Autor Florian Jäger - Im Laufschritt durch den Großstadt-Dschungel

So 25.04.21 | 18:00 Uhr | Von Ilja Behnisch
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Autor und Laufexperte Florian Jäger (rbb)
Video: Abendschau | 25.04.2021 | Uri Zahavi | Bild: rbb

Der Berliner Florian Jäger ist Psychologe, Läufer und Autor des Buches "Im Rhythmus des Laufens". Warum er selbst zu Partys rennt, wie anders er dabei Berlin wahrnimmt und warum alles am Berg Fuji begann. Von Ilja Behnisch

Geht es nach den Empfehlungen des japanischen Tourismus-Büros, hat Florian Jäger alles falsch gemacht. Denn um den heiligen Berg Fuji zu besteigen, den höchsten Gipfel Japans, solle man man vor allem eines tun: langsam gehen, um der Höhenkrankheit zu entkommen.

Florian Jäger allerdings verspürte einen anderen Impuls, als er sich vor Jahren aufmachte, den 3.776 Meter hohen Vulkan zu bewandern: "Ich bin einfach losgelaufen, den Fuji komplett hoch und wieder runter, an einem Tag", sagt er. "Da habe ich gemerkt, dass noch mehr drinsteckt im Laufen. Dass sich auf Touren Stories ergeben, wenn ich andere Menschen treffe, wenn ich laufend Städte erfahre. Und die wollte ich weitergeben, auch um zu inspirieren."

"Jeder Lauf ist ein Erfolg"

Das Ergebnis dieser Erfahrungen findet sich inzwischen inmitten von zwei Buchdeckeln, heißt "Im Rhythmus des Laufens" [egoth.at] und trägt den Untertitel: "Die Welt erlaufen und zu sich selbst finden: ein Laufenthusiast erzählt".

Jäger selbst hat mit dem Laufen vor nunmehr zehn Jahren begonnen. Damals steckte der Psychologe inmitten seiner Promotion. Im Rückblick sagt er über diese Zeit: "Nichts war so richtig greifbar, das war so etwas Klares." Sein Ziel: einen Marathon laufen. Der wesentliche Zusatz: In unter zweieinhalb Stunden. Zur Einordnung: Die weltweit durchschnittliche Marathonzeit liegt bei vier Stunden und 21 Minuten.

Jäger schaffte die Herausforderung, lief den Düsseldorf-Marathon unter eben diesen zweieinhalb Stunden. Im Ziel kamen ihm die Tränen. Später wurde es gar Dritter beim München-Marathon, immerhin ein Wettbewerb mit rund 21.000 Teilnehmern. Vor allem aber sagt Jäger mit der Erkenntnis seiner Erfahrung: "Im Grunde genommen ist jeder Lauf ein Erfolg." Und überall möglich. All jene, die dem Laufsport nur in Parks und Grünflächen nachgehen, stoßen bei ihm auf Unverständnis. Er sagt: "Laufen in der Stadt ist mehr als im Park laufen - es ist ein Abenteuer, eine Entdeckungstour. Man nimmt mit allen Sinnen wahr, die Geräusche, die Gerüche. Fußgänger werden plötzlich zu Slalom-Stangen. Da ist Bewegung drin. Und es gibt nochmal einen ganz anderen Blick auf die Stadt."

Die Stadt schrumpft

Jäger läuft zu Terminen, zur Arbeit, zu Freunden, zu Partys: "Dann schnalle ich mir zu Hause einfach den Laufrucksack um, für potentielle Wechselklamotten, und raus aus der Tür und los." Durch dieses permante Erlaufen Berlins habe er die Stadt nochmals ganz neu, ganz anders kennengelernt, so Jäger: "Berlin macht besonders, dass es sich so unterscheidet. Es kommt total drauf an, in welcher Ecke der Stadt man ist. Und das ist das Geniale für mich beim Laufen: Berlin schrumpft dann in gewisser Weise. Gleichzeitig wird es riesig, unendlich fast, weil ich so viele Welten in einem durchlaufe. Wenn ich Schöneberg starte, dann über Kreuzberg nach Neukölln und weiter in die Außenbezirke laufe - es ist überall anders und es gibt immer etwas zu entdecken."

Die Herausforderungen der urbanen Infrastruktur sind für Jäger dabei Hindernisse der erfreulichen Art: "Was ich gelernt habe, ist auf jeden Fall aufmerksam in alle Richtungen zu sein. Also schon vorher zu antizipieren, ist da jetzt ein potentielles Verkehrshindernis, muss ich ausweichen und wie mache ich das? Der Körper lernt das auch, sich darauf einzustellen und das ist schon auch Teil des Spaßes." Und Jäger weiß, wovon er spricht. Er lief schon durch Neapel, in den Metropolen der USA oder Amsterdam. Sein Tipp für alle Skeptiker: "Einfach mal in der Stadt dem Impuls nachgeben, einfach mal ein paar Meter laufen. Sehen, wie das ist. Der Rest kommt dann schon von ganz allein."

Denn, so Jäger: "Das Geniale daran ist, dass man es überall machen kann." Laufen sei niedrigschwellig, man brauche nur "Schuhe, um einfach starten zu können." Zumindest in und um Berlin wird selbst das japanische Tourismus-Büro nichts dagegen einzuwenden haben.

Sendung: Abendschau, 25.04.2021, 19:30 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

6 Kommentare

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  1. 6.

    Lauf, Forrest, Lauf.

  2. 5.

    Ist noch jemandem aufgefallen, dass er in dem Beitrag über eine rote Ampel läuft und anschließend über den Fahrradweg? Wenn er schon läuft, dann sollte er sich auch an Regeln halten. Ich finde auch, dass er großzügiger um Leute rumlaufen sollte. Ich würde mich erschrecken, wenn plötzlich jemand so knapp von hinten an mir vorbei rennt.

  3. 4.

    So hat jeder sein Lebenskonzept. Wer nur leider nicht laufen, rennen oder joggen kann, sollte deshalb nicht stigmatisiert werden es gilt alle anderen Lebensbedingungen zu respektieren.
    Jeder kann, darf und soll gerne Ratschläge und Tipps geben um aus jedes eigenen Sicht erzählen und Ideen weiterzugeben - das ist gut und wichtig - aber bitte aus den individuellen Dingen keine Doktrin machen.

  4. 3.

    Ich habe die Bilder gestern im Fernsehen gesehen, hochgefährlich, eng und alle ohne Maske! Und wer geht (oder läuft) denn zu einer Party???

  5. 2.

    Also, mich würde der Typ nerven. Und wie man in dem Bericht auch sehen konnte, bin ich nicht allein.

  6. 1.

    Super Sache Florian, weiter so!
    Ich liebe das Laufen auch seit Jahren und weiß, wie gut es Körper und Seele tut. Mit 23 Jahren habe ich mir auch den Traum vom Marathonlaufen erfüllt und war danach in mehreren Städten unterwegs. Es ist eine tolle Entdeckungstour und vor allem trifft man auf so viele gleichgesinnte Leute mit offenem Herzen. :)

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