Interview | Strategie für Pandemie - So läuft es mit dem Corona-Stufenplan an Berliner Schulen

Fr 06.11.20 | 10:23 Uhr
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Symbolbild - Eine Schülerin mit einer Mund-Nasen-Bedeckung öffnet das Fenster ihres Unterrichtsraumes. (Bild: dpa/Daniel Bockwoldt)
Bild: dpa/Daniel Bockwoldt

Der Corona-Stufenplan soll die Berliner Schulen durch die Krise steuern. Doch er ist umstritten: Während die einen mehr Einheitlichkeit fordern, fühlen sich andere gegängelt. rbb-Schulexpertin Kirsten Buchmann erläutert im Interview die Probleme.

rbb|24: Seit Ende der Herbstferien gilt ja nun der Corona-Stufenplan des Senats für die Berliner Schulen. Gibt es jemanden, der einen wirklichen Überblick über das Infektionsgeschehen und den Stand der Dinge an allen Berliner Schulen hat?

Kirsten Buchmann: Den Überblick hat die Bildungsverwaltung. Sie lässt sich berichten, welche Schulen sich in welcher Stufe des Corona-Stufenplans befinden. Eingestuft wird das ja von den bezirklichen Gesundheitsämtern in Absprache mit der bezirklichen Schulaufsicht. Sie teilen die einzelnen Schulen in die Stufen ein und die Bildungsverwaltung erhält die Rückmeldung. Sie hat am vergangenen Donnerstagabend auch eine Liste veröffentlicht die zeigte, wie die Schulen berlinweit dastehen.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Berliner Schulen größtenteils auf der Stufe "gelb" mit den entsprechenden zu der Stufe gehörenden Hygienemaßnahmen (Masken für die Oberstufenschüler, Maskenpflicht auch im Lehrerzimmer). Ein anderer Teil der Schulen stand auf "orange". Da gehen die Hygienebestimmungen etwas weiter. Beispielsweise müssen auch unter Überdachungen im Freien Masken getragen werden. Zu diesem Zeitpunkt standen zwei Schulen auf der Stufe "rot". Das waren zwei Oberstufenzentren. Da sollten die Klassen geteilt und teils in der Schule und teils zuhause unterrichten. An diesem Donnerstag ist wieder der Tag, an dem die bezirklichen Gesundheitsämter nach Rücksprache mit der Schulaufsicht entscheiden und die Schulen auf Basis der aktuellen Daten neu einteilen.

An diesem Stufenplan gibt es durchaus Kritik. Aber eigentlich ist es doch ganz gut, dass für jede Schule einzeln festgelegt wird, wo sie steht?

Der Gedanke, der dahintersteckt, ist ja, dass die Situation nicht berlinweit entschieden wird, sondern, dass man schaut, wie die Situation vor Ort wirklich ist. Da geht es – neben den Infektionszahlen - auch um die baulichen Gegebenheiten der jeweiligen Schule. Also um Fragen wie die, ob überhaupt gelüftet werden kann.

Manche Kritiker rufen in der Sache zu mehr Einheitlichkeit auf. Welche Vor- und Nachteile hätte ein einheitliches Vorgehen für alle Schulen?

Der Nachteil, wenn man schnell alle Schulen auf "rot" stellen würde - dann stände man ja in etwa da, wo man im ersten Shutdown war - ist ja bekannt: Dann gäbe es auch wieder Kinder, die zuhause keine digitalen Geräte haben, um den Unterricht mitverfolgen und ihre Aufgaben so abgeben zu können. Und dass man Kinder hat, die keinen ruhigen Arbeitsplatz zuhause haben.

Aber es gibt von den Befürwortern von mehr Einheitlichkeit die Argumentation, dass man dadurch einen besseren Gesundheitsschutz ermöglichen könnte. Die Gewerkschaft der Lehrer und Erzieher, GEW, kritisiert, dass die Gesundheitsämter aus ihrer Sicht unterschiedlich vorgehen. In Reinickendorf beispielsweise wurden in der vergangenen Woche alle Schulen auf "orange" gestellt – also die zweitstrikteste Stufe, was die Hygieneauflagen in Schulen angeht. Während auf der anderen Seite in Neukölln, wo es ein hohes Infektionsgeschehen im Bezirk gibt, die Schulen größtenteils noch auf "gelb" waren. Da gibt es Unverständnis und daher die Idee der berlinweiten Vereinheitlichung.

Neben dem Ruf nach mehr Vereinheitlichung gibt es auch den nach mehr Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Schulen.

