Interview | Union-Präsident Dirk Zingler - "Wir wollen den anderen Vereinen zeigen: Fußball im Stehen macht Spaß"

Di 06.09.22 | 17:59 Uhr
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Dirk Zingler spricht bei Union-Medienrunde, vor ihm rbb-Mikrofon (Imago/Matthias Koch)
Imago/Matthias Koch
Video: rbb UM6 | 06.09.2022 | Sebastian Meyer | Bild: Imago/Matthias Koch

Der 1. FC Union Berlin startet am Donnerstag, nach der Conference League im Vorjahr, in seine erste Europa-League-Saison - im Stadion An der Alten Försterei. Präsident Dirk Zingler im Interview über das Stehplatzgefühl, die Stadionpläne und Saisonziele.

rbb|24: Herr Zingler, in zwei Tagen wird der 1. FC Union zum ersten Mal ein internationales Pflichtspiel hier an der Alten Försterei austragen. Sie haben von einem historischen Tag gesprochen, was bewegt Sie daran so besonders?

Dirk Zingler: Für uns alle, die wir seit vielen Jahrzehnten hierher gehen, an diesen Standort, ist es wirklich ein historischer Tag. Es gibt ja selten ein Stadion, in dem seit 100 Jahren an der gleichen Stelle Fußball gespielt wird. Seit 1920 spielen wir hier Fußball. Wir sind durch verschiedene Zeiten, verschiedene Staaten, durch eine geteilte Stadt, und durch unterschiedliche Systeme gegangen. Wir hatten in den 1990er-Jahren Schwierigkeiten, hatten Anfang der 2000er Schwierigkeiten und spielen heute international, in der Europa League, in einem eigenen Stadion, was uns gehört. Das bedeutet den Menschen enorm viel.

Voriges Jahr gab es noch "Heimspiele" im Olympiastadion, jetzt können Sie wirklich zu Hause spielen. Stehplätze sind jetzt erlaubt, was lange nicht der Fall war. Was hat beim europäischen Fußballverband Uefa zum Umdenken geführt?

Ich glaube, dass Deutschland da eine wichtige Rolle gespielt hat. Wir haben in Deutschland eine Stehplatzkultur. Als wir letztes Jahr in die Conference League gekommen sind, haben wir uns sofort vielen Initiativen angeschlossen, die es schon in Deutschland gab. Borussia Dortmund hat eine große Rolle gespielt, mit 26.000 Zuschauern auf der Südtribüne, und letztendlich haben wir die Uefa davon überzeugt, dass wir die Regeln der jeweiligen Länder übernehmen können, weil es sichere Regeln sind. Das ist ein Kulturwandel. Da müssen wir Europa erst noch von überzeugen, und deswegen ist diese Saison so wichtig. Wir wollen den anderen Vereinen zeigen: Fußball im Stehen macht Spaß.

Hatten Sie damit gerechnet? Dass es schon zu dieser Saison klappt, ist eine relativ kurzfristige oder zumindest sehr nah an dem Wettbewerb liegende Entscheidung gewesen.

Ich habe darauf gewartet, ich habe darauf gehofft. Sicher war ich nicht. Ich weiß aber, dass andere in Deutschland mit uns gemeinsam gebohrt haben. Letztendlich waren wir erfolgreich und jetzt freuen wir uns darüber.

Können Sie sagen, wo Sie mit gebohrt haben, wie Union das angelegt hat als Verein?

Überall. Immer wenn wir Gespräche mit Exekutiv-Mitgliedern geführt haben, Gespräche innerhalb der Deutschen Fußball-Liga hatten. Ich selber habe Kontakt aufgenommen zur Uefa. Überall, wo wir es konnten, haben wir es thematisiert und versucht, es ins Bewusstsein der Uefa zu bringen. Am Ende ist eine Gemeinschaftsleistung der deutschen Vereine und Aki Watzke [Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball-Liga und Geschäftsführer von Borussia Dortmund; Anm. d. Red.] hat am Ende den letzten Zentimeter rübergeholt.

Sie wirken tatsächlich bewegt bei diesem Thema. Sind nach der Entscheidung viele Menschen aus dem Verein auf Sie zugekommen?

Ja, das ist tatsächlich so. Ich bin ja viel unterwegs, auch im Stadion, und auf mich kommen nur glückliche Menschen zu. Wir sind jetzt super in die Saison gestartet, wir spielen ja nicht nur in Europa. Die Menschen erfüllen sich gerade Träume. Die gehen Montag früh glücklich auf die Arbeit. Also ich glaube, dass wir das tun, was wir tun wollen: Menschen glücklich machen.

Was wünschen Sie sich von der Premiere am Donnerstagabend gegen Saint-Gilloise aus Belgien im eigenen Stadion?

Gänsehaut, Flutlichtspiel, weinende Unioner und am Ende natürlich auch einen Sieg.

Welchen positiven Effekt hat die Europa League auch im Vergleich zur Conference League? Das dürfte doch eine Steigerung sein, weil es sportlich interessanter ist und auch mehr Gelder fließen.

