Entscheidung des Bundestags - Alte Bergbauflächen sollen schneller für Wind- und Solaranlagen genutzt werden

Fr 02.12.22 | 12:04 Uhr
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Windkraftanlagen im Umfeld eines Tagebaus
Audio: Antenne Brandenburg | 02.12.2022 | Hanno Geduldig | Bild: imago stock&people

Nach einer Bundestagsentscheidung sollen auf ehemaligen Tagebauflächen bald leichter Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden können. Die Leag hat darauf gewartet und will nun in der Lausitz ein Großprojekt umsetzen. Doch es gibt auch Kritik.

Der Aufbau von erneuerbaren Energien, etwa Windkraft- oder Solaranlagen, auf ehemaligen Tagebauflächen soll künftig deutlich schneller gehen. Der Bundestag hat am späten Donnerstagabend eine entsprechende Gesetzesänderung für ein vereinfachtes Baurecht verabschiedet. Der Bundesrat muss dem aber am 16. Dezember noch zustimmen.

Die Mitglieder der Ampelkoalition und die Linke stimmten kurz vor Mitternacht für die Einführung des Paragraphen 249b in das Baugesetzbuch. Das Ziel ist ein schnellerer Ausbau Erneuerbarer Energien. Komplizierte Planungsverfahren für Erneuerbare Energien auf Tagebauflächen sind damit nicht mehr nötig. Begründet wird die Entscheidung unter anderem damit, dass Beschwerden von Anwohnern auf den weitläufigen Flächen nicht zu erwarten sein dürften.

Gesetz als Startschuss für "Gigawatt-Factory"

Der Lausitzer Tagebau- und Kraftwerksbetreiber Leag hat nach eigener Aussage auf diese Entscheidung gewartet und begrüßte sie am Freitag in einer Mitteilung ausdrücklich. Bis 2030 will das Unternehmen eine sogenannte "Gigawatt-Factory" aufbauen. Erst das neue Gesetz ermöglicht eine Einhaltung des ambitionierten Zeitplans. "Gemeinsam mit den Ländern können wir jetzt den Turbo bei der Umsetzung unseres Projektes Gigawatt-Factory anwerfen" so ein Sprecher am Freitag. Laut den Plänen sollen auf einer Fläche von insgesamt 33.000 Hektar große Wind- und Solarparks entstehen, die eine Gesamtleistung von sieben Gigawatt liefern sollen.

Das entspreche der Leistung, die aktuell von der Leag durch Verstromung der Braunkohle produziert werde. Die Leag will nach eigenenen Angaben so zum größten Zentrum erneuerbarer Energien in Deutschland werden. Den Angaben zufolge könnten vier Millionen Haushalte so mit grünem Strom versorgt werden.

Auch die Leag begründet das Vorhaben damit, dass die Flächen "konfliktarm" zur Stromproduktion genutzt werden könnten. Naturschutz, Anwohner und die Umwelt würden kaum beeinträchtigt.

Grüne Liga befürchtet Marktverzerrung

Kritik kommt hingegen aus der Kommunalpolitik und von Umweltverbänden. Noch vor Verabschiedung des Gesetzes erklärte die Grüne Liga, dass auch bei der Ausweisung von Wind- und Solarflächen auf Tagebaukippen die Anwohner beteiligt werden sollten. Zudem befürchtet der Verband nach eigener Aussage eine Marktverzerrung zugunsten der Leag. "Die Tagebauflächen müssen für andere Erneuerbare-Investoren jenseits von Leag und Mibrag geöffnet werden, um Marktverzerrungen zu vermeiden. Dazu wäre die Überführung der Flächen in eine öffentliche Stiftung der richtige Weg", sagte Rene Schuster von der Grünen Liga.

Zudem sei die Nutzung der Tagebauflächen keinesfalls "konfliktarm". Zuvor seien in jahrelangen Planungsprozessen Braunkohlepläne und damit die Bedingungen zur Nutzung der Flächen erarbeitet worden. Diese würden auch eine vielfältig nutzbare Folgelandschaft einschließen, die nun über Nacht abgeschafft worden sei, heißt es vom Umweltverband. Die Grüne Liga erklärte weiter, dass zudem die Planungshoheit der Kommunen und der zuständigen Regionalplanung eingeschränkt werde.

