Interview | BR-Volleys-Manager Kaweh Niroomand - "Wir müssen fast täglich Kinder abweisen, weil wir keine Halle haben"

Mi 10.08.22 | 16:36 Uhr
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BR Volleys Geschäftsführer Kaweh Niroomand (imago images/Andreas Gora)
Audio: rbb24|Inforadio | 11.08.2022 | Jakob Rüger | Bild: imago images/Andreas Gora

Der Volleyball-Bundesligist BR Volleys startet in das Training für die neue Saison. Im Interview spricht Manager Kaweh Niroomand über die sportliche Lage, die schwierige Vermarktung der Liga und warum Berlin eine dritte große Halle braucht.

rbb24: Herr Niroomand, Sie sind jetzt seit über 30 Jahren Manager eines Berliner Volleyball-Bundesligisten. Spüren Sie immer noch das Kribbeln vor einer neuen Saison, die Vorfreude, dass es wieder losgeht, oder ist das für Sie Business as usual?

Kaweh Niroomand: Es ist immer wieder eine neue Herausforderung, weil die Vorzeichen sich jedes Jahr ändern. Am Ende einer Saison denke ich, dass dieselben Abläufe wieder auf mich zukommen, aber dann sehe ich, dass sich vieles geändert hat, vor allem die Konkurrenzsituation. Da merke ich dann, dass es wieder in den Fingern kribbelt und ich mich freue, dass es wieder losgeht.

Die Volleyball-Bundesliga ist durch den Rückzug der United Volleys Frankfurt aufgrund wirtschaftlicher Probleme um einen Konkurrenten ärmer geworden. Aufsteigen wollte kein Verein aufgrund des finanziellen Risikos. Steckt die Liga in einer Krise?

Auf jeden Fall steht die Liga vor großen Herausforderungen, was das Thema Strukturentwicklung angeht. Das hat angefangen mit der Pandemie-Situation, wo wir bereits zwei bis drei Mannschaften verloren haben. Es gibt einige Standorte, die neu entstanden sind und sich auch gut entwickelt haben, etwa Giesen oder Lüneburg. Aber es gibt auch einige Vereine, die nicht mehr dabei sind, was ich sehr bedauere. Und da sehe ich uns - die Vereine und die Volleyball-Bundesliga - vor der großen Herausforderung, dass die Liga nicht weiter schrumpft und dass die Mannschaften aus der zweiten Liga den Mut aufbringen, in die erste Liga aufzusteigen.

In Frankfurt musste man aber auch aufgrund fehlender Sponsoren die Segel streichen, obwohl man 2021 noch den DVV-Pokal gewann. Ist das nicht ein alarmierendes Zeichen auch für Vereine in anderen Ballsportarten abseits des Fußballs?

Für alle Sportarten außerhalb des Fußballs ist es in Deutschland schwierig, Sponsoren zu akquirieren. Es kommt immer darauf an, wie man das Produkt am Standort aufsetzt und es entwickelt. Es sind viele gute Sachen gemacht worden an zahlreichen Standorten, und in Frankfurt sind leider viele Fehler gemacht worden. Deswegen ist das Projekt dort auch gescheitert. Da lag es nicht am mangelnden Interesse von Sponsoren. Da gab es eine große Chance, etwas aufzuziehen. Leider kam es dann zu diesem bedauerlichen Ergebnis, was auch sehr schade für die gesamte Liga ist.

Bekommt denn der Volleyball aus Ihrer Sicht genügend Zuschauerzuspruch?

Ich möchte nur mal an die beiden Endspielserien der Männer und Frauen-Bundesliga erinnern, das waren enge, spannende Spielen. Alle Hallen waren fast ausnahmslos ausverkauft. Es gab eine große Zuschauer- und Medienresonanz. Man hat gesehen, wie attraktiv Volleyball sein kann und wie schnell es angenommen wurde. 8.500 Tickets innerhalb von zwei Tagen für die Max-Schmeling-Halle zu verkaufen, das ist weltweit beim Volleyball in der Klublandschaft einmalig. Da braucht man sich hinter keiner anderen Sportart verstecken. Nur leider ist der Fußball der König und bekommt die Unterstützung, während andere Sportarten komplett vernachlässigt werden – auch aus der Politik.

