Chris Helbig sitzt in der Nähe des Potsdamer Luftschiffshafen am Wasser und guckt in die Ferne. "Ich bin aus Colorado, da gibt es viele Berge, aber kaum Wasser. Das war in Potsdam also neu für mich und ich finde es ziemlich cool", sagt der 24-Jährige. Hier würde er immer herkommen, um sich zu entspannen und abzuschalten. Denn auf dem Spielfeld - nur wenige Meter vom Ufer entfernt - arbeitet sein Kopf pausenlos.

Helbig ist Quarterback der Potsdam Royals. "Das ist sowas wie der Kommandant der Offensive und ein Trainer auf dem Spielfeld", erklärt er. Der US-Amerikaner dirigiert die Offensive. Er muss alles im Blick haben, liest die gegnerische Defensive und wählt die richtige Formation und den besten Spielzug für seine Offensive aus. Dann muss er den Football auch noch zielgenau auf einen freien Mitspieler werfen. Der 1,93 Meter große Helbig kennt über 300 Spielzüge auswendig und hat für fast alle Strategien der gegnerischen Verteidigung die richtige Antwort. "Das Wichtigste ist Vorbereitung. Wir gucken viele Videos von Spielen unser Gegner und studieren sie. Wenn dann das Spiel kommt, wissen wir was zu tun ist und müssen nur noch auf die Situationen reagieren", erklärt er.

Wegen dieser enormen Verantwortung sind Quarterbacks oft die Aushängeschilder und Superstars ihrer Vereine. Auch bei den Royals ist das für Helbig so. "Als ich jünger war habe ich wegen dieser Rolle eine Menge Druck verspürt. Mittlerweile habe ich gelernt, dass es nur ein Spiel ist und vor allem Spaß macht", sagt er. Trotz seines jungen Alters ist der 24-Jährige bereits erfahren, schließlich hat er schon zu Jugendzeiten erfolgreich als Quarterback gespielt.

An der Highschool wurde er zweimal zum besten Spieler seiner Conference gewählt und hält mit 607-Passing-Yars in einem Spiel immer noch den Rekord im Bundesstaat Colorado. Auch am College setzte er seine Football-Karriere fort. Erst am Butler Community College, dann an der Southern Utah University. Dreimal wurde Helbig dort zum Kapitän seiner Mannschaft gewählt und warf insgesamt 5.934 Yards und 51 Touchdowns. 2020 sollte eigentlich seine letzte College-Saison an der Eastern Michigan folgen, aber die Corona-Pandemie unterbrach den Spielbetrieb und machte ihm einen Strich durch die Rechnung.

Und trotz der Erfolge schaffte er auch nicht den großen Schritt in die Nordamerikanische Profiliga (NFL). Helbig begann einen normalen Job, arbeitete täglich von 9 bis 17 Uhr. Doch damit gab er sich nicht zufrieden. "Ich wollte etwas an meinem Leben ändern und genau zu diesem Zeitpunkt hat mir der Coach der Potsdam Royals auf Instagram geschrieben", erzählt er. "Ich wusste, dass Potsdam die beste Chance für mich sein würde." Also zögerte er nicht lange und wagte im April dieses Jahres den Schritt nach Deutschland zu gehen.

Und bisher haben wohl weder er, noch die Royals diese Entscheidung bereut. Seitdem Helbig da ist, sind die Potsdamer in der German Football League (GFL) ungeschlagen. Das haben außer ihnen in diesem Jahr nur die Schwäbisch Hall Unicorns geschafft, die bereits viermal deutscher Meister wurden.

Die Royals träumen hingegen noch von ihrer ersten Meisterschaft. Erst seit 2018 spielt das Team in der GFL - und doch sind die Titelchancen in diesem Jahr groß. Am Samstag (14 Uhr) treffen sie im Halbfinale im heimischen Luftschiffhafen auf die Cologne Crocodiles. Helbig freut sich schon darauf. "Es ist schon verrückt, wenn ich darüber nachdenke, dass ich überhaupt in Deutschland lebe. Das wir dann auch noch zu den besten vier Teams gehören, ist ziemlich cool", sagt er.

Seine erste Saison in Brandenburg gleich mit einem Titel zu krönen, wäre für Helbig etwas ganz Besonderes. Aber auch wenn es dafür noch nicht reichen sollte, ist er bisher sehr zufrieden: "Ich bin glücklich hier und es läuft richtig gut für mich. Hoffentlich blicke ich - wenn ich älter bin - auf diese Entscheidung zurück und bin froh, dass ich diesen Weg gegangen bin", sagt er.

Sendung: rbb24, 21.09.2022, 18 Uhr