Brandbrief an Potsdamer Oberbürgermeister - Sportstadt ohne Sportplatz?

Di 13.09.22 | 18:20 Uhr | Von Friedrich Rößler
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Auch dieser Sportplatz ist nicht gut in Schuss(Bild: imago images/Stefan Großmann)
Video: rbb24 | 13.09.2022 | Torsten Michels | Bild: imago images/Stefan Großmann

In Potsdam fehlen Sportplätze und Hallen für den Winter. Die Folge: Wartelisten für Kinder und Jugendliche. In einem Brandbrief fordern betroffene Vereine mehr finanzielle Unterstützung von der Stadt. Die sieht sich aber gar nicht zuständig. Von Friedrich Rößler

Potsdam ist weit über die Havelufer hinaus als sportliche Heimat für Vereine mit überregionaler Bedeutung bekannt. Seien es die Fußball-Teams Turbine oder der SV Babelsberg 03, die Volleyballerinnen vom SC Potsdam oder die Footballer der Royals. Der Bundesstützpunkt Rudern ermöglicht den Kanuten vom KC Potsdam immer wieder Top-Athleten wie Ronald Rauhe oder Sebastian Brendel hervor zu bringen - auch die erfolgreichste deutsche Olympionikin Birgit Fischer(8xGold, 4xSilber) trainierte im Luftschiffhafen.

In der Leichtathletik zum Beispiel schmückt sich die brandenburgische Landeshauptstadt ebenfalls mit einem Bundesstützpunkt und mit der Diskuswerferin Kristin Pudenz, dem Geher Christopher Linke (beide SC Potsdam) oder der Triathletin Laura Lindemann (Triathlon Potsdam).

Sport soll "pflichtige Aufgabe" werden

Bei diesen Leuchttürmen des Potsdamer Sports sollte doch eigentlich klar sein, dass die Stadt den Kinder- und Jugendbereich und auch ihre Plätze und Hallen fördern und pflegen sollte. Sonst würde irgendwann der Nachwuchs fehlen. Doch das scheint in den Augen vieler Vereine nicht der Fall zu sein. Vor gut einer Woche erhielt der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert einen offenen Brief, in dem der Stadtsportbund und 65 Potsdamer Sportvereine drei zentrale Forderungen stellten: Die Anerkennung des Kinder- und Jugendsports als "pflichtige Aufgabe", die Sicherstellung der finanziellen Grundlagen des organisierten Sports und die Schaffung dringend benötigter Sportstätten.

Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen Turbine Potsdam, der SV Babelsberg 03, die Potsdam Royals, der Olympische Sportclub und der SC Potsdam. Von den mehr als 30.000 Mitgliedern der 168 Potsdamer Sportvereine sind fast 40 Prozent unter 19 Jahre alt. Die vielen Kinder- und Jugendtrainer arbeiten oft als Ehrenamtliche in ihrer Freizeit, da Sport als freiwillige Leistung zählt und nicht verpflichtend von der Stadt finanziert werden muss.

"Es fehlen Sportflächen, Hallen, Plätze"

Für den Haushalt 2022 hat die Stadt Potsdam neben der für alle Bereiche vorgesehenen Kürzung von fünf Prozent für den Sport zusätzlich acht Prozent eingespart. Das bringt auch die großen Potsdamer Vereine wie den SC Potsdam mit seinen fast 5.000 Mitgliedern ins wirtschaftliche Wanken. Deren Sportvorstand Peter Rieger hat ein weiteres dringliches Problem ausgemacht: "Es fehlen Sportflächen für den Breitensport, Hallen und Plätze, die komplexer sind, als ein Fußballplatz."