Welche Rolle spielt die Vermarktung, um auch den Stellenwert der Liga zu erhöhen? TV-Präsenz ist ja beispielsweise kaum vorhanden.

Diese Thematik betrifft auch andere Sportarten. Eishockey, Handball oder Basketball finden kaum live im Fernsehen statt. Es gibt Bestrebungen, dass die Streamingdienste in Deutschland so ausgebaut werden, dass sie eine Alternative werden können. Da ist die Volleyball-Bundesliga mit dem Bounce-House-Projekt sogar ein Vorreiter, wo wir auf einem guten Weg sind, eine sehr starke Community zu bekommen. Diesen Weg werden wir weiter gehen. Ab übernächster Saison werden wir dann auf die Streaming-Plattform S Nation wechseln. Andere Sportarten werden mit Sicherheit folgen, denn das wird die Zukunft sein, was man ja auch beim Fußball bereits sieht. Stichwort DAZN und Amazon.

Blicken wir aufs Sportliche. Während der Sommerpause hatten Sie alle Hände voll zu tun. Zahlreiche Leistungsträger hatten die Volleys verlassen, darunter Jeffrey Jendryk, Benjamin Patch oder Sergej Grankin. Kamen diese Abgänge für Sie überraschend?

Einige kamen überraschend. Der Abgang von Sergey Grankin war natürlich der aktuellen weltpolitischen Lage geschuldet. Hätte es den Ukraine-Krieg nicht gegeben, wäre er heute noch in Berlin. Und leider muss ich sagen, so einen Spieler wie ihn bekommen sie als deutscher Klub ohnehin kein zweites Mal. Bei anderen Spielern wussten wir, dass sie gehen würden und das war auch teilweise so von uns gewollt, weil wir uns sportlich verändern wollten. Bei Benjamin Patch spielten viele, auch persönliche Faktoren, eine Rolle.

Der Abgang von Sergey Grankin war der aktuellen weltpolitischen Lage geschuldet. Hätte es den Ukraine-Krieg nicht gegeben, wäre er heute noch in Berlin.

Kaweh Niroomand

Sie haben dann Spieler geholt mit viel Perspektive, wie den finnischen Außenangreifer Antti Ronkainen oder den Slowenen Saso Stalekar, der sehr erfolgreich in Griechenland gespielt hat. Ist das Team nun stärker oder schwächer geworden?

Der Vergleich ist sehr schwer, weil die letztjährige Mannschaft doch sehr unter dem Einfluss des Leaders Sergey Grankin gestanden hat, der in allen Belangen für uns eine Ausnahme war, nicht nur wegen seiner spielerischen Fähigkeiten, sondern auch wegen seiner Führungsqualität, seiner Erfahrung und seines Umgangs mit den anderen Spielern. Er hat die Mannschaft sehr geprägt. Jetzt wird es darauf ankommen, dass die Mannschaft aus seinem Schatten heraustritt. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Spieler blühen auf und es kommt mehr heraus, als wir vermuten, oder der Ausfall des großen Anführers wird spürbar sein. Bei der Verpflichtung neuer Spieler haben wir aber darauf geachtet, dass sie auch eine Leader-Rolle übernehmen können.

Bei der Heimpremiere am 16. Oktober geht es gleich gegen Dauerrivale Friedrichshafen. Ist der VfB auch in der Liga wieder der einzig ernst zu nehmende Konkurrent um die Meisterschaft?

Diese eindeutige Favoritenrolle der vergangenen Jahre werden wir so nicht mehr haben. Diese Situation müssen wir uns erst wieder erarbeiten. Ich würde aber auch nicht sagen, dass wir und Friedrichshafen die Meisterschaft unter uns ausmachen. Düren hat eine enorm starke Mannschaft. Sie sind sehr homogen und haben dazu sehr talentierte Nachwuchsspieler. Drei oder vier Teams werden am Ende um die Meisterschaft spielen.

Kommen wir mal auf die Hallenproblematik in Berlin zu sprechen. Alba Berlin muss die MB-Arena verlassen. Der Senat prüft momentan den Umbau von Velodrom und Schmeling-Halle, wo ja auch Ihre Volleys beheimatet sind. Wie bewerten sie die Pläne?

