Hertha mit Dardai in Frankfurt - "Der Einzige, der verlieren kann, bin ich"

Do 28.01.21 | 16:41 Uhr | Von Dennis Wiese
  16
Trainer Pla Dardai leitet die Spieler von Hertha BSC an bei seinem ersten offiziellen Training (Bild: dpa/Andreas Gora)
Bild: dpa/Andreas Gora

Pal Dardai muss angeschlagene Hertha-Spieler aufbauen und am besten gleich punkten bei Eintracht Frankfurt, dem Bundesliga-Team der Stunde. Sein Rezept: Die Mannschaft loben, Lockerheit demonstrieren - und sich selbst in die Schusslinie stellen. Von Dennis Wiese

Er ist wieder da: Pal Dardai. Mit 286 Spielen Herthas Rekordkicker in der Bundesliga. Der Mittelfeldkämpfer stieg mit Hertha einst ins Oberhaus auf, prägte die erfolgreichste Zeit des Clubs um die Jahrtausendwende: Siege in der Champions League gegen den FC Chelsea und den AC Mailand inklusive.

2010 machte Dardai sein letztes Bundesligaspiel in Blau-Weiß, trainierte erfolgreich den Nachwuchs des Vereins, ehe er im Februar 2015 für den entlassenen Jos Luhukay einsprang. Auch Dardais erster Job als Profitrainer wurde wieder ein Erfolg: Zunächst gelang die wichtige Mission Klassenerhalt. Dann sorgte der Ungar für die lang ersehnte Konstanz auf Herthas Trainerbank, führte die Mannschaft innerhalb von viereinhalb Jahren zwei Mal in die Top 10. Dann hatte man sich auseinandergelebt, man war "müde geworden", wie Dardai bei seiner erneuten Vorstellung sagte. Hertha wollte hoch hinaus, ist in den anderthalb Jahren ohne Dardai aber krachend gescheitert.

Kein Kommentar zu einer möglichen Punkteklausel

Nun soll eine der prägenden Hertha-Figuren der letzten 25 Jahre den Scherbenhaufen zusammenkehren und daraus eine Mannschaft machen, die in der Bundesliga bleibt und auch das Potential abruft, das viele in ihr sehen. Wie der "Kicker" berichtet, soll Dardai eine Punkteklausel im Vertrag haben. Nur wenn Dardai im Schnitt rund 1,5 Punkte pro Spiel holt (das wären bis Saisonende 24 Punkte), solle sich der Vertrag über das Saisonende hinaus verlängern. Als Dardai auf der Pressekonferenz am Donnerstag danach gefragt wurde, unterbrach Sportdirektor Arne Friedrich und ruderte zurück. Der Vertrag mit Dardai sei bis 2022 angeschlossen worden. Zu Vertragsdetails wolle man sich nicht äußern.

Das Personal

Er werde mit sehr vielen Angreifern spielen, verkündete Pal Dardai bei der Pressekonferenz am Donnerstagmittag. Anders als in seiner ersten Amtszeit als Hertha-Trainer (2015 bis 2019) habe er jetzt sehr viel offensive Qualität in der Mannschaft - die wolle er auch ausleben. Gegen ebenso angriffslustige Frankfurter wolle er auf offenes Umschaltspiel setzen, warum nicht 5:4 oder 6:5 gewinnen, so Dardai mit einem breiten Grinsen.

Wieviel Risiko der Trainer bei seinem erneuten Hertha-Debut gehen will, wird sich wohl erst am Samstagnachmittag (30.01., 15.30 Uhr) in Frankfurt zeigen.

Es fehlen: Dedryck Boyata (Fußverletzung) und Javairo Dilrosun (Knieverletzung).

Dodie Lukebakio, Hertha BSC, während eines Spiels am 20.12.2020 (Bild: imago images/Jan Huebner)
Dodie Lukebakio während eines Spiels gegen den SC Freiburg. | Bild: imago images/Jan Huebner

Die Form

Die Form führte vor wenigen Tagen dazu, dass Trainer Bruno Labbadia und Manager Michael Preetz ihre Jobs verloren. Sieben Mal spielte Hertha zuletzt gegen Mannschaften, die in der Tabelle schlechter oder (Freiburg und Bremen) einen Platz besser dastanden - nur eines dieser Spiele konnte Hertha gewinnen. Gegen Hoffenheim (0:3) und Werder (1:4) setzte es zudem zwei heftige Heimpleiten innerhalb weniger Tage.

