Interview | Fußball-Profi Leonardo Bittencourt - "Seit Jahren wünsche ich mir schon so ein Pokal-Los in Cottbus"

Mi 27.07.22 | 11:52 Uhr
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Leonardo Bittencourt im Trikot von Werder Bremen (Bild: IMAGO/Nordphoto)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.07.2022 | Andreas Friebel | Bild: IMAGO/Nordphoto

13 Jahre verbrachte Leonardo Bittencourt als Jugendspieler und Profi bei Energie Cottbus. Am Montag kehrt der 28-Jährige zurück in die Lausitz – im DFB-Pokal, mit Werder Bremen. Ein Gespräch über Heimatgefühle, Kinderspielplätze und Pele Wollitz.

rbb|24: Herr Bittencourt, Sie haben alle Nachwuchsmannschaften von Energie Cottbus durchlaufen und sind im Stadion der Freundschaft zum Profi geworden. Wie groß ist die Gefahr, dass Sie am Montag aus Versehen in die Heimkabine abbiegen?

Leonardo Bittencourt: Allzu groß ist die Gefahr nicht. Ich bin ja jetzt schon elf, zwölf Jahre weg. Aber wenn wir auf dem Weg zum Stadion sind, wird das sicherlich ein Déjà-vu. Ich sehe mich noch als kleiner Junge in 13 Jahren gefühlt 50.000 Mal diesen Weg laufen und mit dem Auto entlangfahren. Es wird schon in mir kribbeln und sicherlich sehr, sehr schön.

Sie sind nicht nur fußballerisch in Cottbus groß geworden, sondern auch abseits von allem Sportlichen. Welchen Stellenwert hat die Stadt in Ihrem Leben?

Einen sehr großen. Ich bin dort aufgewachsen und wir hatten damals sehr viel Spaß in der Stadt. Cottbus ist ja eine sehr ruhige Stadt, was zum Aufwachsen sehr schön ist, weil man gefühlt jeden kennt. Wir waren also als Jugendliche sehr frei und ich werde die Stadt nie vergessen. Meine Frau ist dort geboren, ihre Familie lebt noch immer dort und wir haben auch dort geheiratet. Natürlich habe ich auch noch Freunde in Cottbus. Es ist meine Heimat.

Und wie viel Zeit für Heimaturlaube bleiben im Fußballeralltag aktuell?

Das ist unterschiedlich. Aber in der Sommerpause fahren wir immer runter und während der Saison noch ein paar Mal, wenn es etwa in die Länderspielpausen passt. Jetzt, wo ich zwei Kinder habe, gehen wir auch die Spielplätze durch, auf denen ich selbst als Kind die Rutschen runtergerutscht bin. Und abends geht’s dann schon mal mit den Jungs in die Altstadt ein bisschen rumbummeln.

Haben Sie einen Lieblingsort in Cottbus?

Der Altmarkt ist sehr schön, im Sommer vor allem. Ansonsten verbinde ich mit Cottbus meine Jugendzeit und deswegen auch viele Fußballplätze. Wir waren gefühlt jedes Wochenende von morgens bis abends auf den Plätzen. Dann natürlich noch die Sportschule, wo wir sehr, sehr viel Zeit verbracht haben. Aber es gibt einige schöne Orte in Cottbus, auch wenn man es nicht denkt.

Was ist Ihnen aus dieser Zeit als Nachwuchsfußballer besonders hängen geblieben?

Wir hatten viele schöne Spiele, gerade in den Bundesligen der A- und B-Jugend, wo wir als Mannschaft auch privat fast 24 Stunden am Tag aufeinander gehockt haben. In Hamburg haben wir einmal bei dickem Schnee gespielt. Da musste erst noch der Kunstrasenplatz geräumt werden. Es war bitterkalt und man hat den Hamburgern richtig angesehen, dass die das Spiel am liebsten abgesagt hätten.

Währenddessen standen wir in unseren kurzen Ärmeln da und dachten: "Das ist genau unser Wetter. Heute können wir die schlagen." Wir sind dann völlig heiß mit unseren Multinoppen aufgetreten und haben sie 2:1 oder 2:0 aus dem Stadion gehauen. Abends sind wir dann in Hamburg zu den Clubs gerannt und haben versucht uns da reinzumogeln. Wir sind dann immer wieder von den Türstehern nach Hause geschickt worden, weil wir ja noch nicht 18 und somit viel zu jung waren.

Aus Cottbus direkt zum Double-Sieger, zu Jürgen Klopp und den ganzen Stars in Dortmund zu wechseln, das war für mich und meine Karriere eine unglaubliche Erfahrung.

Leonardo Bittencourt

Vor Ihnen war auch Ihr Vater für Energie Cottbus aktiv, hat den Verein als Publikumsliebling im Jahr 2000 gar in die Bundesliga geführt. War ihr Weg zum Fußballprofi vorgezeichnet?

Ich war auf jeden Fall sehr begeistert, dass wir nach den Spielen auf den Platz durften und die ganzen Weltstars dort nach Trikots oder ihren Torwarthandschuhen fragen konnten. Es war auch ein großer Ansporn, mitzuerleben, gegen wen mein Papa gespielt hat, wo und in welchem Stadion er gerade mal wieder unterwegs war. Dazu Heimspiele, die immer ausverkauft waren. Klar wollte ich das auch erleben. Dass es tatsächlich so gekommen ist, ist natürlich mega.

