Berliner Sportanlage - Initiative will Planungsverfahren für Jahn-Sportpark wiederholen lassen

Di 11.07.23 | 07:28 Uhr | Von Lukas Witte
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Das Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark (imago images/Matthias Koch)
Bild: imago images/Matthias Koch

Die finalen Pläne für den Jahn-Sportpark sehen einen kompletten Abriss und Neubau des Stadions vor. Doch eine Bürgerinitiative will das Planungsverfahren neu aufrollen, weil im Realisierungs-Wettbewerb wichtige Unterlagen gefehlt hätten. Von Lukas Witte

Eigentlich war die Zukunft des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks längst besiegelt. Im Dezember vergangenen Jahres stellte der Berliner Senat auf einer Pressekonferenz den finalen Entwurf für die Umgestaltung des Geländes in Prenzlauer Berg zu einer inklusiven Vorzeige-Sportstätte vor. Das Konzept stammt von zwei Architekturbüros, die sich in einem mit 180.000 Euro prämierten Wettbewerb gegen die Mitbewerber durchsetzen konnten. Im Zentrum der Planung steht dabei der komplette Abriss und Neubau des Stadions. Doch genau das will die Bürgerinitiative Jahn-Sportpark nun doch noch verhindern und fordert eine Wiederholung des Realisierungs-Wettbewerbs.

Fehlten wichtige Pläne und Unterlagen?

Laut der Bürgerinitiative hätte die Senatsverwaltung den Teilnehmern des Realisierungs-Wettbewerbs nicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt. Es hätten wichtige Bestandspläne und Unterlagen gefehlt. "Schon vor dem Wettbewerb waren wir damit konfrontiert, dass die Bestandsunterlagen sehr lückenhaft und dürftig waren. Die Senatsverwaltung hat immer gesagt, dass es nichts anderes geben würde", erklärt Philipp Dittrich. Der Architekt ist Mitglied der Bürgerinitiative, die sich seit drei Jahren gegen den Abriss der Haupttribüne des Stadions wehrt.

Zu Beginn hätte man noch darauf vertraut, dass die Senatsverwaltung selbst recherchiert hätte und es tatsächlich nicht mehr Pläne und Unterlagen geben würde. "Während des Wettbewerbs haben wir dann eine Rechercheanfrage an das Bundesarchiv gestellt und erfahren, dass es ziemlich viele Fundstellen gibt. Wir haben dann Einsicht genommen und waren schon ziemlich erschüttert, wie viele Unterlagen es da gab", erklärt Dittrich.

So seien vor allem Grundrisse und Schnitte mehrerer Stockwerke des vier Etagen großen Haupttribünengebäudes und sämtliche Pläne und Dokumente zu den Flutlichtmasten den Wettbewerbs-Teilnehmern nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Bürgerinitiative wirft der Senatsverwaltung vor, lediglich vereinfachte Pläne aus dem Brandschutzkonzept ausgegeben zu haben.

Laut Dittrich hätten die vorgelegten Unterlagen viele der Architekturbüros davon abgehalten, einen Erhalt der Haupttribüne des Stadions überhaupt in Erwägung zu ziehen, weil dieser nach zu kompliziert sei. "Wenn man in Wettbewerb mit anderen Büros steht, die aufgrund der Unterlagen von vornherein sagen, dass sie abreißen und neu bauen wollen, dann hat man auch einen zeitlichen Nachteil, wenn man den Erhalt möchte", sagt er. Nur drei der 24 Teilnehmer hätten in ihren Konzepten einen Erhalt der Haupttribüne vorgeschlagen.

Bausenator bestreitet die Vorwürfe

Bei einer Fragestunde im Abgeordnetenhaus wies der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Christian Gaebler (SPD) die Vorwürfe vehement zurück. "Wir haben die Unterlagen zur Verfügung gestellt, die auch dem Betreiber des Geländes zur Verfügung standen und die auch bisher immer Grundlage der Überlegungen, Diskussionen und Planung waren. Deshalb sind wir davon ausgegangen, dass keine weiteren Pläne an dieser Stelle vorliegen oder erforderlich sind."