Im Interview mit dem rbb spricht Rieger von langen Wartelisten im Kinder- und Jugendsport. "Potsdam wächst und wächst und somit wollen auch immer mehr Kinder und Jugendliche die sportlichen Angebote nutzen." Der SC Potsdam bietet viel Sportliches für junge Menschen: Baby- oder Kinderschwimmen in der eigenen Schwimmschule, den eigenen Jugendklub "Offline", Leichtathletik, Turnen oder Volleyball. Mit all diesen Angeboten leiste der SC Potsdam auch Sozial- und Jugendarbeit, argumentiert Sportvorstand Rieger. Daher müsste Sport eine pflichtige Aufgabe für die Stadt werden, "um nicht nur die Finanzen, sondern auch die Rahmenbedingungen für Sport mit Kindern zu schaffen."

Land oder Bund in die Pflicht nehmen

90 Prozent der Betriebs- und der Personalkosten würde die Stadt übernehmen, wenn der Bereich Sport den Status "pflichtig" bekäme. Auf eine rbb-Anfrage äußerte sich eine Sprecherin des Potsdamer Rathauses, dass das Engagement der Vereine eine hohe Anerkennung genieße und die Vereine sich mit ihrem Anliegen an andere Stellen wenden müssten: "Den Sport per se als pflichtige Aufgabe anzuerkennen, könne nur auf der Ebene des Gesetzgebers, also Land und oder Bund erfolgen."

Die Personalkostenfrage löst der Sportclub Potsdam mit ehrenamtlichen Freiwilligen. Doch laut Sportvorstand Rieger stehen immer weniger Ehrenämtler zur Verfügung. Für die Instandhaltung und Bereitstellung von Sportplätzen und Hallen wäre dann die Stadt ebenfalls in der Pflicht. Wie sehr der Schuh bei diesem Thema drückt, hat die Potsdamer Stadtverordnung selbst festgestellt. Laut einer eigenen Studie fehlen der Landeshauptstadt bereits zehn Sportflächen, vor allem im Norden. Die Sprecherin verwies auf die Bemühungen, trotz Pandemiebewältigung und aufkommender Energiemangellage den Zugang zu den bestehenden Sportanlagen finanziell zu unterstützen. Im Bedarfsfall denke man an bewährte Maßnahmen wie Notförderprogramme oder -fonds.

Energiekosten steigen um das Zehnfache

Besonders problematisch beim Kinder- und Jugendsport sei die dunkle und kalte Winterzeit, sagt Rieger. Da viele Schulen ein Gesamtschul-Konzept anbieten, habe man erst ab 16:30 Uhr Zugang zu den Schulsporthallen. "Für Achtjährige ist das viel zu spät. Die müssen danach dann im Dunkeln durch die Gegend laufen." Ein weiteres Problem, was zu dem Brandbrief an die Potsdamer Stadtverordneten geführt habe, seien die explodierenden Energiekosten. Für die vereinseigene Schwimmschule zum Beispiel müsse der SC Potsdam mit zehnfachen Stromkosten rechnen. "Wir waren am Anfang bei 1.700 Euro pro Monat und müssen ab Januar 17.000 Euro bezahlen", sagt Rieger. Spätestens ab März 2023 sei der SC Potsdam dann insolvent.

Damit dieses Schreckensszenario nicht eintrete, sei man mit allen Beteiligten im Gespräch. "Wir sollen starke Nerven behalten, hat man uns gesagt", berichtet der Sportvorstand. Die müsse man schon seit Jahren zeigen und daher wolle man den Protestweg zur Not über den Landtag bis hin zum Bundeskanzler Olaf Scholz gehen. Schließlich wohne der ja in Potsdam und hat auch seinen Wahlkreis in der brandenburgischen Landeshauptstadt.

Sendung: rbb24, 13.09.2022, 18 Uhr

Beitrag von Friedrich Rößler

2 Kommentare

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  1. 2.

    Die Stadt sollte das Geld, dass sie jedes Jahr für den freien Parkeintritt gibt, lieber in Sporteinrichtungen investieren. Davon hat vor allem unsere Jugend etwas.

  2. 1.

    @rbb24
    Erbsenzählerei aber die Energiekosten im Beispiel steigen „nur“ auf und nicht um das 10fache. Macht die Sache aber auch nicht leichter.

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