"Ich bin kein Zauberer", sagte Neu-Trainer Pal Dardai bei seiner Vorstellung am Dienstag. Und doch soll der Trainerwechsel den dringend benötigten Impuls bringen. Nach den ersten Eindrücken gab es am Donnerstag nur lobende Worte: Sportdirektor Friedrich, der sehr nah an der Mannschaft dran sei, verspürt eine "Aufbruchstimmung", es gehe "ein Ruck durch die Mannschaft". Auch Dardai zeigt sich überaus angetan: Nichts von dem, was er über die Mannschaft gelesen habe, würde zutreffen: "Die Stärke der Mannschaft ist die Arbeitsmoral. Alle sind motiviert."

Selbst der zuletzt aussortierte Dodi Lukebakio präsentiere sich in Bestform, so Dardai: "Ich habe gehört er ist faul, er will dies nicht machen, das nicht machen. Er läuft so schnell wie ein Känguru. Gestern habe ich ihn sogar im Kraftraum gesehen."

Eins wird klar: Dardai will seinen angeschlagenen Spielern den Druck nehmen, setzt auf Lockerheit. Und stellt sich selbst der Verantwortung: "Der Einzige, der verlieren kann, bin ich - imagemäßig. Das ist meine Sache, mein Stress. Die anderen sollen einfach funktionieren und ihre Individualität für das Team reinschmeißen."

Arne Friedrich, Sportdirektor des Hertha BSC während eines Trainings am Telefon (Bild: imago images/Matthias Koch)
Sportdirektor Arne Friedrich telefoniert am Spielfeldrand. | Bild: imago images/Matthias Koch

Der Gegner

Fünf Spiele, dreizehn Punkte. Mit Blick auf die Formtabelle, also die Rangliste der vergangenen Partien, steht Eintracht Frankfurt in der Bundesliga ganz oben. Die Hessen haben Ruhe bewahrt, als sie in der Hinrunde zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember kein einziges Spiel gewinnen konnten. Das zahlt sich jetzt aus.

Zudem schlagen die Neuzugänge mal wieder ein: Stürmer André Silva kam für verschwindend geringe drei Millionen Euro vom AC Mailand, mischt nun mit bislang vierzehn Toren die Liga auf. Der frühere Nationalspieler Amin Younes, vom SSC Neapel ausgeliehen, belebt spürbar das Mittelfeld, und dann ist da noch Luka Jovic. Der kam vor dreieinhalb Jahren von Benfica Lissabon, traf in zwei Jahren für Frankfurt insgesamt 39 Mal und wurde dann, mit 40 Millionen Euro Gewinn, an Real Madrid verkauft. Weil Jovic sich dort nicht durchsetzen konnte, liehen die Frankfurter ihn Mitte Januar wieder aus. Bilanz seitdem: drei Spiele, drei Tore.

Es sind Transfers wie diese, die Frankfurts Manager Fredi Bobic seit Jahren erfolgreich abwickelt. Deshalb soll Bobic auch auf Herthas Wunschliste für einen Nachfolger von Ex-Manager Michael Preetz ganz oben stehen. Zudem hat Bobic einst mit Pal Dardai und dem jetzigen Sportdirektor Arne Friedrich zusammen für Hertha gespielt.

Die Aussichten

Vor ziemlich genau sechs Jahren, Anfang Februar 2015, übernahm Dardai schon einmal die akut abstiegsbedrohten Hertha-Profis. Im ersten Spiel gelang damals ein 2:0-Erfolg in Mainz. Nach 70 Minuten, so berichtete er heute, hätte er sich zu Manager Michael Preetz umgedreht und gefragt: "Was habt ihr mit der Mannschaft gemacht? Die können nicht mehr laufen." Kondition, Kraft, Kampf waren in der Folge immer Stärken der Dardai-Mannschaft. Geholfen habe ihm immer das gute Gefühl einer langen, intensiven Saisonvorbereitung.