Man sei zudem der Auffassung, dass die vorgelegten Pläne den Architektinnen und Architekten ausreichende Grundlage gegeben habe. Außerdem hätten sich diese auch vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten gemacht. Aus diesem Grund hätte es auch keine Nachfrage beim Bundesarchiv gegeben, welche weiteren Pläne und Dokumente zum Jahn-Sportpark zur Verfügung stehen würden. "Wenn wir bei jedem Vorhaben sämtliche Archive der Republik abfragen würden, würden wir nicht sehr weit kommen mit unseren Verfahren", fügt der Bausenator hinzu.

Aus unserer Sicht ist das Verfahren rechtskonform und alle relevanten Unterlagen waren der Auslobung beigelegt.

Christian Gaebler (SPD) Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Eine Wiederholung des Wettbewerbs hält er deshalb nicht für nötig. "Aus unserer Sicht ist das Verfahren rechtskonform und alle relevanten Unterlagen waren der Auslobung beigelegt. Es gab auch keine Rüge von anderen Wettbewerbsteilnehmenden. Insofern gehen wir davon aus, dass dieser Vorwurf etwas konstruiert ist und eher darauf abzieht, das Verfahren weiter zu verzögern", kritisiert Gaebler die Bürgerinitiative.

Abrissarbeiten sollen nächstes Jahr beginnen

Dittrich widerspricht diesem Vorwurf. "Wir haben kein Interesse daran, das zeitlich zu verzögern, sondern nur daran, stadtbild-prägende Bauten zu erhalten und etwas für den Klimaschutz zu tun", sagt er. Aus seiner Sicht hätte sich die Senatsverwaltung zwingend beim Bundesarchiv über die verfügbaren Pläne und Unterlagen erkundigen müssen. "Das gehört einfach zu einer seriösen Grundlagenermittlung. Unabhängig davon, ob man Interesse am Bestandserhalt hat oder nicht. Auch wenn man abreißt, will man ja wissen, was man da eigentlich abreißt."

Er wirft der Senatsverwaltung vor, noch nie ein wirkliches Interesse an der Bestandserhaltung des Stadions gehabt zu haben und deshalb gar nicht erst nach den Unterlagen gesucht zu haben. Mit den neuen Erkenntnissen will die Bürgerinitiative nun weiter gegen den Abriss und Neubau des Jahn-Stadions kämpfen und prüft derzeit die nächsten Schritte.

Viel Zeit bleibt allerdings nicht. Derzeit wird bereits die Ausschreibung der Schadstoffentsorgung vorbereitet, in welcher noch im vierten Quartal dieses Jahres ein Unternehmen für die Aufgabe gefunden werden soll. Bereits im kommenden Jahr soll es dann die ersten Abrissarbeiten geben. Nach den Plänen des Siegerentwurfs des Realisierungs-Wettbewerbs soll danach für mehr als 110 Millionen Euro eine neue Arena gebaut werden, die Platz für 20.000 Menschen bietet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.07.2023, 14:30 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

22 Kommentare

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  1. 22.

    Ein DDR-Relikt - kann weg.

  2. 21.

    Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark (korrekter Name) war und ist Austragungs-/Trainingsstätte von nat./internat. Fußballspielen, Leichtathletik-Wettkämpfen bis hin zu American Football. Selbst Werbespots wurden aufgrund der bunten Kulisse hier gedreht. (Ur)Berliner sollten das wissen.

  3. 20.

    70 Jahre alt, na ja.
    Aber "sportliche Tradition" die auch noch erhaltenswert sein soll? Welche Tradition soll das sein?

  4. 19.

    Mal abgesehen von der Geschichte. Wäre es nicht auch umweltfreundlicher zu sanieren, anstatt abzuweisen und neu zu bauen? Ich wäre für den Erhalt.

  5. 18.

    Kurze Verständnisfrage, vielleicht kann ja jemand helfen (ich finde die Infos dazu irgendwie nicht) :

    Was ist mit den stadtbildprägenden Flutlichtmasten geplant? Werden die im Siegerentwurf erhalten oder kommen die auch weg?

    Vorweg: Ich bin absoluter Verfechter, dass die Dinger zu bleiben haben.

  6. 17.

    Kompletter Abriß ist verständlich.
    Wohncontainer suchen Standorte.

