Wasserfreunde Spandau 04 - Als Wasserball eine Westberliner Institution war

Fr 19.05.23 | 15:01 Uhr | Von Lynn Kraemer
1987: Wasserfreunde-Torwart Peter Röhle verteidigt Angriff (Bild: Imago Images/Pressefoto Baumann)
Bild: Imago Images/Pressefoto Baumann

Die Wasserfreunde Spandau 04 spielen mal wieder um die Meisterschaft. Es wäre der 38. Titel seit 1979 für die Berliner. Den Anfang dieser Erfolgsserie verdankt der Bundesligist der "Goldenen Generation" der Achtziger. Von Lynn Kraemer

2019 konnten die Wasserfreunde Spandau 04 ihre letzte Meisterschaft feiern. Was für andere Mannschaften ein kurzer Zeitraum wäre, ist für die Spandauer fast schon eine Ewigkeit. Denn zwischen 1979 und 2019 gaben die Wasserballer nur vier Mal den Titel ab. In der aktuellen Finalserie führen die Berliner 1:0 gegen Dauerrivalen Waspo 98 Hannover. "Wir haben Glück gehabt, aber das ist vom Papier her ein wahnsinnig wichtiger Sieg", sagt Vereinspräsident Hagen Stamm. Er sei optimistisch, dass die Meisterschaft wieder nach Spandau komme.

Die goldene Generation

Und Stamm weiß, wovon er spricht. "Ich habe 14 Jahre gespielt und bin 14-mal Meister geworden. Ich habe nie eine Meisterschaft verloren", so Hagen Stamm, der in den Achtzigern zur Mannschaft zählte. Seine Spielergeneration läutete die Hochzeiten des Spandauer Wasserballs ein. In ihrer erfolgreichsten Saison im Jahr 1985 gewannen die Wasserballer neben der Meisterschaft auch den Pokal, Supercup, Europapokal sowie den Europäischen Supercup.

"Das große Geheimnis war, dass da sieben Spieler zusammenkamen, die alle Weltniveau hatten", sagt Stamm. Die Mannschaft habe sich aus mehreren Eigengewächsen und Talenten aus anderen Vereinen zusammengesetzt. Dazu kam Trainer Alfred Balen, der von Stamm als "eine besondere Mischung aus Vater und Antreiber" beschrieben wird: "Mit seiner Herzlichkeit, aber manchmal auch sehr rauen Art hat er es geschafft, einen Spagat hinzulegen." Der Zusammenhalt sei besonders groß gewesen. Stamm fuhr mit seinen Mitspielern sogar zusammen in den Urlaub.

"Da hat keine Maus mehr auf der Tribüne Platz gehabt"

Die Wasserfreunde profitierten auch von ihrem Standort. "Berlin hatte einen Inselstatus, und Wasserball war die führende und erfolgreichste Sportart", so Stamm. Die Wasserballer boten konstanten Erfolg und konnten sich so gegenüber den anderen Klubs in der Stadt behaupten. "Der Fußball hat eher eine zwiespältige Rolle gespielt. Mal waren sie einigermaßen gut, dann war die Hertha wieder nicht so gut", sagt Hajo Seppelt, der für den Sender Freies Berlin die Spiele im Radio kommentierte. Das Zuschaueraufkommen war über die Saison aber nicht gigantisch.

Das änderte sich zu den Finals und wichtigen internationalen Spielen. "Ich hatte damals ein Sportgeschäft und habe dort vorrangig die Tickets im Vorverkauf verkauft. Da sind 1.200 Karten weggegangen, obwohl die Halle nur 800 Fassungsvermögen hatte", erinnert sich Stamm. Zum Finale 1982 habe der Verein in den unteren Raum noch Stühle reingestellt, weil die Nachfrage so groß gewesen sei: "Da hat keine Maus mehr auf der Tribüne Platz gehabt. Und die Stimmung war dann auch entsprechend." Bei den anschließenden Feiern landete der Trainer im Becken. Hajo Seppelt bleibt nicht nur das in Erinnerung: "Ich weiß auch, dass das Chlorwasser dann mit Schampus getränkt worden ist. Dann wurde es feuchtfröhlich."

Das Ende der Insel

Auch in den 90er-Jahren gewannen die Wasserfreunde Spandau 04 weiter Meisterschaft um Meisterschaft, verschwanden gleichzeitig aber etwas von der Bildfläche. "Wir hatten leider das große Pech, dass Wasserball in der DDR abgeschafft wurde, weil man mit einer Mannschaft nur eine Medaille gewinnen konnte. Dadurch prallten nicht zwei blühende Wasserball-Landschaften aufeinander. Das war Niemandsland", so Stamm.

Die Konkurrenz der anderen Sportarten war nach der Wiedervereinigung zu groß. "Spandau musste sich dann die Aufmerksamkeit teilen", berichtet Seppelt. Während es vorher eine regelmäßige Berichterstattung im SFB und den Zeitungen gegeben habe, nahmen die Livezeiten nach der Wende immer weiter ab. Quotenbringende Sportarten wie Fußball bekamen den Vorzug. "Ich kritisiere massiv, dass ganz viele Medien nur auf Massengeschmack ausgerichtet sind", sagt Seppelt.

Durch die ausbleibende Berichterstattung und große Konkurrenz in Berlin müssen die Wasserfreunde mit einem vergleichsweise kleinen Etat wirtschaften: "Unser Jahresetat liegt bei 800.000 Euro. Da stehen andere Sportarten nicht mal für auf", so Hagen Stamm. Die europäische Spitzenmannschaft Pro Recco Genua könne auf knapp fünf Millionen Euro zurückgreifen. Mit ihren finanziellen Mitteln können sich die Spandauer so zwar national, aber nicht mehr international behaupten.

Sendung: rbb24, 19.05.2023, 2023

Beitrag von Lynn Kraemer

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