Deshalb habe Dardai seiner Familie eigentlich versprochen, keine Trainerjobs in der laufenden Saison mehr anzunehmen. Für seine Hertha machte er nun eine Ausnahme. Im Jahr 2015 führte Dardai Hertha einst von Tabellenplatz siebzehn auf Rang 13.

Sendung: rbbUm6, 28.01.2021, 18 Uhr

Beitrag von Dennis Wiese

16 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 16.

    Zitat: "Ich denke mal, dass man einfach keinen anderen findet."

    Das ist wohl die traurige Wahrheit, Markus. Dardai ist als quasi "Festangestellter auf Lebenszeit" m. E. der "Notnagel" auf den man nun zurückgreift. Hätte man diesen herzblütigen Trainer nicht im Verein, wäre das Chaos wohl perfekt gewesen. Aber ihn nun mit dieser "1,5-Punkte-Klausel" ins Rennen zu schicken, finde ich persönlich ihm gegenüber nicht gerade sehr vertrauensvorschüssig. Dardai kann das wegstecken, da bin ich mir sicher, aber schön ist anders.

    Und dass Hertha keinen Hauptsponsor hat aquirieren können - "Homeday" ist ja eher eine Notlösung bis zum Saisonende -, ist auch ein dicker Management-Fehler. Schaun mer mal, wie's weitergeht mit der ambitionierten Hertha.

  2. 15.

    Ich denke mal, dass man einfach keinen anderen findet. Aber ich finde Pal Dardei auch gut. Vielleicht nicht für ganz oben aber er wird sicher, wie immer, solide Arbeit keisten. Ein Hoch auf Hungaria!!!! :)) Ich stehe sowieso auf Gulasch.. ;)))

  3. 14.

    Es ist einfach erschütternd wie „meine“ Hertha Personalien handhabt! Da wird , der von mir hochgeschätzte Pal Dardai auf der PK nach einem vermeintlichen „Punktesoll“ befragt. Der Sportkamerad Friedrich grätscht dazwischen und erklärt: „Über Vertragsinhalte keine Auskunft“ geben zu wollen! Der Kreis der Verhandlungspartner dürfte ja wohl sehr eng gefasst gewesen sein! Wer also ,WIEDER MAL, konnte da sein Wasser nicht halten und hat‘s an Pressevertreter durchgestochen? Nur peinlich, wie leider so vieles in letzter Zeit! Bitte auch diesen Schwätzer ab in die Wüste , wo man doch gerade beim „Großreinemachen „ ist !

  4. 12.

    Sicher, eine Zielsetzung muss es in der ein oder anderen Form geben. Diese lautet nun anscheinend für Dardai, er muss mindestens 41 Punkte mit der Mannschaft holen oder sein eigentlich bis Sommer '22 laufender Vertrag endet vorzeitig zum Ende der aktuellen Saison. Was macht die Hertha aber, wenn am Ende bspw. nur 39 Punkte auf dem Konto stehen? Muss Dardai dann zwangsläufig gehen, oder erklärt man die kolportierte Klausel dann im nachhinein für ungültig?

    Die so nicht unbedingt erwartete Vertragslaufzeit bis 2022 sollte sicher auch ein Signal an die Mannschaft sein, dass sie mit Dardai nicht "Scheibe spielen" kann. Denn so hat er ja mehr Macht, als wenn er nur als "Feuerlöscher" bis Saisonende eingestellt worden wäre. Da ist das Whistleblowing bzgl. der Konditionen bsw. der eingebauten Klausel sicher nicht gerade hilfreich für seine Position. Aber, dass so etwas durchgestochert wird, hätte man sich bei Hertha auch durchaus denken können.

  5. 10.

    Bei aller Häme hier und bei anderen Meldungen: Ich bin generell immer für den Berliner Verein. Sei es nun Hertha, Union oder Altglienicke.... Oder auch bei mir im Garten... ;)

  6. 9.

    Vorsicht: wenn mehr Leistungsziele im Vertrag stehen, ist im Gegenzug mehr zu zahlen, aber das wird der Pal Dardai selber wissen und vielleicht schmunzeln wenn er die Spekulationen liest. Ist aber ein üblicher Vorgang im Sport, F1 usw. Kurze Laufzeit = höheres Salär und umgekehrt.

  7. 8.