  7. 16.

    Das ist leider sehr sehr unfair, hier solche Behauptungen zu posten. Die Initiative hat sich sehr lange und an ungezählten Abenden mit jedem einzelnen Aspekt des möglichen Umbaus und Abrisses beschäftigt und Alternativen aufgezeigt. Zu wievielen Treffen sind Sie gekommen, dass Sie solche Behauptungen aufstellen? Inklusion ist der Gruppe genauso wichtig wie Klimaschutz und die Verhinderung eindeutig unnötigen Abrisses. Bitte nicht nur vom Sofa aus hier Lügen verbreiten. Erstmal nachdenken oder sogar mitmachen. Danke.

  8. 15.

    Ich bin überzeugt, dass es den Anwohnern nicht darum geht, den Umbau zu verhindern, sondern Bestehendes zu bewahren. Ohne Frage ist, dass dieser alte Sportpark, auf dem bereits viele nationale u. internationale Sportveranstaltungen ausgetragen wurden, saniert und umgebaut werden muss. Hier steht zur Debatte, die Grundstruktur umzubauen, auch für Menschen mit Behinderungen, oder abzureißen. Etwas anderes bedeutet Inklusion nicht. Dass bei der Ausschreibung Unterlagen unterschlagen wurden, erwähnen sie nicht.

  9. 14.

    Also ich werde bestimmt nicht mit Sack und Pack mit dem Fahrrad übers Land. Machen meine Knie schon nicht mehr mit. Der Zeitaufwand mit den öffentlichen ist mir zu hoch. Werde bestimmt nicht abends um 19.00 schlafen gehen um morgens um 4 uhr aufzustehen. Hatte ich 5 Jahre mitgemacht und ist sehr anstrengend. Irgendwie hat man ja noch ein zu Hause

  10. 13.

    Ein fragwürdig, zusammengewuerfeltes Konglomerat unter Führung eines sich benachteiligten Architektenbueros versucht hier ein großes Bauvorhaben lahm zu legen. So erklärt sich also der Grundgedanke der Demokratie dieser Bürgerinitiative. Hier wurde im Nachhinein ein Haar in der Suppe gesucht. Nur traurig, dass sich damit wahrscheinlich auch noch die Gerichte beschäftigen müssen.

  11. 12.

    Ein normaler Vorgang, eine KLEINE Gruppe von ANWOHNERN sucht das Haar in der Suppe um weiter in ihrem Engstirnigen Kosmos zu verharren.
    Ich glaube die wenigsten der Mitglieder der Bürgerinitiative haben sich bisher wirklich mit dem Thema Inklusion auseinandergesetzt, jedenfalls deuteten ihre Webseite und ihre bisherigen Aussagen darauf hin.
    Hier geht es um eine kleine Gruppe von Anwohnern, die sich in ihrem Kietz gestört fühlen, dadurch das etwas neues entstehen soll. Man stört sich an den Arbeiten, fürchtet den Lärm und vermutlich sind es auch bisher die ersten die Klagen wenn es bei einer Sportveranstaltung lauter wird. Selbst wenn man gerade erst hingezogen ist und der Sportpark an sich schon viel länger dort ist - die gleiche Fraktion wie die, die wegen der niedrigen Mieten neben eine Bahnlinie ziehen und dann klagen, dass dort Züge fahren.
    Es ist gut wenn dort ein Sportpark entsteht, der Menschen mit und ohne Einschränkung gleichberechtigt sieht.

  12. 11.

    Aus bestehendem etwas zu machen kostet ja weniger Geld und schadet dem Prestige (glaubt man). Die RRG-Planung dazu war bereits fragwürdig

  13. 10.

    Antwort auf Goldhase
    Ich bin der Ansicht auch Nostalgie zu erhalten aber hier soll ja nun Neubau errichtet werden und das ist eben die Chance dann ein neues Stadion mit einem Dach was man öffnen und bei schlechtem Wetter schließen kann zu nutzen.

  14. 9.