Profi geworden sind Sie unter Pele Wollitz, der ja auch jetzt wieder Trainer in Cottbus ist. Was verbinden Sie mit ihm?

Wir hatten über all die Jahre hin und wieder mal Kontakt und haben uns auch in Cottbus ab und zu getroffen. Also nicht wirklich verabredet, sondern wir sind uns in der Stadt irgendwo über den Weg gelaufen. Pele war für mich als erster Profitrainer enorm wichtig, weil er auf mich gesetzt und mir Rückendeckung gegeben hat. Er war immer ein sehr direkter Typ, der Sachen klar angesprochen hat – egal, ob jemand schon zehn Jahre dabei war oder wie ich erst fünf Wochen. Aber ich habe schon gemerkt, dass er damals ein bisschen seine schützende Hand über mich gehalten hat.

Für Sie folgte dann ein Wechsel aus Cottbus zu Borussia Dortmund und zu Jürgen Klopp. Was macht Klopp als Trainer aus?

Er schafft es, aus Mannschaften auch wirklich Mannschaften zu machen. So habe ich Jürgen auch erlebt. Ich hatte damals das Glück, in eine Mannschaft zu kommen, die zuvor sehr erfolgreich, aber auch sehr jung war. Aus Cottbus direkt zum Double-Sieger, zu Jürgen Klopp und den ganzen Stars in Dortmund zu wechseln, das war für mich und meine Karriere eine unglaubliche Erfahrung.

Mit Werder Bremen sind Sie nun nach einem Jahr Zweitklassigkeit zurück in der Bundesliga. Mit welchen Gefühlen und mit welchen Zielen?

Schön ist es! Man möchte als Profi natürlich immer in der höchsten Liga spielen, gerade wenn man das seine gesamte Karriere getan hat. Wir haben an uns geglaubt und sind sehr froh, dass wir den Aufstieg geschafft haben. Wir haben als Aufsteiger leider nur einen kleinen Etat. Deswegen ist das Ziel klar der Klassenerhalt. Ich persönlich möchte den Jungs auch mit meiner Erfahrung helfen. Wir haben ja einige dabei, die noch nicht wissen, was in der ersten Liga überhaupt auf sie zukommt.

Wissen Sie denn, was und wer am Montag im DFB-Pokal auf Sie zukommt? Wie eng verfolgen Sie Energie Cottbus dieser Tage noch?

Also ich gucke nicht mehr jedes Wochenende, wie Cottbus gespielt hat. Aber ich habe schon ein Auge drauf und bekomme das durch die sozialen Medien schon mit. Ich bin also up to date und kenne sogar noch ein paar Jungs. Dass der Verein mittlerweile in der Regionalliga spielt, ist natürlich schade und ein bisschen traurig.

Auch, weil Sie dadurch sehr lange auf eine sportliche Rückkehr warten mussten…

Seit Jahren wünsche ich mir schon so ein Pokal-Los in Cottbus, weil ich dort kein einziges Spiel mehr hatte, seitdem ich weggegangen bin. Und nach den Abstiegen der letzten Jahre war der DFB-Pokal meine einzige Hoffnung. Ich bin in Cottbus groß geworden, habe im Stadion meine ersten Profispiele gemacht und wollte deswegen immer nochmal dort spielen. Einfach mal zu Hause spielen.

Haben Sie denn eine Vorstellung, wie man Sie in Cottbus empfangen wird?

Wir haben ja schon festgestellt, dass mein Papa im Profibereich ein bisschen mehr für den Verein getan hat als ich. Deswegen wird er auf der Tribüne wahrscheinlich mehr gefeiert als ich, was auch völlig okay ist. Für mich ist das Wichtige, einfach mal wieder dort durch den Spielertunnel zu laufen, rauszugehen und zu denken, dass ich nochmal 17 Jahre alt bin. Wie so ein Film, den ich durch meinen Kopf laufen lassen kann.

Der Bittencourt-Fanblock dürfte allerdings mehr Fans als bloß Ihren Vater umfassen. Wie viele Tickets mussten Sie für das Spiel klarmachen?

Ich bin bei 30 angekommen. Irgendwie kommen da auch noch immer mehr dazu und ich weiß gar nicht, ob ich das alles hinbekomme. Aber so um die 30 bis 35 Mann werden da schon im Bittencourt-Trikot auf der Tribüne sitzen. Entweder noch im alten aus Cottbus oder schon dem neuen von Werder. Vielleicht wird es ja auch ein bunter Mix aller Klubs, für die ich so gespielt habe.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bittencourt.

Das Interview führte Jakob Lobach, rbb-Sport.

1 Kommentar

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  1. 1.

    Wir freuen uns auch schon alle auf ein Wiedersehen mit Leo und Vadder Franklin im SDF, endlich wieder Stimmung und ein sympathischer Verein von der Weser zu Gast. Ein Fußballfest in der Lausitz welches leider rar gesät ist mittlerweile; eine Sensation liegt in der Luft wenn Hajo um 19:45 Uhr zur Verlängerung das Flutlicht anschaltet :-)

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