemeinheit zu schützen - ist mir ein Rätsel. Natürlich darf jeder dazu beitragen. Ich kann mich dafür entscheiden mich vorsichtig zu verhalten - für mich und andere - auch bei familiär notwendigen Reisen.

  8. 33.

    Ich war der Meinung, dass man enge Familienangehörige, ohne nachfolgenden Quarantänezwang, besuchen darf.

    "Ausnahmen von der Quarantänepflicht (...) Menschen (...) die Verwandte ersten oder zweiten Grades (...) besuchen"

    Quelle:
    https://www.berlin.de/corona/massnahmen/einreisen/#:~:text=Ausnahmen%20von%20der%20Quarant%C3%A4nepflicht&text=die%20als%20Urlaubsr%C3%BCckkehrende%20aus%20einem,Infektion%20mit%20dem%20Coronavirus%20bestehen.

    Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich das falsch verstanden habe.

  9. 32.

    Wesentlich liegt der Unterschied in der räumlichen Distanz. Offenbar geht es also um zwei Dinge. Willkürliche (politische) Diskriminierung und dem Infektionsgeschehen angemessenes (Reise)Verhalten. Auch bei einem Besuch innerhalb Berlins gibt es unterschiedlich sichere Reisewege. Deswegen wird z.B. von der Nutzung des ÖPNV abgeraten; gilt entsprechend für Fernreisen (Bahn, Flugzeug, Schiff, ... ;). Hängt also auch von der Verfügbarkeit der eigenen Transportmittel ab. Nach Neukölln können die meisten notfalls zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren. Doch nicht alle haben zur "pandemiesicheren" Überwindung größerer Distanzen eigene Autos, Flugzeuge oder Schiffe, die sie selbst führen können. Die ökonomischen Unterschiede werden zukünftig noch sichtbarer werden (Diskriminierung?!).
    @rbb Wie ist z.B. Mr (Tesla) Musk kürzlich gereist - ohne Quarantäne?!
    Viele Länder haben zudem auch schon lokale Bewegungsbeschränkungen verfügt, vergleiche China, Italien, Spanien, Griechenland, Frankreich ...

  10. 31.

    Wesentlich liegt der Unterschied in der räumlichen Distanz. Offenbar geht es also um zwei Dinge. Willkürliche (politische) Diskriminierung und dem Infektionsgeschehen angemessenes (Reise)Verhalten. Auch bei einem Besuch innerhalb Berlins gibt es unterschiedlich sichere Reisewege. Deswegen wird z.B. von der Nutzung des ÖPNV abgeraten; gilt entsprechend für Fernreisen (Bahn, Flugzeug, Schiff, ... ;). Hängt also auch von der Verfügbarkeit der eigenen Transportmittel ab. Nach Neukölln können die meisten notfalls zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren. Doch nicht alle haben zur "pandemiesicheren" Überwindung größerer Distanzen eigene Autos, Flugzeuge oder Schiffe, die sie selbst führen können. Die ökonomischen Unterschiede werden zukünftig noch sichtbarer werden (Diskriminierung?!).
    @rbb Wie ist z.B. Mr (Tesla) Musk kürzlich gereist - ohne Quarantäne?!
    Viele Länder haben zudem auch schon lokale Bewegungsbeschränkungen verfügt, vergleiche China, Italien, Spanien, Griechenland, Frankreich ...

  11. 30.

    Sehr geehrte Herr Wurnig
    Wir wohnen auch in Berlin und die Grosseltern in Österreich, weil mein Mann Österreicher ist und haben auch 2 kleine Kinder. Ich finde es total richtig mit der Quarantäne. Die ganze Welt ist so global und viele Menschen habe ihre Verwandtschaft irgendwo im Ausland. Würde man für jeden eine Ausnahme machen, würde sich das Virus wahrscheinlich nich schneller verbreiten. Ich sehe es auch nicht als Diskriminierung an, sondern einfach als notwendiges Opfer für die Allgemeinheit. 5-10 Tage Quarantäne sind nicht schön aber für mich gibt es Schlimmeres, zum Beispiel krank zu sein.

  12. 29.

    Erstaunlicherweise warnt Österreich nicht vor Reisen nach Deutschland: www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reisewarnungen/ Allerdings gewähren die meisten Staaten ihren Staatsbürgern die Einreise. So gesehen sind Migranten, die weiterhin die Staatsbürgerschaft ihrer Herkunftsstaaten führen, bezüglich Reisen in "ihre" Länder bei Einreisebeschränkungen im Vorteil. "Wir Ausländer" blendet jedoch aus, dass "EU-Bürger" bezüglich der Freizügigkeit sehr privilegiert sind. Etwa im Vergleich zu "Staatenlosen" oder Menschen mit Duldungsstatus für die internationale Reisen fast unmöglich sind. Auch alle, die für Reisen Visa benötigen sind deutlich schlechter gestellt.
    Doch warum nicht klagen, wenn tatsächlich eine Diskriminierung vorliegt? Eventuell kann dabei sogar die eigene (österreichische) Botschaft niedrigschwelliger (als Lobby) behilflich sein, falls diesbezüglich politisches Interesse besteht. Viel Erfolg.
    Gehe davon aus, dass sie mit dem Auto reisen und sich vor Ort angemessen verhalten.

  13. 27.

    Ich fühle mit Ihnen. Es tut mir sehr leid, dass ihre Kinder die Großeltern nicht sehen können. Hoffen wir, dass es bald bergauf geht und sich Familien über Landesgrenzen hinweg wieder treffen können.

  14. 25.

    Danke für ihren Kommentar.
    Was ist denn ihre tägliche Arbeit? Als Journalist würde ich gerne mehr erfahren, weil uns die Verwaltung dazu bisher kaum Belege gebracht. Ich bitte um Kontaktaufnahme via dominik.wurnig@rbb-online.de Danke

  15. 24.

    Das ist nicht korrekt. Deutsche dürfen und durften immer in Deutschland herumreisen. Teilweise gab es das Verbot in Herbergen (Hotels o.ä.) zu übernachten. Never ever wurden innerdeutsche Familienbesuche mit einer Quarantänepflicht bestraft.

  16. 23.

    Ja, darüber denke ich sehr viel nach. Leider lassen sich nicht alle familiären Angelegenheiten aufschieben.

  17. 22.

    Es geht mir um die Gleichbehandlung von Risikogebieten - egal ob innerhalb oder außerhalb Deutschlands.

  18. 21.

    Das wird nicht getrackt oder gemeldet. Aber es gibt die eindeutige Verordnung, dass man sich beim Gesundheitsamt melden muss und in häusliche Quarantäne muss. Wer das nicht tut, kann auch bestraft werden. Die Einreise melden kann man beispielsweise auch hier: https://www.einreiseanmeldung.de/#/

Das könnte Sie auch interessieren