Überblick über Investitionen - Wohin Berlins Millionen für die Fußball-EM fließen

Sa 22.07.23 | 08:21 Uhr | Von Jonas Bürgener
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Das Maskottchen für die Fußball-EM 2024 in Deutschland. Quelle: imago images/HMB-Media
Bild: imago images/HMB-Media

Der Berliner Senat nimmt gut 61 Millionen Euro in die Hand, um die Austragung der Fußball-EM nächstes Jahr in der Stadt zu unterstützen. Berlin erhofft sich viel von dem Turnier - auch finanziell. Von Jonas Bürgener

  • Berlin investiert Millionen in Organisation der Fußball-EM
  • Wirtschaftsprofessor bezweifelt wirtschaftlichen Nutzen für die Stadt
  • Kunstrasen-Fläche am Brandenburger Tor soll weiterverwendet werden

Wie hoch sind die Kosten für das Land Berlin und wie teilen sie sich auf?

Die Gesamtkosten für die Austragung der Fußball-Europameisterschaft in Berlin mit insgesamt sechs Spielen belaufen sich auf 61,1 Millionen Euro. Auf eine rbb|24-Anfrage schlüsselte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport die anfallenden Kosten detailliert auf. Demnach werden 36,2 Millionen Euro für die Austragung der EM außerhalb des Stadions kalkuliert. Dazu zählen unter anderem die Sicherheitskosten während des Turniers in der gesamten Stadt in Höhe von 7,12 Millionen Euro oder die Organisation der sogenannten "Host City Events", wie zum Beispiel der Fanmeile am Brandenburger Tor, in Höhe von 16,68 Millionen Euro.

Darüber hinaus fallen laut Senatsverwaltung "sportanlagenbezogene Maßnahmen" an, die Um- und Ausbaukosten am Olympiastadion und im Olympiapark beinhalten. Hier rechnet der Senat mit Kosten in Höhe von 24,9 Millionen Euro. Das Stadion soll barrierefreier werden, die digitale Infrastruktur, wie zum Beispiel das W-LAN, verbessert und die Sanitäranlagen ausgebaut werden.

"Die Arbeiten laufen auf allen Ebenen, wir sind mittendrin", sagt Christoph Meyer von der Olympiastadion GmbH. "Schon jetzt widmen wir dem Thema mehrere Tage der Woche und ab Januar 2024 werden wir noch einmal anziehen." So wurde durch den Einbau einer Zwischenebene im Olympiastadion die Toilettenkapazität bereits um 50 Prozent gesteigert. Für die Renovierung und den Ausbau der Sanitäranlagen beliefen sich die Kosten auf 6,4 Millionen Euro - der größte Kostenpunkt unter den Projektmanagementkosten.

Der Berliner Professor für Wirtschaftspolitik Wolfgang Maennig ordnet die Gesamtkosten ein: "Das sind in etwa 0,15 Prozent vom Berliner Landeshaushalt 2024 - das kann man viel oder wenig finden", sagt Maennig. "Bei was auch immer der Staat ausgibt, gibt es Stimmen, die sagen: Das kann man doch nicht machen. Ich bin ein begeisterter Operngänger und erlaube mir den Hinweis, dass allein die Staatsoper genau dieses Budget jährlich bekommt. Jetzt werden Opern-Fans sagen, dass die EM viel zu teuer ist und umgekehrt werden die Fußballfans das sagen. Es relativiert es also ein bisschen."

Wie viele Fans/Touristen werden in Berlin für die EM erwartet?

Der Senat rechnet über den gesamten Zeitraum der Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli 2024) mit mehr als zwei Millionen Gästen in Berlin. Darunter fallen Menschen aus dem internationalen Raum, aus Deutschland, aber auch aus dem engeren Umfeld Berlins – also zum Beispiel aus Brandenburg. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport betont, dass beim Besucherzustrom auch Faktoren wie das Wetter oder die Attraktivität der Begegnungen eine Rolle spielen könnten. Ein Vorteil dürfte sein, dass fünf der sechs Spiele in Berlin zwischen Freitag und Sonntag stattfinden werden.

Mit welchen Einnahmen rechnet das Land Berlin durch die EM?

Bei dieser Prognose ist der Senat derzeit noch vorsichtig. "Die erwartete Gesamtwertschöpfung hängt stark vom Turnierverlauf und der Auslosung der Spielpaarungen im Rahmen des Final Draws am 2. Dezember 2023 in Hamburg ab", heißt es von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Dann werden in der Elbphilharmonie die sechs Vierergruppen festgelegt und es steht fest, welche Teams zu den drei Gruppenspielen im Olympiastadion auflaufen werden. Zudem werden je ein Achtel- und Viertelfinale sowie das Endspiel in Berlin stattfinden. Nur in München und Dortmund finden auch sechs Partien statt. Insgesamt wird in zehn deutschen Städten gespielt.