Das ist sozusagen die andere Lesart. Manche Eltern meinen, dass sie, ihre Kinder und auch die Lehrer dadurch besser geschützt werden könnten. Dahinter steht unter anderem der Gedanke, dass einige Schulen schon recht weit sind, was die digitale Ausstattung angeht. Und dass sich Schulen mit mehr Eigenverantwortlichkeit, wenn Infektionen auftreten, schneller dafür entscheiden könnten, dass sie Hybridunterricht machen. Ein Beispiel: wenn es Infektionen in einer Klasse gibt, schaut das Gesundheitsamt, welche Schüler in der Nähe der infizierten Person saßen und somit zu den engeren Kontaktpersonen gehören, die dann in Quarantäne müssen. Das reicht manchen Eltern nicht, weil ja alle Schüler ohne Maske in einem Raum waren im Unterricht. Sie fänden es dann besser, wenn kleineren Gruppen teils in der Schule und teils zuhause unterrichtet würden. Der Meinung dieser Eltern nach wäre der Schulleiter dann derjenige, der entscheiden kann, ob die digitale Ausstattung der Schule dafür ausreicht.

Hier wäre der Nachteil aus Sicht der Bildungsverwaltung, dass Schulleiter eben keine Mediziner sind. Sie haben demnach anders als die Gesundheitsämter auch nicht die medizinische Expertise die Gefährlichkeit der Situation anhand der Corona-Zahlen einschätzen zu können.

Den Schulen wird im Moment viel abverlangt. Sie sollen teils ja auch Kontaktpersonen von Erkrankten herauszufinden und informieren. Ist das überhaupt machbar?

Die Bildungsverwaltung sagt, dass die Schulen ja Sitzpläne der Schüler haben. Sie wissen also, wer wo gesessen hat und wer sich in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten hat, und demnach in Quarantäne muss. Sie sind sowieso die Quelle. Zudem haben sie auch die Telefonnummern und Mailadressen, über die sie die Kinder und deren Familien erreichen. So können die Schulen bei einem höheren Infektionsgeschehen schlicht die Gesundheitsämter entlasten. Die andere Argumentation ist natürlich, dass die Schulleiter ohnehin viel zu tun haben - schon allein durch die Hygieneauflagen, die beachtet werden müssen. Da ist die Sorge, dass sie nicht auch noch die Kontaktverfolgung schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

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33 Kommentare

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  1. 33.

    Das sehe ich auch so. Vor den Schulen sieht man Schüler sich bei Ankunft ständig abknutschend und durch Händeschütteln begrüßen. Nachmittags treffen sie sich noch mit anderen Freunden dann wieder Küsschen hier, Handschlag da und dann noch schön die Finger in den Mund gesteckt und in der Nase gebohrt. Händewaschen in der Schule, na klar, Hände mal kurz unter Wasser gehalten, kontrolliert doch keiner. Wenn die Zahlen sinken sollen, müssen die Schulen umdenken. Besonders in Neukölln sollten auch regelmäßig Tests an Schulen durchgeführt werden.

  2. 32.

    Das weiß keiner....wenn diese Kinder auch nicht getestet wurden, gibt es keine positiven Fälle. Ich kenne bisher kein Kind trotz Sympthome, was getestet wurde. Die Kinderärzte machen es nicht. Die Kinder bleiben ein past Tage zuhause kommen zurück und hatten kein Corona weil sie nicht getestet wurden. Bei den Eltern läuft es ähnlich. Der Senat konzentriert sich doch nur noch auf die Risikogruppen.

  3. 31.

    Ist ja auch kein Wunder...auf unsere Schule besteht mal die MNS Pflicht und nun wieder nicht... ein hin und her...das nimmt kein Kind mehr für voll... und da sollen sich die Lehrer durchsetzen können. Was hier bei diesen Zahlen auf unseren Schulen passiert ist erschreckend... meine Kinder fühlen sich nicht mehr sicher...und wir sind diesem Fehlsystem total ausgeliefert,dass geht gar nicht. Und mit unserer Gesundheit wird hier gespielt.

  4. 28.

    Ich bin täglich mit mindestens 4 verschiedenen Klassen plus X in Kontakt in der Schule. Am Nachmittag darf ich mich max. mit einem weiteren Huashalt treffen..Wo werde ich mich wohl anstecken und dann alles fleißig weitergeben??
    Wir brauchen fixe Gruppen für die einzelenen Lehrer*innen!!

  5. 27.

