American Bowl 1990 - Als die NFL zum ersten Mal in Deutschland Football spielte

Do 10.08.23 | 06:24 Uhr | Von Matthias Gindorf
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American Football im Olympiastadion
Audio: rbb24 Inforadio | 11.08.2023 | Matthias Gindorf | Symbolbild | Bild: imago/Claus Bergmann

Vor 33 Jahren machten zum ersten Mal NFL-Profis Station in Deutschland, um in Berlin American Football zu spielen. Zum Marketing-Event kamen mehr Zuschauer ins Olympiastadion als zum Start der Fußball-Bundesliga. Von Matthias Gindorf

Im Fernsehbeitrag des damaligen SFB (Sender Freies Berlin) klang es fast ironisch, als diese Football-Veranstaltung angekündigt wurde, die nicht nur im Olympiastadion, sondern auch drumherum feierlich inszeniert wurde: Mit "Barbecue, Western-Musik und Ringelpietz" werde das Event "volksfestartig" auf dem Maifeld begangen.

Es war der 11. August 1990, die Mauer war bereits ein knappes Jahr gefallen. Und nun kamen die US-Amerikaner mit ihrem Football in die Stadt im Umbruch. Die Rechnung sollte aufgehen – knapp 55.000 begeisterte Zuschauer fanden sich im Olympiastadion ein, um das Vorbereitungsspiel zwischen den National-Football-League-Teams Los Angeles Rams und Kansas City Chiefs zu sehen.

"Wahnsinnsgefühl, neben den NFL-Spielern zu stehen"

Es sollte das erste von fünf NFL-Testspielen in der Hauptstadt sein: in den Folgejahren würden etwa noch die Football-Legenden Joe Montana und Dan Marino ihre Künste auf deutschem Rasen beweisen.

Für die deutschen American-Football-Spieler kam es einem Traum gleich, plötzlich die großen Mannschaften aus den Vereinigten Staaten vor der Haustür zu Gast zu haben. "Es war ein Wahnsinnsgefühl, als deutscher Football-Spieler, der damals als Exot galt – und heute vielleicht immer noch ein bisschen gilt – neben den großen NFL-Spielern zu stehen", erinnert sich Roman Motzkus, der damals als Wide Receiver für die Berlin Adler aktiv war.

Die Partie in Berlin fiel in eine Zeit, als sich ein nie gekannter Geldregen über die US-amerikanische NFL ergoss. Das aufkommende Kabelfernsehen und die damit einhergehenden neuen Werbegelder ließen die Dollars sprudeln. Der damalige NFL-Chef Paul Tagliabue wollte nun auch den internationalen Markt erobern.

Die NFL wollte am Nabel der Freiheit sein. Das war Berlin.

Daniel Jensen, Football-Experte

Die deutsche Metropole als Austragungsort des Testspiel-Events soll dabei auf Anraten seines Bruders festgelegt worden sein, John Tagliabue: Dieser war Korrespondent in Europa für die "New York Times", lernte im Zuge dessen auch Berlin kennen. So berichtet es Daniel Jensen, Football-Experte. John Tagliabue habe dem NFL-Chef erklärt, dass in Berlin gerade große Dinge in Bewegung gerieten, und dass es sich um "die Stadt der Freiheit" handele, erzählt Jensen. "Und die NFL wollte da sein. Sie wollte am Nabel der Freiheit sein. Das war Berlin."

Stars konnten sich frei bewegen

Die NFL-Werbekampagne für das anstehende Testspiel in Berlin sei damals gewitzt gewesen, so Jensen. Eines der Straßenplakate habe einen Football mit seiner typischen Elipsenform gezeigt, versehen mit der Überschrift: "Ach du dickes Ei!".

Die Teams der Rams und Chiefs kamen für das Testspiel im Hotel Interkonti und im Schweizer Hof unter – und konnten sich in Berlin recht frei bewegen. Niemand erkannte die US-Stars. Nur wenn vier oder fünf Offense-Liner nebeneinander liefen, dann hätten die Berliner doch mal aufgeschaut und sich gefragt: "Was sind das für Riesenbrocken?", erinnert sich mit einem Lachen Günter Zapf, der den American Bowl damals im Fernsehen kommentierte.

Das Spiel konnten die Rams letztlich mit 19:3 gegen die Chiefs gewinnen. Zum Einsatz kamen hauptsächlich die Nachwuchsspieler, denen die Coaches eine Möglichkeit zur Profilierung geben wollten.

1994 war Schluss mit Events

Der frenetischen Stimmung tat das keinen Abbruch. Beim Fest um das Olympiastadion gab es Hotdogs, Burger, Pommes, alles, was in den Köpfen damals den American Way of Life ausgemacht hat. Bei Spiel waren mit zirka 55.000 Zuschauern sogar mehr Menschen im Stadion als Tage zuvor zum Fußball-Bundesliga-Auftakt der Hertha.

Trotz dieses Event-Erfolgs war 1994 Schluss mit American Bowls in Berlin, die NFL entschied, sich anders zu vermarkten und gründete zwischenzeitlich eine europäische Liga. Mittlerweile trägt die NFL eigene Ligaspiele in Europa aus: in London, München und Frankfurt.

Die Metropole Berlin kam hingegen bis heute nur durch die American Bowls mit der größten Football-Liga der Welt in Berührung.

Aus dem Material von Matthias Gindorf

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.08.2023, 12:15 Uhr

Beitrag von Matthias Gindorf

3 Kommentare

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  1. 3.

    Bin schon zufrieden, dass man die NFL seit Jahren im free TV sehen kann. Leider ab diesem Jahr bei RTL mit den Moderations Granaten Buschmann & Spengemann. Aber man kann ja den Ton ausschalten...

  2. 2.

    Gerne liest man mehr, was aus den vielen, sehr vielen könnte-Artikeln geworden ist...

  3. 1.

    Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir die NFL wieder in Berlin sehen. Zeit wird's!

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