    Korrekt! Das nennt man Demokratie. Besonders sollte der Bürger unseren gewählten "Volksvertretern" auf die Finger schauen, wenn mangelhaft und schlampig aus eigenem Interesse gearbeit wird. Beispiele in der Berliner Politik (uns anderswo) gibt es ja en masse. Leider sind diese Initiativen oft nicht stark genug, unterbesetzt. Von Anfang an sollten Missstände öffentlich gemacht werden, damit der Bürger sein ihm zustehendes Mitspracherecht in Anspruch nehmen kann.
    Hey, Santa Claus, Sie klingen besonders motiviert und als ginge Ihnen alles am Allerwertesten vorbei. Hauptsache nörgeln. Haben Sie sich schon mal für irgendwas engagiert? Ich möchte für MEINE Stadt auch mitentscheiden, deshalb kann es nicht genug solcher Initiativen geben.

  15. 8.

    Ein Sportpark mit über 70jähriger sportlichen Tradition in vielen Bereichen, einer der größten der Stadt - und ein Stück Berliner Geschichte. Da sollte Erhalt VOR Abris stehen. Vielleicht hat der Senat bei der Ausschreibung ja bewusst "Unterlagen" vergessen/nicht gefunden? Wer weiß...
    Bei der Umgestaltung/Sanierung/Abriss hätte der Senat für Stadtentwicklung mit mehr Sorgfalt arbeiten müssen. So sieht es aus, als wäre der Abriss von größerem Interesse als ein Erhalt des ehrwürdigen Stadions. Die Initiative soll für die Sanierung und gegen einen Abriss weitermachen. Meine Unterstützung als waschechte Urberlinerin haben sie.

  16. 7.

    Mein Gott jeder andere Sportplatz der Berliner Ligen haben auch keine überdachte Ränge oder ähnliche Ecken. Das macht es ja aus-das Besondere am jahnsportplatz. Luft, Platz uvam tja hört sich vlt nach Nostalgie an, ist es auch va für mich, wenn man - vlt auch noch andere Berliner - dort Schulsport hatten und den BZ- Lauf kennen. Wenn der Vorwurf sich bekräftigt, dann wünsche ich, dass neu au geschrieben wird Es wird doch heutzutage Architekten noch geben, diein der Lage sind alt und neu zuverbin

  17. 6.

    M. M. nach bestand seitens des Senats für Stadtentwicklung kein Interesse, die Bauten/Tribüne zu erhalten und zu sanieren. Unterlagen wurden bewusst/aus Faulheit? nicht recherchiert, zurückgehalten, obwohl die Ausschreibung dann sicher ein anderes Ergebnis zur Folge gehabt hätte. Politisch motiviert? Selbst nachdem der Senat mit weiteren Unterlagen und seiner schlampiger Arbeit konfrontiert wird, beharrt er auf seiner Position.
    Wenn Bauten des Stadions in der Substanz erhaltenswürdig sind, muss das Stück Geschichte erhalten bleiben. Die Initiative muss weitermachen und gegen den Abriss und die mangelhafte Arbeit des Senats für Stadtentwicklung klagen. Mich würde die Meinung der anderen Architekturbüros interessieren, die an der Ausschreibung teilgenommen haben. Ihnen wurden ja wissentlich wichtige Unterlagen vorenthalten!
    Wie motiviert in Amtsstuben gearbeitet wird, sieht man ja am Hochhaus-Bau am Alex, nur ein Bsp.

  18. 5.

    Bei der Bekanntgabe des Siegerentwurfes durch den Senat im Dezember 2022 waren es noch 97 Mio. Kosten, jetzt sind es schon 110.
    Dann werden es wohl 150 Mio. werden.

  19. 4.

    Die Würfel sind noch lange nicht gefallen.
    Es wäre schon ein Ding, wenn Ausschreibungen auf Basis von Brandschutzplänen realisiert würden.
    Das Ganze hat eben doch den Anschein von mindestens Unwille seitens des Senats und muss im Grund komplett neu aufgerollt werden.
    Denn: Korruption und Vetternwirtschaft möchte sich doch niemand hier vorwerfen lassen, oder?

    Mit ihrer Sichtweise von derartigen Vorgängen sind sie im Übrigen in Georgien oder Rumänien ein gern gesehener Gast.

  20. 3.

    Wieviel Schulen bleiben unsaniert, damit Geld für ein Stadionneubau vorhanden ist? Ist nur ne Frage.

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