    Ich verstehe die Einstufungen nicht, ab wann welche Farbe, unsere Schule als beispiel: 1 Corona Fall in den letzten 7 Tagen, eine Klasse und dazugehörige Lehrer in Quarantäne, Farbestufe dieser und der nächsten Woche gelb, wobei gesamt Berlin rot ist und wir den Teil Lockdown haben. Welche Vorrausetzungen muss es eigentlich geben damit Stufe orange oder rot in der Schule gilt?

  6. 26.

    Ihr Szenario ist nicht möglich, da gestern erst die dritte Einstufung vorgenommen wurde, oder es wurden fehlerhaft häufigere Wechsel vorgenommen.

  7. 25.

    Auf den Seiten der Senatsverwaltung, Unterpunkt „Aktuelle Lage“ ist eine ausführliche Tabelle verlinkt, allerdings auch nur auf Bezirksebene heruntergebrochen. Stand ist noch 29.10.20. Ich denke, sie müsste heute aktualisiert werden, da jeden Donnerstag neu entschieden wird.

    https://www.berlin.de/sen/bjf/coronavirus/aktuelles/schrittweise-schuloeffnung/einstufung-der-berliner-schulen-in-den-corona-stufenplan-29102020.xlsx

  8. 24.

    Hauptsache die Schulen laufen im „Regelbetrieb“.Dieser Begriff bedarf anscheinend einer neuen Definition,denn das,was an den Schulen gerade läuft,hat nichts mehr mit Regelbetrieb zu tun.Abgesehen von den bekannten Hygienemaßnahmen,die teilweise schwer umzusetzen sind o. das Lernen im Klassenraum extrem behindern,wie das ständige Lüften,läuft gerade so viel schief: Lehrkräfte können quasi im regelmäßigen Rhythmus in Quarantäne geschickt werden,fehlen dann in der Schule in ihren anderen Lerngruppen.Der Unterricht in diesen fällt entweder aus, da nicht genug Personal da ist,o. andere Lehrer müssen zig zusätzliche Vertretungsstunden übernehmen.Ach und im Übrigen:Ist eigentlich allen bewusst,dass mittlerweile die Schulleiter dafür zuständig sind die Quarantäneanordnungen auszusprechen?Das, was eigentlich gar nicht ihr Verantwortungsbereich sein sollte,dürfen sie entscheiden, wie der Unterricht am sinnvollsten an ihren Schulen organisiert werden könnte,aber nicht.Das macht keinen Sinn mehr.

  9. 23.

    Ja, die Zeit ist da und es wird auch nicht mehr lange auf sich warten lassen- Dieses jetzt nur noch die einzige Möglichkeit zu sein! Eine Petition für das Homeschololing, welche sehr viele Schüler unserer Schule (Berlin-Kolleg- Schule der Erwachsenenbildung- Abitur) unterschrieben haben, scheint lange nicht auszureichen. Wir haben keine Lobby- existieren quasi gar nicht.

  10. 22.

    Die GEW hat ja nun auch dazu geraten, sich endlich einmal an die Empfehleungen des RKI zu halten- meint: Ab einem Inzidenzwert von 50 die Klassen zu teilen, indem man in den wöchentlichen Wechsel von Präsenz- und Homeschooling-Phasen geht. Gerade für die Kursphasen an Gymnasien ist das unerlässlich! Ich bin Schülerin am Berlin-Kolleg -einer Schule für Erwachsene, die in Vollzeitform ihr Abitur nachholen. Täglich komme ich durch den Wechsel der Kurse mit bis zu 60 unterschiedlichen Menschen im Unterricht zusammen, welche sich dann in den Pausen mit ganz vielen anderen Menschen zusammenfinden. Es existieren keine Abstandregeln für den Unterricht! Niemand kann sich aufgrund der Kälte, die durch das permanente Lüften vorliegt, mehr richtig konzentrieren! Das alles ist als katastrophal zu bewerten! Die Erwachsenenschulen und Berufsschulen müssen endlich anders eingestuft werden! Das Risiko, dem man sich täglich aussetzen muss, ist nicht mehr hinnehmbar!!! Chancengleichheit, Frau Scheeres??

  11. 21.

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Sehr gut geschrieben, es wird glaube Zeit für die ersten Klagen gegen Schul und Gesundheitsämter!

  12. 20.

