Neuer Direktor in Eichwalde - Schul-Digitalisierung ist die große Herausforderung

Mi 01.04.20 | 08:45 Uhr | Von Andreas Oppermann
Thomas Willich, Direktor des Humboldt-Gymnasiums Eichwalde (Quelle: privat)
Thomas Willich, der neue Direktor des Humboldt-Gymnasiums in Eichwalde. | Bild: rbb/privat

Thomas Willich hatte nur wenig Zeit. Am 1. Februar wurde er zum Direktor des Humboldt-Gymnasiums in Eichwalde ernannt. Erst waren Winterferien und dann kam die Schließung der Schulen wegen der Corona-Pandemie. Jetzt muss er den Unterricht digital oragnisieren. Für den 53jährigen Historiker, der sich über das Magdeburger Domkapitel im späten Mittelalter promovierte, eine große Herausforderung. Ein Interview von Andreas Oppermann  

rbb|24: Kaum Direktor – und schon in der Corona-Krise. Wie fühlt es sich an, wenn man gerade die Verantwortung für ein Gymnasium übernommen hat und sofort in den Krisenmodus wechseln muss?

Dr. Thomas Willich: Ich bin da hinein geglitten. Es kündigte sich langsam an, dann überschlugen sich die Ereignisse. Dann mussten schnell Entscheidungen getroffen werden. Ich hatte gar keine Zeit, um darüber nachzudenken, wie ich mich fühle. Insgesamt läuft es ganz gut. Natürlich hätte ich die Schule mit all ihren Abläufen gerne kennengerlernt, bevor ich vor solchen Herausforderungen stehe.

Alle Welt spricht jetzt vom digitalen Lernen. Wie ist das Humboldt-Gymnasium da aufgestellt?

Wir warten noch auf die Mittel aus dem Digitalpakt. Noch vor meiner Zeit ist ein Antrag dafür auf den Weg gebracht worden, der bis Ende des Jahres von den zuständigen Ämtern bearbeitet wird. Dann werden unter anderem Baupläne erstellt. Es geht zunächst um grundlegende Fragen der digitalen Infrastruktur. Aber gerade in den vergangenen Tagen sind wir – wie andere Schulen auch - in der Frage der Digitalisierung sehr aktiv geworden. Wir bemühen uns jetzt sehr, mit Office 365 und Teams voranzukommen. Außerdem versuchen wir den digitalen Kontakt zu den Schüler*innen zu intensivieren. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die über Teams Unterricht gehalten haben. Das sind ganz neue Erfahrungen. Ich habe das Gefühl, dass da ganz viel Bewegung hineingekommen ist. Die Wertschätzung gegenüber den Möglichkeiten des digitalen Lehrens und Lernens wächst gerade.

Als neuer Direktor nimmt man doch bestimmt an der einen oder anderen Unterrichtsstunde teil, um das Kollegium und die Schüler besser kennenzulernen. Geht das auch digital?

Ich habe am Donnerstag eine Umfrage bei allen Kolleginnen und Kollegen gestartet, um zu erfahren, wie sie jetzt arbeiten und wie sie den Kontakt zu den Schüler*innen halten. Auf diesem Weg habe ich mir einen Überblick verschafft. Ich muss sagen, das klingt sehr begeistert, was die Digitalisierung angeht. Ich glaube, die Stärke einer Schule liegt jetzt auch in der Vielfalt der Unterrichtsformen. Es gibt Lehrer*innen, die arbeiten mit Lehrbuch und Arbeitsheft, aber es gibt auch Kommunikation per E-Mail mit den Schüler*innen. Diese Mischung ist angebracht. Wir sind dabei die digitalen Möglichkeiten besser auszunutzen. Wir versuchen auf die Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts zu kommen, die für uns sehr geeignet wäre. Ich selbst habe mit einer ähnlich funktionierenden Plattform am John-Lennon-Gymnasium in Berlin gute Erfahrungen gesammelt, vor allem was Kommunikation, Unterricht und Organisation der Schule angeht. Ich bin Historiker und von Hause aus nicht sofort der IT-Begeisterte, aber ich habe damit sehr gerne und effektiv gearbeitet. Diese Möglichkeiten vermisse ich gerade und schaue etwas neidisch auf die Homepage meiner alten Schule, wo ich sehe, wie mit einer seit Jahren etablierten Plattform die aktuelle Situation gemeistert wird. Aber wir sind jetzt hier in Eichwalde auch auf einem guten Weg.

Was ist der konkrete Vorteil für Schüler und Lehrer, wenn nicht nur im Klassenraum, sondern auch digital gelehrt und gelernt wird?

Man kann Schüler*innen mit Materialien versorgen. Man kann sofort Ergebnisse einsehen und Schüler*innen bei der Arbeit beraten. In der aktuellen Situation liegen die Vorteile auf der Hand. Aber auch in der normalen Schulsituation kann man den Unterrichtsverlauf sehr transparent gestalten. Schüler*innen wissen immer, wo wir gerade sind, was gerade bearbeitet wird. Lehrer*innen können problemlos Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellen. Wenn zum Beispiel Schüler*innen fehlen, dann können sie digital nachverfolgen, wasdie Themen im Unterricht waren. Das heißt aber nicht, dass der gesamte Unterricht und das gesamte Lernen digitalisiert werden. Das wäre nicht mein Ziel. Lernen bleibt ein analoger Vorgang. Die Digitalisierung wird auch nicht alle Probleme des Bildungssystems lösen. Aber man kann Abläufe strukturieren und die Kommunikation mit den Schüler*innen einfach und eng gestalten.

