Kommentar | Übergriffe auf Journalisten in Cottbus - Wir sind kein Sprachrohr

Mi 22.12.21 | 21:14 Uhr | Von Andreas Rausch
Eine Demonstrationsteilnehmerin trägt ein Schild, auf dem Corona-Schutzverordnungen und ein "Impfzwang" kritisiert werden. (Bild: dpa/Frank Hammerschmidt)
Bild: dpa/Frank Hammerschmidt

Bei einer Demo gegen Corona-Maßnahmen in Cottbus wurde zur Jagd auf ein rbb-Team aufgerufen, ein Kollege ist in einem Restaurant unerwünscht wegen seiner Arbeit. Doch wir Journalisten werden weiter berichten, kommentiert Andreas Rausch.

Journalisten werden häufig als unangenehme Menschen empfunden. Das liegt an ihrem Beruf. Denn guter Journalismus muss auch weh tun, wenn er sich selbst ernst nimmt. Wenn er Wahrheiten ausspricht, einordnet, Politikern auf die Füße tritt, sich Mehrheitsmeinungen nicht anpasst - oder lautstarken Minderheiten aus lauter Opportunismus. Kritischer, unabhängiger Journalismus gehört zur DNA einer Demokratie, wie wir sie haben. In Cottbus haben einige ein Problem damit.

Am vierten Adventswochenende wurde während einer Demonstration in Cottbus zur Jagd auf ein rbb-Kamerateam aufgerufen. Der Mob bedrängte meine Kollegen, versuchte sie einzuschüchtern und bei ihrer Arbeit zu behindern. Es ging bei der Demo eigentlich um Kritik an den Corona-Maßnahmen im zweiten Pandemie-Winter im Land, mehr als 4.000 Menschen waren dafür zusammengekommen - viele darunter, die Bedenken haben, Ängste. Menschen, die sich in ihrer persönlichen Freiheit unzulässig beschnitten sehen, skeptisch gegenüber Impfstoffen sind.

Sie haben ihren Job gut gemacht

Das müssen Journalisten ernst nehmen, darüber müssen Journalisten berichten. Sie müssen auch darüber berichten, wer diese Demonstrationen organisiert und welche Absichten noch dahinter stecken. Wenn sie feststellen, dass die Proteste - wie auch in Cottbus - orchestriert werden von Menschen, denen die Corona-Ängste willkommener Anlass sind, gegen das System zu mobilisieren - ein System, das sie besser heute als morgen gestürzt sehen wollen - dann hat das plötzlich wenig mit der Pandemie zu tun und muss ganz klar benannt werden - von uns Journalisten. Das haben meine Kollegen getan, das ist ihr Job. Und sie haben ihn gut gemacht.

Gestern nun wurde einer meiner Kollegen in einem Cottbuser Restaurant nicht bedient: erste Lage, renommierter Laden, mitten im Zentrum. Er bekomme hier nichts, wurde ihm bedeutet, wegen seiner Berichterstattung zum Demonstrationsgeschehen. Ein Journalist bekommt Lokalverbot, weil er seine Arbeit getan hat. Das muss man erstmal sacken lassen.

Was ist hier los?

Wenige Meter weiter in einer anderen Gastro-Einrichtung werden Besucher angepöbelt, weil sie eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen - was dort sonst niemand tut - weil sie sich an die Pandemie-Regeln halten. In Senftenberg weist ein Restaurant seine Gäste schriftlich darauf hin, dass hier auch "Entwurmte" bedient würden und man sich per Hausrecht jedwede Corona-Kontrollen verbitte. Was ist hier los?

Es erinnert mich fatal an 2017/2018. Damals mobilisierte der rechtsextreme Verein "Zukunft Heimat" nach mehreren Übergriffen von migrantischen Jugendlichen auf Deutsche - und umgekehrt - Tausende zu Demonstrationen in Cottbus. rbb-Journalisten wurden auf offener Straße beschimpft, bespuckt, bedroht, weil sie ihre Arbeit machten - damals wie heute. "Sie beschädigen das Image der Stadt und stellen uns in eine rechte Ecke", warfen uns in dieser Zeit selbst renommierte Vertreter der Stadtgesellschaft vor.

Als wir eine TV-Debatte um die Vorgänge führten, kamen ebenso scharfe Vorwürfe aus dem anderen politischen Spektrum: Man dürfe nicht mit Rechtsextremen reden. Wir haben das damals ausgehalten. Wir haben unsere Arbeit gemacht. Und wir werden das auch heute weiter tun. Weil wir keine Werbebotschafter sind, keine Sprachrohre von irgendjemandem.

Pressefreiheit ist Gift für Diktatoren

"Frieden, Freiheit, keine Diktatur": So rufen es die Demonstranten auch in Cottbus seit Wochen bei ihren Zügen durch die Stadt. Das Wesen einer Diktatur sind unter anderem gesteuerte Medien. Es darf nur das veröffentlicht werden, was dem Diktat nützt. Wie das hierzulande bis 1989 jeder geistigen Entfaltung die Luft abgedrückt hat!

Pressefreiheit ist Gift für Diktatoren - und sie ist essenziell für die Demokratie, mit all ihren Fehlern und Missständen. Journalisten sind dafür da, auf diese Fehler und Missstände hinzuweisen. Das ist der Grund, warum wir uns weiter kritisch auseinandersetzen werden: mit der Corona-Politik, mit den Missständen in unserem Gesundheitssystem, mit den Wirkungen von Impfungen - und den Nebenwirkungen, mit den rechten Rattenfängern und ihren Mitläufern. Weil das unser Beruf ist.

Und was macht mein Kollege, der des Restaurants verwiesen wurde? Für den koche ich heute Abend. Weil man sich in diesen Zeiten auch mental zuweilen boostern muss.

Sendung: Inforadio, 22.12.2021, 18:30 Uhr

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Beitrag von Andreas Rausch