Weniger Akzeptanz für Erneuerbare Energien

Auch der Lausitzer Kommunalpolitiker Andreas Stahlberg (Grüne) hat sich mit einer Stellungnahme an den Bundestag gewandt. Stahlberg ist Kreistagsabgeordneter im Landkreis Spree-Neiße, sitzt im Braunkohleausschuss des Landtags und im Vorstand der Regionalen Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald. Die Annahme, dass die Tagebauflächen "konfliktfrei" nutzbar seien, deute "auf einen Bundesfernblick und mangelnde Kenntnis der örtlichen Betroffenheit" hin, so Stahlberg.

Stahlberg bemängelt etwa, dass die Flächen in der Hand der Braunkohlekonzerne bleiben würden. Die zu DDR-Zeiten gegen ihren Willen enteigneten ursprünglichen Flächenbesitzer hätten damit weiter keine Chance, ihre Flächen zurückzubekommen. Auch Stahlberg kritisiert die eingeschränkte Planungshoheit der Kommunen und dass Großkonzernen wie der Leag die Möglichkeit gegeben wird, Monopole im Bereich der Erneuerbaren Energien aufzubauen. Dieser Wirtschaftszweig sei bisher mittelständisch geprägt.

Diese Punkte könnten, so Stahlberg, für eine sinkende Akzeptanz von Erneuerbaren Energien in der Region sorgen. Dabei hätten sich die Kommunen in der Region zuletzt selbst für den Ausbau der Erneuerbaren stark gemacht. Dieses Engagement sei nun gefährdet, so Stahlberg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.12.2022, 10:30 Uhr

35 Kommentare

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  1. 35.

    Die Idee ist wohl weder neu noch ursprünglich von Herrn Habeck, wie Sie ja selbst beschreiben.
    Rechenübung?
    1 Mio Autos nachts an der Wallbox 2kW rückspeisen macht 2GW. Auf 20% meines Ladestands könnte ich ohne Schmerzen über Nacht verzichten, macht 5 Stunden rückspeisen. Andere Zahlenbeispiele kann sich jeder der in der Schule nicht immer Kreide holen war selbst zusammenrechnen.
    Ein Baustein von sehr vielen der sinnvoll aufgebaut ein Teil der Lösung sein kann und vielleicht (sicherlich) auch wird. Die eine Lösung für das große und ganze wird es nicht und das ist gut so. Erleben wir doch derzeit was große singuläre Lösungen für Probleme machen können.
    Warum haben so viele Leute Angst vor der Zukunft und den Aufgaben und wollen lieber Teil des Problems und nicht der Lösung sein?

  2. 34.

    Die Idee ist nicht neu, sondern schon seit etlichen Jahren immer wieder mal im Gespräch.

  3. 33.

    Das "Zehnfache von Berlin" ist bei Ihnen wieviel? Laut Netzagentur erzeugten konventionelle Kraftwerke (Kohle, Edgas) in den vergangenen vier Tagen 82 Prozent des deutschen Stroms. Aktuell ist Deutschland zweitgrößte Klima-Dreckschleuder in Europa.

  4. 32.

    Herr Habeck hat eine neue Idee, den Strom der Erneuerbaren zu speichern. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ schlägt Habeck vor, E-Autos für die Stromspeicherung zu verwenden. "die Energie aufnehmen, zum richtigen Zeitpunkt wieder ins Netz einspeisen und dafür Geld bekommen“. Ein grobes Mengengerüst, wieviele E-Autos dann bei Bedarf stillstehen müssten, weil der Strom anderweitig benötigt wird, hat Herr Habeck nicht vorgelegt. Überschlägig hat dies Professor Sinn vor fünf Jahren gemacht, das Ergebnis, die Idee ist schlicht Humbug.

  5. 31.

