Interview | Navigator Timo Gottschalk vor der Rallye Dakar - "Das wird ein Tanz auf Drahtseilen"

Do 04.01.24 | 19:23 Uhr
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Ein Toyota Hilux DKR bei der Rallye Dakar im Jahr 2023 (imago images/Cover-Images)
Bild: imago images/Cover-Images

Der Brandenburger Timo Gottschalk startet am Freitag zum 16. Mal in die berühmte Rallye Dakar. Im Interview berichtet der Navigator, wie sich das Rennen durch die Wüste über die Jahre verändert hat und worauf es dieses Mal ankommen wird.

rbb|24: Herr Gottschalk, der Start der 46. Ausgabe der berüchtigten Rallye Dakar durch Saudi-Arabien steht unmittelbar bevor. Seit wann befinden Sie sich schon vor Ort?

Timo Gottschalk: Ich bin direkt am 1. Januar losgeflogen und seitdem hier. Die Tage jetzt sind immer die Tage der Vorbereitung. Man testet, es gibt eine technische Abnahme und man braucht auch ein bisschen, um sich selbst zu sortieren.

Zur Person

Rallye-Navigator Timo Gottschalk (imago images/PanoramiC)
imago images/PanoramiC

Timo Gottschalk wurde am 28. August 1974 in Neuruppin geboren. Er lebt in Rheinsberg und ist Rallye-Navigator. Sein größter Erfolg war der Sieg bei der Rallye Dakar 2011 mit dem Fahrer Nasser Al-Attiyah. Bei der letzten Auflage wurde er mit Lucas Moraes Dritter. Nun geht er zum 16. Mal bei der berühmtesten aller Rallyes an den Start.

Es gab also viel zu tun, bevor es in den nächsten zwei Wochen mehr als 7.000 Kilometer quer durch die Wüste geht. Hatten Sie trotzdem etwas Zeit, die letzten autofreien Tage noch einmal ein wenig zu genießen, bevor der Toyota das neue Zuhause wird?

Es war schon schön, zwischendurch mal ein paar Tage zuhause zu sein und nicht im Auto sitzen zu müssen. Aber so viel Zeit war es dann auch nicht. Vor zwei Wochen sind wir unsere letzte Rallye gefahren, dadurch war es eher ein fließender Übergang. Ich war froh, ein ruhiges Weihnachten verbracht zu haben und seit Ewigkeiten mal wieder Silvester zuhause in Brandenburg bei der Familie gewesen zu sein. Die Jahre zuvor war die Abreise meistens bereits vor dem Jahreswechsel.

Worauf wird es in den ersten Etappen ankommen, um einen guten Start zu erwischen?

Die Leistungsdichte ist inzwischen sehr groß. Es gibt so viele Titelanwärter, dass man von Anfang an Vollgas geben muss, um nicht direkt den Anschluss zu verlieren. Wir wissen bereits jetzt, dass die ersten drei Tage wegen viel Geröll und Steinen recht schwierig werden. Da kann man schon viel Zeit verlieren, aber eben auch gutmachen. Wir müssen mit Köpfchen fahren, dürfen nicht übertreiben und müssen hier und da auch mal ein bisschen zurückstecken. Das wird ein Tanz auf Drahtseilen.

Die richtige Route kennen wir vorher nicht. Wir fahren blind drauf los.

Timo Gottschalk über die Vorbereitung

Als Navigator wird es Ihre Aufgabe sein, den saudischen Fahrer Yazeed Al-Rajhi durch die sandigen Weiten zu führen. Im letzten Jahr taten Sie das bereits erfolgreich für den Piloten Lucas Moraes und wurden am Ende gemeinsam mit ihm Dritter. Kennen Sie also schon die beste Route?

Die Route ist jedes Mal anders, auch wenn wir im selben Land sind. Wir haben zwar eine Idee, welches Territorium an welchem Tag befahren wird, wie viel Sand und Steine es gibt und welche Besonderheiten auf uns warten. Die richtige Route kennen wir aber vorher nicht. Da fahren wir blind drauflos und müssen uns auf das sogenannte Roadbook verlassen, dass wir am Tag der Etappe vom Veranstalter bekommen und uns Hinweise zur Strecke gibt. Trotzdem habe ich ein Gefühl für Landschaften und weiß, worauf man am meisten aufpassen muss. Am Ende kann man die Rallye Dakar aber auch nicht ohne ein Quäntchen Glück gewinnen. Und das haben wir hoffentlich.

Haben Sie während der Rallye abends auch mal die Chance, aus der Wüste zuhause in Rheinsberg anzurufen und Bescheid zu geben, dass alles okay ist?

Wir haben eine Chatgruppe mit Familienmitgliedern und Freunden, in der es jeden Tag Updates von mir gibt. Mit dem engsten Familienkreis habe ich während der Rallye aber auch mehr Kontakt, da gibt es dann abends schonmal einen Videoanruf. Da muss man sich einfach die Zeit für nehmen.

Sie starten bereits zum 16. Mal bei der prestigeträchtigen Rallye. Wie hat sich das Event über die Jahre verändert?