Angesichts der Schließung der Schulen wurde heftig über die Abiturprüfungen diskutiert. Wie haben Sie die Debatte wahrgenommen?

Rein organisatorisch haben wir uns hier in Eichwalde sehr schnell darauf verständigt, dass wir es schaffen, die Abiturprüfungen zu absolvieren. Ich kann die Bedenken verstehen, wenn es darum geht mehrere Schüler in einen Rau zu setzen. Aber die nötigen Abstände und Hygienestandards lassen sich einhalten.

Bei Abiturprüfungen sind die Abstände doch eh größer. Abschreiben soll doch unbedingt verhindert werden, oder?

Ja. Wir haben das auch mit dem Zollstock ausgemessen. Das bekommen wir auf jeden Fall hin. Aber wir müssen schon darüber nachdenken, wie wir es nach den Osterferien bei Wiederaufnahme des Schulbetriebs schaffen, die hohen Hygienestandards für Hunderte von Menschen umzusetzen. Das ist eine Herausforderung, die wir mit den zuständigen Ämtern klären werden.

Apropos Hygiene. Schultoiletten sind ein gern beschriebenes Phänomen, wenn es um den Zustand der Schulen geht. Wie ist hierbei die Situation am Humboldt-Gymnasium?

Ich war in den vergangenen Jahren an mehreren Schulen und habe deshalb einen vergleichenden Blick. Die Situation in Eichwalde ist vergleichsweise in Ordnung. Die Schule soll aber Schule saniert werden und auch in diesem Bereich wird es zu Verbesserungen kommen. Wenn die Schule nach Ostern wieder geöffnet wird, werden wir Wasserversorgung und Seife täglich überprüfen, um sofort reagieren zu können. Selbstverständlich benötigen wir auch Desinfektionsmittel.

Was hat Sie persönlich an Eichwalde so gereizt, dass Sie an diese Schule, an der Sie auch schon früher unterrichteten, als Direktor zurückkehren wollen?

Das ist eine alte Anhänglichkeit an meine Herkunftsregion. Ich bin im Berliner Südosten aufgewachsen und da lag Eichwalde immer vor der Tür. Und die Jahre als Lehrer in Eichwalde waren prägend, weil sie direkt auf mein Referendariat folgten. Hier habe ich meine ersten Leistungskurse unterrichtet, hier war ich erstmals Klassenleiter. Da ist eine echte Bindung entstanden. Ich wollte nicht irgendwo Schulleiter werden, sondern nur an einer Schule mit einer solchen Bindung.

Ihre Station zuvor war die internationale John-Lennon-Schule. Was wollen sie davon nach Eichwalde mitnehmen?

Dort gab es drei Leitbegriffe. Erstens Leistungsorientierung. Das bedeutet, dass das Lernen ins Zentrum gerückt wird. Das zweite ist Weltoffenheit. In Zeiten von Corona rückt die leider ins Hintertreffen, aber Schule muss offen sein. Die Schule muss die Welt in die Schule holen und in die Welt hinausgehen. Ich habe auf der John-Lennon ein Schulhof-Konzert von Ed Sheeran erlebt. Ich durfte Yoko Ono kennenlernen und den Mantel von Wim Wenders aufhängen. Das sind Erlebnisse, die bleiben. Und der dritte Schwerpunkt ist das Engagiert-sein im Sinne guter Teamstrukturen bei den Lehrer*innen und von inner- und außerschulischem Engagement der Schüler*innen. Das Alles führt zu einer großen Identifikation mit der eigenen Schule. Das würde ich gern vom "John-Lennon" mitnehmen zum Humboldt-Gymnasium in Eichwalde. Ich würde gern das vorhandene Wir-Gefühl von Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern stärken, damit wir gemeinsam für gemeinsame Ziele und Werte einstehen.

Das Humboldt-Gymnasium ist als Schule gegen Rassismus doch weltoffen?

Ja, aber das muss immer wieder neu gelebt werden. Auch wenn wir keine rassistischen Vorfälle haben, muss das Thema immer im Blick bleien. Bei den Anschlägen von Hanau habe ich zum Beispiel alle Kolleg*innen gebeten, darüber im Unterricht zu sprechen. Außerdem muss natürlich in Projekten präventiv gearbeitet werden. Am besten indem man den engen Rahmen der Schule verlässt, um mit Menschen anderer Herkunft oder Religionen zusammenzukommen.

Gibt es etwas, was Sie sich von der Bildungspolitik wünschen?

Ich bin ja erst seit wenigen Wochen wieder in Brandenburg. Insofern ist es vielelicht  vermessen, heute schon Wünsche zu äußern. Ich möchte die Digitalisierung mit Unterstützung der Bildungspolitik voranbringen. Aber Schulen brauchen auch Freiheit. Ich wünsche mir, dass Bildungspolitik uns diese Freiheiten lässt.

Und vom Landkreis? Dahme-Spreewald ist für das Gebäude zuständig.

Ich denke, die Sanierung ist in Planung und beim Thema Digitalisierung setze ich auf die Unterstützung des Landkreises.

Und vom Kollegium?

Ich bin hier mit einer großen Warmherzigkeit empfangen worden. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Und wenn sich die Kolleginnen und Kollegen die Offenheit für Veränderungen, die sie in dieser Krisenzeit leben, im normalen Alltag bewahren, dann werden wir gemeisam sicher gut vorankommen.

Beitrag von Andreas Oppermann

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