    Es kann schon deshalb keine Zusammenarbeit geben, weil die Verlage Geld verdienen müssen und alles einzeln, an jeden Lehrer/Schulklasse, verkaufen wollen/müssen. Die "Bastelei" geht also gewollt weiter - zu Lasten der Lehrereinkommen.
    Und hier ein Praxisbeispiel: "Schüler: bei mir geht der Drucker nicht" ; "Lehrer: Du hast die Aufgabe gar nicht gelesen, denn ein Druckerausdruck war gar nicht nötig!"
    Eltern und Lehrer sollten "an einem Strang ziehen". Empfehlung dazu: Ehm Welk "Die Heiden von Kummerow"; oder ein nigerianisches Sprichwort: "Um ein Kind großzuziehen bedarf es der aller größten Anstrengungen des gesamten Dorfes" - das versteht nun nicht jeder.

  13. 19.

    Ohne Schließung der Schulen werden die Zahlen nicht nach unten gehen. Viele haben überhaupt nichts begriffen und stehen in der Pause in großen Gruppen ohne Maske zusammen, geben sich die Hand und umarmen sich.

  14. 18.

    Durch Kurssysteme und Differenzierungsunterricht sitzt eh jede Stunde ein anderer Laiendarsteller neben Dir. Es gipftelte in der Einladung zur "Schulabgangsuntersuchung" beim Durchgangsarzt, der gesamte Jahrgang auf einmal - obwohl nur ein Bruchteil die Schule verlässt! Durch Hirnlosigkeit bei der Organisation schafft man es, dass jeder Schüler jeden Tag mit jedem anderen Schüler Kontakt hat.

  15. 17.

    VÖLLIGE Fehleinschätzung! Die verteilten Unterlagen waren aus alten Schulbüchern (unten, klein, in Arial 0 steht der Titel und das Erscheinungsjahr) herauskopierte Seiten, so oft kopiert, dass sie völlig grauverpixelt waren! Die Datenmenge beim Scan/Foto nicht begrenzt kam ein Blatt mit je 10 mb. Der kostenlose Account der Lehrer kann mehr als 50 mb leider nicht verarbeiten, Mengenbeschränkung. Die Schüler werden angepflaumt, warum sie die nie abgesendeten/erhaltenen Aufgaben nicht gelöst haben. Jaaaaa - die Lehrer! Die Schüler sind voll digital, nicht faul und haben die Lehrere "gefordert", was das angeht. Leider konnten dem nur Lehrer nachkommen, die eh digigal leben oder es in den Wochen geschafft haben, sich das von den eigenen Kindern, den Kollegen oder Schülern mal rasch erklären zu lassen!

    Nein, es lag mit tötlicher Sicherheit NICHT an den Schülern!

  16. 16.

    so ein Blödsinn. Es haben doch nicht nur die Schüler Kontakt, die nebeneinander sitzen. Es gibt leider auch immer noch Schüler, die nichts begriffen haben und sich umarmen etc.

  17. 15.

    Das habe ich auch schon gehört. Meine ehemaligen Kollegen haben mir das auch so erzählt. Nicht die ganze Lerngruppe geht in Quarantäne sondern nur die positiven Schüler.
    Also ist es in Brandenburg ähnlich. Ich finde das unverständlich, unverantwortlich und gefährlich was da mit den Kindern, den Lehrern und nicht zuletzt mit Eltern veranstaltet wird und ich bin froh nicht mehr an einer Schule zu arbeiten. So schön der Beruf auch war und ist.

  18. 14.

    Klar macht das Arbeit. Ich kritisiere eben, dass offensichtlich jeder Lehrer alleine da sein Material "basteln" muss. Schulbuchverlage könnten mit Zuständigen in Schulämtern etc. gemeinsam etwas erarbeiten? Es gibt aber offensichtlich keine wirklich verantwortlichen Ansprechpartner! Und ich hatte trotz gutem Willen auch Probleme mit den zugeschickten Materialien, und nicht jeder hat einen Drucker. Viele Eltern haben sogar nur ein Handy. Das ist ein Problem. Ein Problem ist für mich auch, dass die Lehrerin z.B. meiner Tochter vorher nie ein Interesse daran hatte, dass Eltern verstehen wie sie unterrichtet, welche Methoden, Erkläransätze. Das läuft nunmal anders als zu meiner Schulzeit. Nur stehen Eltern da etwas ratlos da, Kooperation Elternhaus-Schule gehört verbessert, und zwar nicht nur zu Corona-Zeiten. Die wenigsten Menschen werfen den einzelnen Lehrern vor, dass etwas nicht läuft, außer der Kommunikation vielleicht.

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