Derzeit ist es also noch zu früh, um eine genaue Einschätzung abzugeben. Um einen generellen Einblick zu geben, wie viel Großveranstaltungen Berlin finanziell einbringen, verweist die Senatsverwaltung auf den Berlin-Marathon und die Leichtathletik-EM im Jahr 2018, als man laut eigenen Angaben 141 beziehungsweise 42 Millionen Euro direkte Wertschöpfung durch Ausgaben der Eventbesucher verzeichnete.

Es gibt kein Beispiel, bei dem eine Region oder eine Stadt volkswirtschaftlich profitiert hat. Das wurde zwar immer behauptet, lässt sich aber nicht beweisen.

Wolfgang Maennig, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Hamburg

Wirtschaftsexperte Maennig hingegen bezweifelt, dass Berlin wirklich finanziell von der WM profitiert. "Es gibt kein Beispiel, bei dem eine Region oder eine Stadt volkswirtschaftlich profitiert hat. Das wurde zwar immer behauptet, lässt sich aber nicht beweisen", sagt der Wirtschaftsprofessor. Zwar gebe es immer Einzelne, die gewinnen würden, wie zum Beispiel Würstchenverkäufer, die ihren Stand zufällig in der Nähe des Stadions oder der Fanmeile haben. Andere Branchen würden hingegen allerdings sogar verlieren.

Maennig verweist dabei vor allem auf Zahlen von der WM 2006. "Damals sind die Übernachtungszahlen in Berlin sogar um gut zehn Prozent gefallen. Es kamen zwar Fans, aber viele Menschen waren wegen des Großereignisses abgeschreckt und sind nicht gekommen", sagt er. Berlin sei insbesondere im Sommer bei Touristen ohnehin gefragt und ein Turnier wie die EM mache sich zumindest in der Hauptstadt in manchen Branchen deshalb gar nicht bemerkbar.

Auch Taxi-Fahrer hätten im Sommer 2006 etwa einen Knick erlebt, weil bei den Fußball-Fans eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr im Ticket inbegriffen gewesen sei, so Maennig. Der Wirtschaftsexperte spricht von einem "Verdrängungseffekt" von großen Sportereignissen, der dazu führe, dass es keinen positiven wirtschaftlichen Effekt für Städte gäbe.

"Man darf aber nicht vergessen, dass die EM eine immens große, kostenlose Werbung weltweit für die Stadt ist", sagt Thomas Lengfelder vom Hotel- und Gastronomieverband Berlin (Dehoga). "Das ist ein Wert, der gar nicht messbar und zu beziffern ist." Außerdem glaube er, dass sich ein Rückgang bei den Buchungszahlen in Hotels im nächsten Jahr vermeiden lasse. Durch die digitale Buchung im Internet sei es heute viel einfacher, noch freie Zimmer an einem hochfrequentierten Wochenende zu finden. Damals hätten einige Menschen von einem Besuch abgesehen, weil sie davon ausgingen, dass die Stadt ohnehin voll sei.

Profitiert Berlin langfristig infrastrukturell von der EM?

Insbesondere die Investitionen in und rund um das Olympiastadion haben einen langfristigen Nutzen. Nicht nur für die Fans von Hertha BSC, sondern auch für Konzertbesucher oder Gäste anderer Sportevents. "Wir nutzen Großveranstaltungen immer, um einen möglichst großen Nutzen auch für andere Veranstaltungen in der Zukunft zu haben. Wir sind also auf derartige Events angewiesen, um wieder einen Schub bei der Weiterentwicklung des Stadions zu haben", sagt Christoph Meyer von der Olympiastadion GmbH. "Die investiven Baumaßnahmen im Stadion wären ohne die Europameisterschaft 2024 in diesem Umfang wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisiert worden", heißt es von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport.

Wir sind auf derartige Events angewiesen, um wieder einen Schub bei der Weiterentwicklung des Stadions zu haben.

Christoph Meyer, Geschäftsleitung Olympiastadion GmbH

Auch das Nachhaltigkeitsprogramm, dass der Senat mit Kosten in Höhe von 3,85 Millionen Euro beziffert, soll dafür sorgen, dass die Berliner Sportlandschaft über das Turnier hinaus von der EM profitiert. "Der Anspruch ist es, die Euro als Chance zu nutzen, um Nachhaltigkeit im ganzen Berliner Sport weiterzuentwickeln", sagt Lucas Fritz, Projektleiter "Nachhaltige Euro 2024" beim Landessportbund.