Sie ist sportlich für uns interessant. Wenn wir sportlich erfolgreich sind - und das sind wir mit dem Einzug in die Europa League - ist das wirtschaftlich auch sehr interessant. Die Conference League war wirtschaftlich schon sehr erfolgreich für uns und wir gehen davon aus, dass die Europa League noch erfolgreicher wird. Wir werden darüber in der Mitgliederversammlung berichten. Das trägt dazu bei, dass wir uns noch weiter gesunden als Klub. Jedes Jahr, in dem wir erfolgreich sind, wird uns wirtschaftlich stabilisieren.

Es gibt immer wieder Leute, die sagen, warum gehen Sie denn nicht weiter ins Olympiastadion? Da könnten dann 50.000 Union-Anhänger, die sonst häufig nicht ins Stadion kommen, dabei sein. Haben die den 1. FC Union nicht verstanden?

Ach, so hart würde ich es nicht formulieren. Aber natürlich, wenn wir hier Fußball spielen dürfen, dann spielen wir hier Fußball. Seit hundert Jahren ist das so und wir verlassen doch nicht die Heimat, um einen kommerziellen Ertrag zu erzielen. Ich verstehe die Menschen, die es nicht schaffen, dadurch in die Alte Försterei zu kommen. Da reihen wir uns aber ein. Viele Vereine haben mehr Mitglieder als Zuschauerkapazität in den Stadien. Wir wollen es ausbauen und wir werden es erweitern auf 37.000 Zuschauer. Auch dann wird es zu klein sein. Wir sind jetzt schon 45.000 Mitglieder und die Tendenz ist stark steigend. Also nein, wir müssen fair sein, in der Verteilung von Karten. Jedes Vereinsmitglied ist in der Lage, ein Europa-League-Spiel zu sehen und das ist eine gute Lösung.

Was nehmen Sie sich nach dem geglückten Saisonstart für die nächsten Wochen vor, in denen eine Dreifachbelastung mit Pokal und Europa League auf Sie wartet?

Wir müssen konzentriert bleiben und dürfen nicht anfangen zu spinnen. Die Gefahr sehe ich überhaupt nicht, weder im Klub und schon gar nicht in der Lizenzspieler-Abteilung. Wir haben eine lange Winterpause von Anfang November bis Mitte Januar und es wäre toll, wenn wir in allen drei Wettbewerben im nächsten Jahr noch vertreten sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lars Becker, rbb sport.

Sendung: rbb UM6, 06.09.2022, 18 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    ... Fortsetzung.

    Beim FC Bayern kostet in der Championsleague ein Steher 19,- €. Die Hälfte.

    Jeder weiß, mit 45.000 Mitgliedern ist ein Stadion mit 37.000 Plätzen viel zu klein. Letztes Jahr hatte Union im Sommer, wenn ich ich richtig erinnere noch 38.000 Mitglieder. 15% mehr Mitglieder in nur einem Jahr. Und man will Stadionpläne von vor 6 Jahren aus Zweitliga-Zeiten realisieren. Klar haben Bayern, Dortmund oder Schalke mehr Mitglieder als Stadionplätze. Die haben aber alle 60.000 bzw. 80.000 Plätze-Stadien. Ich finde es nicht schön, wenn unser Präsident versucht uns mit Scheinargumenten zu verwirren.

  2. 5.

    Als alter Unioner muss ich sagen, langsam steigt Herr Zingler der Erfolg etwas zu Kopf. Ist das bereits beginnende Hybris?
    Er stellt Behauptungen auf und stützt diese dann mit verdrehten Fakten.
    Als ich vor Jahren mal in Union-Runden den Hinweis gab, dass in ein paar Jahren die Alte Försterei 100 Jahre wird, hatte das wirklich niemand real auf dem Schirm. In den Köpfen begann Union 1966 und nicht 1906. Zu behaupten man (also wir) spielt seit 100 Jahren an diesem Standort Fußball hinweg durch alle schweren Zeiten, ist schönfärben. Genauso könnte RB Leipzig behaupten einer Fußballtradion in Leipzig seit 1867 zu folgen (Grundsteinlegung ihres Stadions).

    Jedes Vereinsmitglied war theoretisch in der Lage eine Karte für eines der Europa-League-Spiel zu bekommen, das ist richtig. Aber eben auch nur wenn, man die zwei Tage Losverfahren nicht verpasst hat (und die haben Einige in der Urlaubszeit verpasst). Zudem langt der Verein mit 38,- € für einen Steher ordentlich hin ...

  3. 4.

    Hallo rbb24, ehrlich gesagt ist das Interview ziemlich oberflächlich. Nehmen Sie zum Vergleich das Interview mit Herrn Ziegler in der Berliner Zeitung vom Wochenende. Das war echt beeindruckend und Respekt zollend. Vieles wusste man als Berliner nicht. Keine Frage wird das Hertha auch machen. Insofern wäre es gut, nicht nur die beiden Vereine fußballerisch darzustellen.

  4. 3.

    Cool bleiben Leute! Keiner von euch ist verpflichtet, an diesen geilen Abenden Teil zu haben . Wozu die Aufregung also?

  5. 2.

    Er steht bestimmt auch die ganze Zeit, und dann noch mal in der Schlange um seinen Schampus wieder los zu werden…

  6. 1.

    Na klar, es gibt schon nichts schöneres als in den Öffis zu stehen, wie schön ist es dann noch im Stadion, mit überteuerten Getränken, zu stehen.
    Und so romantisch noch dazu :(

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