    "lt. RBB seit zehn Jahren in Berlin der EE Anteil bei der Stromerzeugung im einstelligen Prozentbereich. Grund: Deutschland ist nicht idealtypisch für Wind und Sonne begünstigt"
    Neben der sehr vereinfachten Interpretation der Statistik durch den rbb ist auch Ihre Ursachenforschung falsch.
    Weil Berlin seit Jahren die Energiewende verschlafen hat, hat Berlin zu wenig Anteil an EE-Strom.
    Deutschlandweit liegen die Anteile schnell mal beim 10fachen dessen was Berlin auf die Reihe bekommt. Diesbezüglich von Berlin auf Deutschland rückschließen ist völlig unsinnig.
    Auch wenn man den "Nachteil" Stadt und wenig freie Fläche berücksichtigen sollte, ist Berlin nicht gerade als deutsche Vorzeigestadt für zukunftsfähige Energiewirtschaft bekannt. Wenn die Berliner Wasserbetriebe und ihre Kläranlagen auf brandenburgischem Boden nicht wären, würde es für Berlin diesbezüglich noch trauriger aussehen.

  6. 30.

    Es geht nicht um wegnehmen, sondern den Anteil den auch andere EE-Erzeuger an die umliegenden Gemeinden abführen und auch lokale Projekte unterstützen.
    Der LEAG darf kein Wettbewerbsvorteil entstehen nur weil sie und ihre Vorgänger vorher die Landschaft zerstört haben und somit nun Zugriff auf Flächen haben an die eben kein anderer rankommt. Das kann man durch entsprechende Abgaben regulieren.
    Nicht immer gleich Ihre Lieblingskeule "Zuteiler" schwingen.
    Die sonstigen Zuteiler sind auch Bürgermeister in entlegenen Dörfern, die kaum andere Chancen auf eigene Einnahmen haben als EE-Betreibern etwas aus der Tasche zu leiern.

  7. 29.

    Binäres Denken?
    So wie wir Tage haben an denen wir die Gas und Kohlekraftwerke benötigen, haben wir Tage an denn wir alle fossilen Kraftwerke abschalten könnten. Und nun?
    Natürlich ist es eine Generationenaufgabe die noch viel Zeit und viele Anstrengungen kosten wird.
    Ich habe ausser in Kommentaren wir Ihren noch nirgendwo gelesen, dass jemand plant diese Energiewende sofort und mit links umzusetzen. Daher verstehe ich dieses Gefasel absolut nicht.
    Sie scheinen etwas von Energiewirtschaft zu verstehen, schreiben hier aber immer wieder polemischen Unsinn, der nix mit der Realität oder den Plänen zu tun hat.
    Und ja wir werden große Speicher benötigen aber wirtschaftlich betretbar erst ins inigen Jahren wenn immer häufiger saubere Überschussenergie vorhanden ist.

  8. 28.

    Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich teile Ihre Ausführungen und hatte lediglich die Völkerrechtlerin zitiert. Auch meine Meinung, Pumpspeicherwerke sind die einzige Möglichkeit, Strom im erforderlichen Umfang und wirtschaftlich mit ordentlichem Wirkunggrad zu speichern. Nur so viele Täler, die dafür geeignet wären, hat Deutschland nicht. Nach meinem physikalischen Verständnis wird es andere Möglichkeiten, den Flatterstrom aus "Erneuerbaren" zu speichern, in absehbarer Zeit auch nicht geben. Den Strom aus EE muss man genau in dem Augenblick nutzen, wo er anfällt. Ist das nicht der Fall, wird er ungenutzt weggeworfen. Auch kommt es vor, dass zur Abnahme von Strom aus EE, der nicht genutzt wird, noch zusätzlich gezahlt werden muss.

  9. 27.

    Wie Sie selber gut wissen ist so ein Windrad im Jahresmittel bei 20-30% Auslastung, je nach Standort. Man braucht also reichlich mehr als bei einer Rechnung mit der Peakleistung rauskommt um den Strombedarf zu decken. Dazu kommen dann noch Verluste durch Speicher und dergleichen. Nicht umsonst werden ein paar Prozent der Landesfläche für regenerative Energien von den Experten gefordert. Davon sind wir noch meilenweit entfernt, man braucht sich also nicht zu wundern, wenn bisher nur ein Teil des Strombedarfs CO2-frei gedeckt werden kann.

  10. 26.

    „Man muss natürlich in dem Fall aufpassen, dass die Allgemeinheit davon profitiert“
    Wie meinen Sie das? Der Landrat sieht das auch so. Was soll er machen? Was machen die sonstigen Zuteiler, die sonst zu gerne wegnehmen? Im Kabinett? Das die Reichen (alle über Mindestlohn) zum schröpfen längst ausgesucht haben. Aber das ist ein anderes Thema.

