Interview | BAK-Nachwuchsleiter Burak Isikdaglioglu - "Wir bekommen hautnah mit, wie die Menschen nach weiteren Angehörigen suchen"

Do 09.02.23 | 12:10 Uhr
Zerstörung nach dem Erdbeben im türkischen Hatay. Bild: imago images/NurPhoto
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Video: rbb24 | 10.02.2023 | Torsten Michels | Bild: imago images/NurPhoto

Burak Isikdaglioglu befindet sich mit Jugendmannschaften des Berliner AK im Trainingslager im türkischen Antalya, als einige Kilometer weiter südlich verheerend die Erde bebt. Seitdem koordiniert er Spendenaktionen, die der Verein angetrieben hat.

rbb|24: Herr Isikdaglioglu, Sie waren - als in der Türkei und Syrien am Montagmorgen die Erde bebte - in der türkischen Stadt Antalya. Was haben Sie dort gemacht?

Burak Isikdaglioglu: Wir waren hier mit unseren Jugendmannschaften vom BAK im Trainingslager. Unsere U15 zum Beispiel wohnte hier in Antalya im Hotel. Die haben das Erdbeben in der Nacht aber gar nicht gespürt und tief geschlafen. Ich bin zwar gegen 4:15 Uhr aufgewacht, habe aber auch nicht genau verstanden warum und wusste nicht, was los ist. Das kam dann erst später, am nächsten Morgen. Beim Frühstück haben wir dann erfahren, dass es das schwere Erdbeben gab, gar nicht so weit entfernt von hier. Hotel-Mitarbeiter haben uns Videos gezeigt, auf denen man sieht, dass es auch hier gebebt hat. Das Ausmaß des Ganzen wurde uns aber erst in den nächsten Tagen bewusst.

Burak Isikdaglioglu , Nachwuchsleiter beim Berliner AK. Quelle: Privat
Burak Isikdaglioglu, Nachwuchsleiter des Berliner AK. | Bild: Privat

Wie ist die Lage vor Ort jetzt?

Die Stimmung ist sehr schlecht, es wird keine Musik mehr gespielt. Die Menschen sind dauernd am Handy und telefonieren. Hier im Hotel wurden sofort hunderte Erdbeben-Opfer aufgenommen. Wir bekommen es hautnah mit, wie die Menschen hier nach weiteren Angehörigen suchen. Die Lage ist wirklich extrem, wenn man sieht, dass nur wenige Stunden entfernt von hier zehntausende Menschen ums Leben gekommen sind.

Die U18 Ihres Vereins ist unmittelbar betroffen.

Unser Co-Trainer kommt aus Hatay, die Familie eines anderen Trainers kommt aus Malatya. Insbesondere Hatay ist sehr stark betroffen - er hat Familienangehörige verloren. Er hat daraufhin eine Hilfsaktion gestartet und angefangen Spenden zu sammeln. Unsere U18 hat gesagt: Wir möchten nicht trainieren, sondern lieber anpacken. Dank der Unterstützung des BFV und des Gegners Stern 1900 konnten wir das Spiel am Wochenende absetzen. Wir können momentan gar nicht an Fußball denken, weil die Mannschaft so stark betroffen ist.

Wie geht Ihr Verein, der traditionell viele Verbindungen in die Türkei hat, mit der Situation um?

Die Hilfsbereitschaft der Berlinerinnen und Berliner war von Anfang an wahnsinnig groß. Es wurden innerhalb von 48 Stunden bei uns tonnenweise Hilfsgüter gesammelt, die wir dann verpackt haben und jetzt auf den Weg gebracht haben. Teilweise sind sie sogar schon angekommen. Einer unserer Trainer arbeitet in einer Lagerhalle in Treptow. Dort wurde der Betrieb eingestellt und Hilfsgüter gesammelt. Die Spieler, der Vorstand und das Präsidium haben mitgeholfen und stehen so unserem Co-Trainer zur Seite, der viele Angehörige verloren hat. Das ist das, was wir machen können: Spenden und an den Aktionen teilnehmen. Ich versuche, das derzeit aus der Türkei etwas zu koordinieren. Wir sehen auch, dass mittlerweile gar nicht mehr so viel gebraucht wird wie an den ersten Tagen. Zum Beispiel Klamotten werden im Moment nicht mehr benötigt. Vielmehr werden zum Beispiel Medikamente und Schmerzmittel gebraucht.

Wie soll es in den nächsten Wochen weitergehen?

Ich werde am Samstag zurück nach Berlin fliegen und von dort aus weitere Aktionen koordinieren. Unser Präsidium hat bereits Aktionen gestartet. Wir als Verein werden weiterhin versuchen, den Menschen hier zu helfen. Auch ein Benefizspiel spielt in den Überlegungen eine Rolle. Da ist nur noch die Frage, mit welchem Gegner wir das machen könnten. Unsere Überlegung ist es auch, wie die Menschen vor Ort und ohne Umwege mit Bargeld versorgt werden können. Spenden kommen oft erst sehr spät direkt bei der Bevölkerung an. Man muss sich aber vorstellen, dass die Menschen alles verloren haben. Sie haben kein Portemonnaie, keine Bankkarte - nichts. Sie sind hier im Hotel untergebracht, haben ein Dach über dem Kopf, bekommen warmes Essen, aber sonst haben sie nichts.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.

Sendung: rbb24, 09.02.23, 18 Uhr

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