Meinung | Quarantäne nach Auslandsbesuch - Corona kennt keine Grenzen, der Kampf gegen Corona schon
Wer seine Familie im ausländischen Risikogebiet besucht, muss hinterher mindestens fünf Tage in Quarantäne. Für innerdeutsche Risikogebiete gilt das nicht. Das ist Diskriminierung, meint Dominik Wurnig
Meine Familie und ich haben gerade fünf Tage in häuslicher Quarantäne hinter uns. Warum? Weil wir unsere Eltern im ausländischen Risikogebiet besucht haben. Die Omas meines Kindes leben nicht irgendwo in Deutschland, sondern in Österreich, konkret in Wien. Eigentlich sollten Behörden keinen Unterschied machen, zwischen deutschen Staatsbürgern und Unionsbürgern. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, heißt es im Artikel 3 des Grundgesetzes. Doch während der Corona-Pandemie sind Landesgrenzen auf einmal wieder wichtig. Dabei ist die Personenfreizügigkeit einer der vier Grundpfeiler der Europäischen Union.
Für die Bundesregierung ist ganz Österreich ein Covid-19-Risikogebiet – so wie alle anderen EU-Staaten (zumindest in Teilen) auch. Deshalb muss die ganze Familie bei der Rückkehr nach Berlin in Quarantäne. Für uns Erwachsene ist das ja ganz gut aushaltbar, für ein Kleinkind aber eine ziemliche Tortur. Mit der am 7. November in Kraft getretenen Verordnung kann man sich dem Hausarrest auch nicht mehr – wie bisher – durch einen negativen Test entziehen. Erst am fünften Tag kann man sich "freitesten".
Mehr Fälle in Neukölln als im Risikogebiet
Lebten unsere Verwandten nicht in Wien, sondern etwa im bayerischen Landkreis Traunstein, hätte mein Sohn in den letzten Tagen in die Kita gedurft. Dabei sind die Corona-Zahlen dort weit schlechter als in Wien. 378 neue Fälle pro 100.000 Einwohner gibt es in den letzten sieben Tagen im Kreis Traunstein, 250 in der österreichischen Hauptstadt. Selbst in Berlin-Neukölln (300) sind die Infektionszahlen höher (Stand: 10.11., 15:30 Uhr).
Für die Quarantäne-Regelung ist aber anscheinend nicht nur entscheidend, wie gefährlich das Infektionsgeschehen in einem Gebiet ist, sondern vor allem, ob es im Ausland ist. Nach wie vor gibt es keine Beschränkungen für Reisen in innerdeutsche Risikogebiete, sondern nur die dringliche Aufforderung [bundesregierung.de] Reisen in Risikogebiet zu unterlassen. Auch die Beherbergungsverbote für Reisende, die aus Risikogebieten kommen, wurden – wie etwa in Brandenburg – größtenteils wieder gekippt. Schon im Frühling wurden die Landesgrenzen einmal dicht gemacht. Seit der Corona-Pandemie fühlt sich meine Heimat viel weiter weg an.
Null Prozent der Fälle haben Auslandsexposition
In Österreich hatten wir keinen Kontakt mit Corona-Erkrankten. Danach hat auch niemand gefragt. Symptome für eine Covid-Erkrankung haben wir auch nicht. Soweit ich weiß, wird keine andere Gruppe ohne konkreten Verdacht präventiv in Quarantäne geschickt. Eine solche Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist ein massiver Eingriff in unser Grundrecht. Dieser Eingriff muss verhältnismäßig sein. Ist er aber nicht. Laut aktuellem Lagebericht für Berlin haben null Prozent der Covid-Fälle Auslandsexposition, wie es im Fachjargon heißt.
Natürlich macht es zur Pandemiebekämpfung Sinn, die Reisetätigkeit einzuschränken. Dann aber bitte für alle nach den gleichen sachlichen Kriterien. Das Gesundheitsamt kann in bestimmten Fällen Ausnahmen von der Quarantänepflicht machen. Aber von dort eine verbindliche Auskunft zu bekommen, grenzt an ein Wunder. Absurderweise muss ich in Quarantäne, wenn ich meine Mutter in Wien besuche, meine Mutter aber nicht, wenn sie mich aus Wien besuchen kommt. Da greift nämlich die Ausnahmebestimmung für Verwandte ersten und zweiten Grades.
Ausländer haben keine Lobby
Besonders hart treffen die Rückreisebestimmungen Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund - das sind immerhin 21 bzw. 14 Prozent der Berliner und Berlinerinnen. Mütter und Väter. Schwestern und Brüder. Tanten und Onkels. Cousinen und Cousins - viele davon leben im Ausland. In 151 Staaten gibt aus Sicht der deutschen Bundesregierung heute Risikogebiete. Unsere Familien zu besuchen, ist massiv verunmöglicht, wenn man hinterher fünf Tage das Haus nicht verlassen darf. Keine Kita, keine Schule, (oftmals) kein Arbeiten. Das heißt, kein Spielplatz, kein Supermarkt und nicht mal den Müll runtertragen (nicht so lustig mit einem Kind, das in die Windel macht). Vielleicht sollten wir auch gegen die Auflagen klagen – so wie es die Brandenburger Hoteliers vorgemacht haben. Vermutlich stünden die Chancen nicht mal schlecht. Aber welche Familie tut sich das schon an? Wir Ausländer haben leider keine Lobby.