    Ich wünsche den beiden und der Mannschaft Glück. Das werden sie bei den nächsten Gegnern brauchen.

  8. 7.

    Traurig wie wenig Sie sich mit hertha auskennen. Dardai hat Hertha 2015 nicht von Platz 17 auf 13 geführt, sondern lediglich, von 17 auf 15. Und nur dank 1 Tor mehr, nicht in die Relegation gekommen. Also erstmal ihren Job nach gehen und dann schreiben.

  9. 6.

    Das es womöglich eine Punkteklausel im Vertrag geben soll , finde ich nicht schlimm , da auch Pal sich immer Punkteziele über mehrere Spiele gestellt hat . Viel schlimmer finde ich die Tatsache , dass schon wieder Vertragsdetails den Weg in die Öffentlichkeit finden . Das ist genauso widerwertig , wie Bruno beim Sly Interview, nach dem letzten Spiel , mit seiner Entlassung zu konfrontieren . Hoffentlich wird der Maulwurf bald entlarvt !!!
    Blauweiße Grüße aus Potsdam
    HA HO HE HERTHA BSC !

  10. 5.

    Finde sogar, dass Dardai der einzige ist, der gar nichts zu verlieren hat. Wenn man realistisch ist. Denn es ist aufgrun des Sielplans ein denkbar riskanter Zeitpunkt für einen Trainerwechsel. Und der unrealistisch hohe Anspruch von mindestens 1,5 Punkten pro Spiel könnte dem Management auf die Füße fallen, nicht der Person Dardai
    Wenn man aus den nächsten 5 Spielen insgesamt nur 5 Punkte holen würde, wäre das schon ein riesiger Erfolg für Dardai bei diesen nächsten Gegnern (nach Frankfurt Bayern, Stuttgart, Leipzig, Wolfsburg).
    Würde man aus diesen Spielen wirklich 8 Punkte holen (über 1,5 Punkte pro Spiel wie verlangt) wäre das echt sensationell und ein Beweis dafür, dass Dardai ein außergewöhnlicher (für andere Vereine interessanter) Motivator, Kommunikator und Taktiker wäre. Und, dass die Mannschaft von Labbadia doch in einen zumindest körperlichen Top-Trainings-Zustand gebracht worden war..

  11. 4.

    Ich verstehe überhaupt nicht weshalb sie überhaupt Artikel über Hertha BSC lesen wenn sie dieser Verein so anwidert.
    Es gibt doch auch Artikel über Union, Bayern, Cottbus u. a..
    Anscheinend weil ihr Leben..... naja sie wissen schon.
    Im übrigen widern mich Kommentare wie ihrer an, OLAF .....

  12. 3.

    Bei allem Respekt, aber bitte für Frankfurt 3 Punkte. Gegen Bayern bitte für Hertha 3 Punkte - min. aber 1. Das wäre eine respektable Leistung. Und angeschlagene Clubs können vermeintlichen Favoriten gefährlich werden.

  13. 2.

    Ich finde, dass nicht nur Pal Dardai imagemäßig bei dieser Aktion etwas zu verlieren hat. Da sind dann schon auch noch die Spieler und die Vereinsführung da, die auch etwas oder sogar mehr zu verlieren haben.

    Auch wenn ich es dem Club gönnen würde, jetzt ein paar Pünktchen zu holen, kann ich mir gerade nicht vorstellen, wie man das in den nächsten beiden Spielen in Frankfurt und gegen die Bayern erreichen will. Wichtiger finde ich in diesen beiden Spielen, dass sich die Mannschaft gut präsentiert und kämpferisch und spielerisch eine deutliche Verbesserung zu sehen sein wird.

  14. 1.

    Die Punkte Klausel im Vertrag von Pal Dardei zeigt wie schäbig dieser Verein ist. Hertha beschäftigte 11 Jahre einen Geschäftsführer Sport der den Verein von einer Krise in die andere führte und der Hauptschuldige an der derzeitigen Misere ist. Jetzt wird eine Klausel vereinbart, die kaum zu erreichen ist. Hertha hat einen Charakter wie es Pal Dardei ist nicht verdient. Sie hätten keinen Trainer gefunden, der dieses Himmelfahrtskommando mit solch einem Vertrag übernommen hätte. Solches Agieren widert mich einfach nur an.

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren