Interview | Sprint-Europameisterin Gina Lückenkemper - "Ich verbinde super viele schöne Momente mit Berlin"

Mo 17.10.22 | 18:26 Uhr
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Sprinterin Gina Lückenkemper jubelt (Quelle: IMAGO/Beautiful Sports)
Audio: rbb24 Inforadio | Vis à Vis mit Gina Lückenkemper | 11.10.2022 | Bild: IMAGO/Beautiful Sports

Gina Lückenkemper wurde im August überraschend Europameisterin über 100 Meter. Im Interview spricht die Sprinterin vom SCC Berlin über den größten Erfolg ihrer Karriere, ihre Liebe zur Hauptstadt und Fluch und Segen der sozialen Medien.

rbb|24: Bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in München sind Sie über die 100 Meter Europameisterin geworden. Dieser 16. August 2022 war sicherlich ein Höhepunkt in Ihrer Karriere, oder?

Gina Lückenkemper: Ja, absolut. Es ist aktuell definitiv der Höhepunkt meiner Karriere, ein absoluter Wahnsinnstag. Ich weiß auch noch, wie ich vormittags mit Rebecca Haase noch eine schöne Runde am Hotel spazieren gegangen bin und einen kurzen Stopp am Spielplatz gemacht habe, wo ich mit der Seilrutsche über den Spielplatz gerauscht bin - einfach um so ein bisschen den Kopf freizukriegen (lacht). Der 16. August wird mir auf jeden Fall immer wirklich sehr, sehr gut in Erinnerung bleiben.

Die Wettbewerbe in München waren ein richtiges Leichtathletik-Fest. Es war unfassbar laut im Stadion mit den Zuschauern. War das für Sie ein gewaltiger Druck oder Motivation?

Wenn es um solche Situationen geht, gibt es immer zwei unterschiedliche Typen von Athleten. Es gibt die einen, die das als Druck empfinden und sich von sowas gestresst fühlen und dann gibt es die, die das Ganze eher beflügelt und die daraus Energie und Motivation ziehen. Ich gehöre Gott sei Dank zu Zweiterem. Ich konnte schon spüren, wie sehr das ganze Stadion hinter den deutschen Athleten gestanden hat. Der Support war wirklich unfassbar. Gerade direkt vor dem Finale, wo wir einzeln vorgestellt wurden und durch eine Leinwand durchkommen durften. Man hat schon Unterschiede gehört. Bei mir hat man echt das Gefühl gehabt, das Stadion kocht. Das war schon sehr, sehr cool.

Das Ganze ist jetzt etwa zwei Monate her. Sie sind zwei Mal Europameisterin geworden, auch noch mit der 4x100 Meter Staffel. Ist das mittlerweile so richtig real oder gibt es noch Tage, an denen Sie aufwachen und schauen, ob die Medaillen wirklich da sind?

Ich glaube, bis ich das wirklich vernünftig realisiert habe, wird es noch eine Weile dauern, weil ich durch die ganzen Termine noch gar nicht wirklich die Zeit hatte, das alles, was so passiert ist – nicht nur die EM, sondern auch die WM, wo wir im Vorfeld eine Bronzemedaille mit der Staffel geholt haben - zu realisieren. Das ist etwas, worauf ich unfassbar stolz bin. Ich glaube aber, dass das in den kommenden Wochen noch das ein oder andere mal über mich einbrechen wird, was da so alles passiert ist.

Wir machen einen harten Schnitt. Sport und Social Media - welchen Stellenwert hat das für Sie?

Fluch und Segen zugleich. Ohne Social Media geht es in der heutigen Zeit nicht mehr. Gerade, wenn man nicht unbedingt in einer super präsenten Sportart unterwegs ist. Die Leichtathletik wird ja leider doch nicht so viel in Deutschland gezeigt, wie wir uns das gerne wünschen würden. Daher ist es für uns Sportler schon wichtig, auf Social Media präsent zu sein, um greifbar zu sein und uns auch attraktiver für Sponsoren zu machen.

Und was ist der Fluch?

Man macht sich schnell angreifbar und muss aufpassen, wie man seine Kanäle bedient und sich gewisse Sachen nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, weil die Menschen dort einfach eher ungefiltert unterwegs sind. Was ich mir da schon für Dinge anhören durfte und musste. Im echten Leben ist mir noch kein Mensch begegnet, der sich so unverschämt verhalten hat. Seitdem ich gewisse Tools nutze, bin ich da sehr entspannt unterwegs und es ist viel ruhiger geworden auf meinen Kanälen. Wer mir da irgendwie doof kommt, den blocke ich. Wer sich bei mir nicht benehmen kann, für den habe ich dann leider kein Bild mehr.

Sie sind bei Instagram aktiv. Ihren ersten Post haben Sie 2013 gemacht, ein Bild mit einem Pferd. Welche Rolle spielen Tiere in Ihrem Leben?

Mit Tieren kann ich einfach so runterfahren und abschalten, weil sie überhaupt keine krassen Ansprüche an mich haben. Den Tieren ist es vollkommen egal, wer ich bin und was ich mache, solange ich gut und vernünftig mit ihnen umgehe. Gerade Pferde oder auch Hunde sind extrem empathisch und reagieren auf die Stimmung des anderen. Das tut mir immer unfassbar gut. Ich habe selber auch noch ein Pferd, das steht in NRW. Immer wenn ich da bin, ist es für mich das Schönste, das Pferd zu putzen. Das ist für mich wirklich Therapie. Genauso mit meinem Hund. Ich habe einen Zwergdackel, die Akira. Bei den Spaziergängen mit ihr im Wald kann ich unfassbar runterfahren. Tiere tun mir persönlich einfach unfassbar gut.

Die meisten Fotos auf Ihrem Account wirken nicht perfekt inszeniert. Sie grinsen manchmal schief oder strecken die Zunge raus. Wie positiv verrückt sind Sie?

Ich glaube, das sollte man eher die Menschen in meinem Umfeld fragen (lacht). Ich habe nicht das Bestreben darauf, auf Instagram eine perfekte Welt zu simulieren. Bei jedem gibt es mal Höhen und Tiefen. Ich versuche auch immer wieder, eine Art Themenwoche aufzubauen, wo ich darauf eingehe, was das Sportlerdasein bedeutet – mit allen Ups und Downs. Aber wie positiv verrückt ich bin - schon so ein bisschen. Oder wie der Franke sagen würde: a weng.

Gina Lückenkemper vom SCC Berlin. Quelle: imago/Camera 4Gina Lückenkemper startet seit 2019 für den SCC Berlin.

Sie wurden in Hamm geboren, starten aber seit 2019 für den SCC Berlin. Was verbinden Sie mit der Hauptstadt?

Berlin spielt eine unfassbar große Rolle in meiner sportlichen Karriere, aber auch in meinem privaten Leben. Ich bin 2015 in Berlin mein erstes Profi-Meeting, das ISTAF, gelaufen. Das Berliner Olympiastadion ist mit Abstand mein absolutes Lieblingsstadion. Ich habe in Berlin auch meinen Freund kennengelernt. Daher verbinde ich super viele schöne Momente mit Berlin.

Wir haben in der Leichtathletik auch einfach nicht so viele Vereine, die dazu in der Lage sind, sowohl Trainer als auch Athleten zu unterstützen. Der SSC Berlin ist einer von diesen Vereinen. Als damals ein Vereinswechsel für mich auf dem Programm stand, war eigentlich relativ schnell klar, dass es nach Berlin geht. Ich bin total glücklich, dass ich in Berlin meine sportliche Heimat gefunden habe. Ich fühle mich total wohl beim SCC und bin einfach super gerne und auch relativ viel in Berlin.

EM- und WM-Medaillen haben Sie schon gewonnen. Eine olympische Medaille fehlt noch – wenn man das so sagen kann. Träumen Sie schon von den Spielen 2024 in Paris?

Also erstmal träume ich davon, dieses Jahr 2022 zu verarbeiten. Wenn ich das vernünftig geschafft habe, kann ich richtig von Paris träumen. Aber natürlich ist das gerade im Hinterkopf schon die ganze Zeit präsent. Aber erstmal geht es darum, die aktuelle Saison zu verarbeiten und dann können wir uns den Fokus auf die Weltmeisterschaft in Budapest im nächsten Jahr legen und dann auf Paris.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jonas Schützeberg, rbb Sport. Es handelt sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das ganze Gespräch können Sie mit einem Klick ins Titelbild nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.10.2022, 10:45 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    "Gerade Pferde oder auch Hunde sind extrem empathisch und reagieren auf die Stimmung des anderen."
    Jepp. Ich hab's geahnt. Wenn man so richtig Matsch am Paddel hat, gibts nicht besseres. Sehr oft kommt man mit einem Dauergrinsen zurück - wenn nicht lächelt man eben wieder :-) .

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