Es ist der richtige Ansatz. Fakt ist, dass wir in Berlin auf jeden Fall eine dritte große Halle brauchen mit einer ähnlichen Kapazität wie die Schmeling-Halle, damit wir dort für Entlastung sorgen können. Wir haben eine enorm starke und erfolgreiche Berliner Sportlandschaft. Eisbären, Alba und die Volleys sind alle Meister geworden, dazu haben die Füchse-Handballer einen hervorragenden Platz in einer äußerst schweren Liga belegt. Es ist aus meiner Sicht auch der richtige Ansatz, über das Velodrom nachzudenken, ob man dort mit den entsprechenden Umbaumaßnahmen eine dritte große Halle bekommt.

Auch um terminlichen Schwierigkeiten in der Schmeling-Halle zuvorzukommen?

Alba hat sich vor Jahren in der Arena am Ostbahnhof eine Heimspielstätte aufgebaut. Füchse und Volleys parallel in der Schmeling-Halle, die wir auch nicht verlassen wollen und können. Drei Mannschaften in einer Halle wird nicht gehen. Wir haben bereits jetzt schon Spieltage, wo wir aufgrund von Überschneidungen nicht in der Schmeling-Halle spielen können und uns nach Ersatz umgucken müssen. Es wird immer punktuell möglich sein, dass Alba in der Max-Schmeling-Halle spielen kann, wenn sie nicht besetzt ist, so haben wir das auch in den vergangenen Jahren gehandhabt, aber eine dauerhafte dritte Mannschaft kann dort nicht präsent sein.

Bräuchte man dann aber nicht langfristig eine neue Halle für die Albatrosse?

Das ist eine Planungssache. Solche Sachen können in Berlin sehr lange dauern. Deshalb denke ich, auch wenn das für den ein oder anderen schmerzhaft ist, man muss bei dem, was schon da ist und was viele Voraussetzungen mitbringt, über einen Umbau nachdenken. Deswegen ist es der pragmatischste und praktischste Weg das Velodrom umzubauen.

Mal abseits von den Bundesligavereinen, wo zwickt es besonders im Berliner Sport?

Die größte Problematik ist die Infrastruktur und dort vor allem das Thema Hallen und Sportstätten für den Nachwuchs. Selbst wir als Volleyballer müssen fast täglich Kinder abweisen, die Volleyball trainieren wollen, wo wir aber keine Hallen haben. Das ist sehr bedauerlich. Es ist ein riesiges Problem für die Vereine, wobei viele auch selbst das Heft in die Hand nehmen und ihre Probleme selbst lösen. Dennoch stehen wir in einem guten Austausch darüber mit dem Innen- und Sportsenator und erfahren hier auch gute Unterstützung.

Sie werden im Dezember 70 Jahre alt, wie lange wollen Sie sich den stressigen Job des Managers noch antun?

Der Berliner Sport insgesamt und der Volleyball im Speziellen reizen mich so sehr, dass ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe. Ich bin ein Besessener des Berliner Sports und so lange ich noch kann, möchte ich auch mein Engagement fortsetzen.

Herr Niroomand, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Fabian Friedmann für die rbb-Sportredaktion.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.08.2022, 12:15 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Erstmal die Mercedes Benz Arena gehört zu Anschutz Gruppe also privat errichtet. Der Senat als Landesregierung hat es versäumt sich Beizeiten um den Bau geeigneter Sportstätten zu kümmern. Wie immer werden jede Wahlperiode große Versprechungen gemacht aber gehalten wird nichts weil man ja nichts auf die Reihe bekommt. Es geht ja nur um unsere Kinder und Jugendlichen die gerne Sport treiben möchten und nicht können.

  2. 3.

    In der Volleyball Bundesliga spielen die Helios Grizzlys Giesen. Giesen ist bei Hildesheim.

  3. 2.

    Ich hoffe, dass man im Sinne der sehr erfolgreichen Bundesligateams der Berliner Volleyballer, Handballer, Basketballer und Eishockeyspieler jetzt endlich mal von Seiten der Politik in die Gänge kommt, was die Berliner Hallenproblematik anbelangt.

    @Max Mustermann: Ich würde sagen Gießen, nicht Giesen.

  4. 1.

    Giesen nicht Gießen.

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