Die Berliner Stadtgesellschaft solle dabei miteinbezogen werden. "Sportvereine und andere gemeinnützige Organisatoren können sich mit Projekten bei uns bewerben, die zur Umsetzung des Berliner Leitbilds zur Europameisterschaft beitragen", sagt Fritz. Er betont, dass es sich dabei nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern beispielsweise auch um Nachhaltigkeit in den Bereichen Teilhabe oder Anti-Diskriminierung handele.

Wirtschaftsprofessor Wolfgang Maennig sieht insbesondere in den knapp 25 Millionen Euro, die ins Olympia-Gelände fließen, eine Investition in die Zukunft. "Das sind dauerhafte Verbesserungen, die noch viele, viele Jahre dortigen Fußball- oder Kulturevents zu Gute kommen. Aus Sicht von Buchhaltern müsste man diese Kosten also eigentlich anteilig auf die nächsten Jahre übertragen", sagt Maennig.

Visualisierung für die EM im Sommer 2024 in Berlin: Brandenburger Tor wird Fußballtor (Quelle: Kulturprojekte Berlin)
Ein Tor und saftiges Grün vor dem Brandenburger Tor - so zumindest die Visualisierung der EM-Fanmeile. | Bild: Kulturprojekte Berlin

Was passiert mit der riesigen Kunstrasen-Fläche, die auf der Fan-Meile vor dem Brandenburger Tor verlegt wird?

Wie schon bei der WM 2006 oder anderen großen Turnieren soll die Fanmeile im Berlin erneut zwischen Brandenburger Tor und großem Stern auf der Straße des 17. Juni liegen. Neu bei der EM 2024: Vor dem Brandenburger Tor soll ein riesiges Fußball-Tor entstehen und die Straße des 17. Juni sowie der Platz des 18. März begrünt werden - mit Kunstrasen.

Die Kulturprojekte Berlin - die für die Fan-Meile zuständige landeseigene Gesellschaft - sei aktuell "in der Entwicklung einer geeigneten Nachnutzung für diesen Kunstrasen mit dem Ziel ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit", so die Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Ziel sei "eine größtmögliche Weiterverwertung des Rasens, um diesen in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen und gleichzeitig die lokale Fußballkultur zu fördern". Konkret werde beispielsweise geprüft, ob die elf Mini-Spielfelder, die zur WM 2006 in der Stadt entstanden, mit einem Teil des Rasens belegt werden können.

Beitrag von Jonas Bürgener

5 Kommentare

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  1. 5.

    Ick mag dit Bärchen.
    Er sollte Robääärt heißen!

  2. 4.

    Ja,ich muss Ihnen mal im Großen und Ganzen beipflichten. Fußball,der Bockwurst-Bier Fußballballfan ist schon eher von schlichter Gemüt ,ärgert sich (im Falle von Hertha) jedes Wochenende und ist Bundes-aber mindestens Vereinstrainer....und hat DIIEE AHNUNG. Prost!

  3. 3.

    Zitat: "Um was geht es? Um Sport ganz sicher nicht. Zumal Fußball für mich kein Sport im eigentlichen Sinne ist. Alkohol, Pyrotechnik, Straftaten . . ."

    Dass der DFB mit mehr als 7.000.000 Mitgliedern der größte nationale Sport-Fachverband der Welt ist, haben Sie als "Sportlerin" aber schon irgendwo am Rande mal mitbekommen? Und dass die zur EM erwarteten 2.000.000 Besucher die Ausgaben der Stadt Berlin mehr als wett machen werden, bedarf nicht mal einer Milchmädchenrechnung. Ihre Steuergelder sind also gut angelegt, werte Frau Sportlerin.

  4. 2.

    "Sportlerin" sind Sie wohl nur durch den selbstgewählten Nicknamen....sonst hätten Sie schon mal von "Fairness" und "Toleranz" gehört. Fussball IST Volks- und Breitensport und nur weil Sie das nicht mögen, soll das nicht sein? Es wurde auch viel Geld in die Hand genommen, um z. B. das Olympiastadion für Leichtathletik umzubauen..

  5. 1.

    Um was geht es? Um Sport ganz sicher nicht. Zumal Fußball für mich kein Sport im eigentlichen Sinne ist. Alkohol, Pyrotechnik, Straftaten gibt es in der bekannten Form und Menge nur hier.
    Und der Artikel zeigt in kleiner Weise auf, es geht nur um Ökonomie, die Vermarktung, um Gewinne.
    Und auch das gehört dazu. Für die deutsche Truppe gilt, aktuell ist anhaltend kein einziges Idol da oder am Horizont zu sehen. Und für Touristen muss man keine Steuergelder ausgehen.

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