Meine erste "Dakar" war 2007. Damals sind wir diese noch in LKWs gefahren, das war etwas völlig anderes. Seit 2009 saß ich dann im Auto. Da war es für die Beifahrer noch ganz anders, weil die Roadbooks noch aus Papier waren und wir diese am Abend vor den Etappen bekommen haben. Da hat man dann oft die ganze Nacht gesessen und versucht zu verstehen, wo es am nächsten Tag lang geht. Die Nächte waren enorm kurz. Jetzt haben wir die Roadbooks auf Tablets und bekommen diese erst direkt vor dem Start der Prüfung. Wir haben also überhaupt keine Vorbereitung mehr und fahren ins Blinde. Dafür haben wir abends mehr Ruhe.

Ursprünglich führte das Rennen über den afrikanischen Kontinent. Wegen Sicherheitsbedenken fand es dann eine Weile in Südamerika statt und seit 2020 führt die Strecke ausschließlich durch Saudi-Arabien. Sind die Bedingungen überall unterschiedlich, oder ist Wüste eben Wüste?

Sowohl als auch. Afrika war viel Wüste und wenig grün. In Saudi-Arabien ist das noch extremer. Hier sieht man nur selten mal einen Baum. Südamerika war hingegen ein ganz anderes Farbenspiel. Ich fand das von der Landschaft am schönsten. Es gab dort einen Wechsel zwischen Wüste, Einöde, Steppe und richtig grünen Wäldern und Wiesen. In Bolivien waren wir auf 3.000 Metern mitten im in der grünen Natur, das war landschaftlich schon interessanter.

Verändert haben sich auch die Fahrzeuge. Am Freitag starten sie in einem modernen und robusten Auto. Zu Beginn Ihrer Karriere bestritten Sie Rallyes noch in einem Trabant 601. Wie war das damals?

(lacht) Das war meine wilde Sturm-und-Drang-Zeit. 1995 habe ich gemeinsam mit einem Freund an meiner ersten Rallye in einem selbst aufgebauten Trabant teilgenommen. Da haben wir alles selbst zusammengeschraubt. Das war damals noch mehr Hobby und kleine Rallyes über 30 Kilometer. Aber so ging es eben los.

Du kannst mit 130 Km/h über Stock und Stein rasen, ohne das etwas kaputt geht. Und das täglich über 300 oder 400 Kilometer.

Timo Gottschalk über die modernen Rallye-Autos

Was kann ihr heutiger Toyota Hilux DKR besser?

Er ist vor allem viel schneller und widerstandsfähiger. Du kannst mit 130 Km/h über Stock und Stein rasen, ohne das etwas kaputt geht. Und das täglich über 300 oder 400 Kilometer.

Wie sehen Sie die Zukunft der Rallye Dakar? Muss sich das Event – auch unter ökologischen Gesichtspunkten – in den kommenden Jahren verändern?

Da tut sich schon sehr viel. Die Veranstalter haben begriffen, dass man den ökologischen Aspekt beachten muss, um zukunftsfähig zu sein. Audi ist seit drei Jahren mit einem Hybridauto dabei. Und es gibt mittlerweile auch viele andere Projekte, zum Beispiel mit Wasserstoff. Das geht gerade sehr voran und Wasserstoff ist auch langstreckentauglich. Für solche Prototyp-Fahrzeuge gibt es mittlerweile sogar eine extra Wertung. Außerdem fahren viele bereits mit ökologisch hergestelltem Sprit, der einen besseren CO2-Fußabdruck hat. Genau in diese Richtung muss es auch weiter gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 04.01.2023, 21:45 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Habe ich gelesen, aber was soll das alles? Es kann wirklich nicht als Sport bezeichnet werden

  2. 8.

    @2-6 Da habt ihr ja alle versucht Deborah das etwas näher zu bringen, hoffentlich liest und versteht sie es auch:-) Man kann sich doch mal für andere freuen und unbekannte Dinge annehmen. Ich jedenfalls wünsche Timo viel Erfolg und Spaß dabei und wenn es top läuft natürlich auch den Sieg!! Zumal ich 'fast' aus seiner Heimat komme und am gleichen Tag Geburtstag habe.

  3. 7.

    In Mittel- und Westeuropa gibt es keine für Marathonrallyes geeigneten Landschaften in der erforderlichen Ausdehnung.

  4. 6.

    Das ist ja die "Rallye Dakar", die fand noch nie in Europa statt. In Europa haben wir die Rallye Croatia, zum Beispiel.
    Sie müssen das ja nicht verstehen, aber manche Menschen lieben den Motorsport, wie andere den Fußball.
    Und Sport ist das ganz sicher, Sie können ja mal mitkommen. Entweder schwitzen Sie oder Sie kotzen :-)

  5. 5.

    In Mittel- und Westeuropa gibt es keine geeigneten Landschaften für Marathonrallyes in der erforderlichen Ausdehnung.

  6. 4.

    Bevor man unreflektiert meckert, sollte man a) den Beitrag nochmal lesen und b) selbst sich informieren. Die Dakar hatte NIE in Europa die Heimat. Zudem gibt es in Europa und auch in Deutschland viele Rallye-Veranstaltungen. Das wüssten Sie, wenn Sie sich für das Thema Rallye interessieren. So sollte man vielleicht bei Nichtwissen einfach schweigen und erstmal lernen.

  7. 1.

    Das kann wirklich nicht als Sport bezeichnet werden, was soll das ganze überhaupt?

    Darf wohl auch gar nicht in Europa stattfinden, aber warum???!

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