"Fußballverein mit Philosophie" - Wie der Berliner Fußball-Verband seine Vereine zukunftssicher machen möchte

Mo 21.08.23 | 13:21 Uhr | Von Jakob Lobach
Ein Amateurfußballer während des Trainings. Quelle: imago images/Rene Traut
Bild: imago images/Rene Traut

Viele Mitglieder, wenig Ehrenamtliche mit wenig Zeit – auch die Vereine des Berliner Fußball-Verbandes plagen solche und andere Probleme. Mit einem Workshop will der Verband sie strukturell beraten und modernisieren. Von Jakob Lobach

Die Philosophie - rund 2.500 Jahre ist sie heute alt, die Mutter aller Wissenschaften. Wurde die wörtlich übersetzte "Liebe zur Weisheit" früher von Denkern wie Sokrates, Kant und Schopenhauer geprägt, ist sie auch heute noch allgegenwertig. Mit wichtigen Werkzeugen der Philosophie wie etwa Logik, Analytik und Diskurs soll selbst im Fußball idealerweise das entstehen, was man heute am ehesten unter Philosophie versteht: eine persönliche Art und Weise Dinge zu betrachten, die wiederum eine Art Handlungs-Anleitung darstellt.

Während im Profi-Fußball anhand von abgekippten Sechsern und gestaffelten Ketten Spiel- und Trainerphilosophien erklärt werden, hat sich der Berliner Fußball-Verband (BFV) noch mehr vorgenommen: Mit seinem Workshop "Fußballverein mit Philosophie" will sich der Verband den Identitäten und Mechanismen seiner Vereine widmen. Ziel ist es, die Vereinsarbeit zu modernisieren und so mehr und mehr Berliner Klubs gut und sinnvoll für die Zukunft aufzustellen.

Zweiteiliger Workshop

Seit 2019 gibt es das Projekt, das laut Noah Funk "Teil eines Masterplans" ist. Der 24-Jährige ist beim BFV für die Vereinsberatung zuständig und somit auch für den Workshop "Fußballverein mit Philosophie". Angestoßen wurde dieses vom DFB - im Vorfeld der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land und laut Funk mit dem Ziel, eine "Schnittstelle zwischen Verband und Vereinen" zu sein. Zwei Mal vier Stunden dauert der Workshop, den der BFV bislang mit acht Vereinen absolviert hat. Der Weg zur Philosophie startet dabei mit vielen Fragen.

"Wofür stehen wir und wie funktioniert unser Verein eigentlich? Wie ist unsere Struktur und arbeiten wir effizient? Welche Prozesse haben sich mit der Zeit eingeschlichen?", listet Funk die wichtigsten dieser Fragen auf. Fragen, deren Beantwortung den Vereinen mitunter gar nicht so leicht fällt. "Viele Verantwortliche sind so sehr mit dem Alltagsgeschäft beschäftigt, dass sie diese Vogelperspektive gar nicht einnehmen können", sagt Funk. Zumal eine solche Bestandsaufnahme sich ja nur lohnt, wenn ihre Erkenntnisse auch für Veränderungen genutzt werden können.

Gewinnung von Ehrenamtlichen hat Priorität

In den bisherigen acht Workshops des BFV und seinen Vereinen haben sich zwei Themen als besonders kritisch herauskristallisiert: Ehrenamt und Verwaltung. "Grundsätzlich ist die Gewinnung von Ehrenamtlichen das allergrößte und beherrschende Thema", sagt Funk und ergänzt: "Viele Vereine finden zu wenige Trainer, vor allem aber keine Leute, die Leitungsfunktionen im Verein übernehmen wollen." Kein neues Problem, aber eines, das ungelöst immer größer wird.

Auch bei Minerva Pankow ist das Thema Ehrenamt ein großes. "Wir sind ein rein ehrenamtlicher Verein", sagt Frank Pannier, seines Zeichens Jugendleiter und stellvertretender Vorsitzender von Minerva. Seit 1983 gibt es den Klub, dessen erste Mannschaft aktuell in der Kreisliga A spielt. 150 Jahre Vereinsgeschichte, auf die man laut Pannier bei Minerva durchaus stolz ist, die allerdings auch Spuren in den Vereinsstrukturen hinterlassen hätten. "So richtig gut geführt sind wir nicht, und gerade in der Verwaltung bleibt einiges liegen", sagt Pannier durchaus selbstkritisch.

Trainings tragen Früchte

Auch deshalb absolvierte Minerva dieses Jahr den Philosophie-Workshop des BFV. "Das war unheimlich hilfreich", sagt Pannier, "weil der BFV viele Fragen mitgebracht hat und strukturell alles mit uns durchgegangen wurde." Der sonst nur schwer stemmbare Blick aus der Vogelperspektive eben. "Wir haben uns dann auf sechs, sieben große Themen geeinigt und am Schluss auch einen Plan aufgestellt", erzählt Pannier, was im Workshop auf die Bestandsaufnahme folgt.

Ein Plan, in dem selbstredend auch das Ehrenamt eine Schlüsselrolle spielt: "Bei uns gab es wenige Leute, die sehr viel gemacht haben", erklärt Pannier. Mittlerweile - rund sechs Monate nach dem Workshop - gebe es mehr Verantwortliche, dessen Aufgaben besser und vor allem klarer verteilt sein.

Es ist das Muster des Workshops vom Berliner Fußball-Verband: Den Ist-Zustand in den Vereinen festhalten, Probleme identifizieren und abschließend Lösungen konzipieren und auch umsetzen. Und damit letzteres nicht zu kurz kommt, endet die Betreuung der Vereine durch den BFV auch nicht nach einem gemeinsamen Wochenende. "Nach drei Monaten gibt es eine Art Zwischenpräsentation", sagt Noah Funk, nach sechs Monaten dann eine Abschlussveranstaltung. Auch Minervas Frank Pannier, der mit seinem Klub beides bereits hinter sich hat, sagt über die Umstrukturierungen: "Es ist ein Prozess, der andauert."

Manche Probleme bleiben

Dass dabei auch große Baustellen ans Licht kommen, ist klar. Pannier beispielsweise berichtet von der Erkenntnis, dass die ehrenamtlichen Vereinsstrukturen vergangener Jahre teils nicht mehr ausreichen – etwa in der Buchhaltung und der Mitgliederverwaltung. "Da müssen wir uns professionalisieren", sagt Pannier, "zum Beispiel mit einem Minijob oder jemandem auf Honorarbasis." Ein Szenario, das im Workshop mit dem BFV vorgeschlagen und durchdacht wurde und laut Noah Funk auch für andere Berliner Vereine notwendige Realität werden könnte. "Auch, wenn es für manche komplett ehrenamtliche Vereine unvorstellbar ist."

Apropos unvorstellbar: Dass es klassische Sportvereine irgendwann überhaupt nicht mehr geben wird, ist ebendies. Dass sie sich zukünftig verändern müssen, ist allerdings auch unbestritten. Der Workshop des Berliner Fußball-Verbandes wird hierbei zwar nur einen kleinen, aber doch wirksamen Teil beitragen. Immer mit dem Ziel, durch das Philosophieren über Probleme und Lösungen die richtige Philosophie für seine Vereine zu finden.

Beitrag von Jakob Lobach

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