  11. 25.

    "Das Netzt fungiert als Speicher", Sie haben keine Ahnung.
    Von welchen Speichern schreiben sie, doch nicht etwa die wenigen Pumpspeicher, die wir in Deutschland haben ?
    Das Problem der Großspeicher für erneuerbare Energien ist nach wie vor nicht gelöst.
    Deshalb werden Windräder und Solaranlagen bei zuviel Produktion von Strom abgeschaltet.

  12. 24.

    Sorry. Den Link, wo die Grüne Fachfrau und Völkerrechtlerin ihr spezielles Fachwissen der staunenden Öffentlichkeit unterbreitet hat ist hier:

    https://www.deutschlandfunk.de/kandidatin-fuer-den-parteivorsitz-der-gruenen-ich-bin-100.html

  13. 23.

    Können sich solche Experten irren? "Und natürlich gibt es Schwankungen. Das ist vollkommen klar. An Tagen wie diesen, wo es grau ist, da haben wir natürlich viel weniger erneuerbare Energien. Deswegen haben wir Speicher. Deswegen fungiert das Netz als Speicher. Und das ist alles ausgerechnet. " Hmm, alles Lüge oder was?

  14. 22.

    An "Erneuerbaren" ist kein Mangel, trotz erheblicher steuerlicher Vergünstigungen stagniert lt. RBB seit zehn Jahren in Berlin der EE Anteil bei der Stromerzeugung im einstelligen Prozentbereich. Grund: Deutschland ist nicht idealtypisch für Wind und Sonne begünstigt. Besonders ungüstig verlief deutschlandweit die Stromerzeugung aus EE im Monat November 2022: Durch Dunkelflaute hatte Solar 0 %, fiel also völlig aus, und Wind mit geringen 7 % zum deutschen Strommix beigetragen. Da nun die notwendige grundlastfähige Energieerzeugung wegen des Atomausstieges nur noch überwiegend aus importierter Kohle und importiertem Erdgas (beide zusammen ca. 70 % des deutschen Strommix) wurde Deutschland (neben Polen) in Europa zum größten "Produzenten" von schädlichem CO2.

    https://app.electricitymaps.com/zone/DE

  15. 21.

    Zu wenig?
    Aktuell 130GW installierte PVs/WKAs bei 80GW dt. Maximallast.
    Im aktuellen Lastbild müsste man die EEs mehr als verzehnfachen und könnte dennoch kein Netz fahren.
    Die effektive Speicherung bleibt das elementare Problem.

  16. 20.

    Ja das was man da und auf vielen anderen Energiedatenportalen eindeutig erkennt ist, dass wir zu wenig Erneuerbare Energien am Markt verfügbar und reichlich Möglichkeiten für den Absatz von deren Strom zum Ersetzen von konventionellem Strom haben.
    Man sieht auch gut, dass DEU in der Lage ist z.B. auf die eigenen AKW zu verzichten, spätestens wenn Frankreich seine Unterdeckung im Griff hat. Auf der gleichen Seite zu recherchieren wenn man oben auf die Flagge clickt und z.B. Frankreich auswählt.
    Also ist der Schritt der LEAG zu begrüßen, diesen Mangel an EE zukünftig kleiner zu machen. Insbesondere dort wo die elektrische Infrastruktur im GW Bereich vorhanden ist und auch das Fachpersonal für Energiewirtschaft.
    Man muss natürlich in dem Fall aufpassen, dass die Allgemeinheit davon profitiert genauso wie es andere EE-Betreiber machen müssen.

  17. 19.

    Schauen Sie dann eben beim Fraunhofer Institut, falls Sie der Agora-Lobby nicht glauben.
    Sie werden staunen...
    https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE

  18. 18.

    Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, oder wie?
    Physik lügt nicht.

  19. 17.

    Auch wenn Herr Stahlberg in Teilen recht hat. Wenn erst das Windrad steht und anschließend die Bäume drumrum wachsen, so ist das besser als umgedreht. Aber ohne die Leute vor Ort geht auch das nicht. Die Gefahr der Monopolstellung ist real. Was kann ein Kommunalpolitiker da machen?

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