Neue Burgschreiberin vorgestellt - Franziska Hauser will in Beeskow über Kommunen-Kind in der Großstadt schreiben

Mi 11.01.23 | 14:09 Uhr
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Archivbild: Franziska Hauser stellt am 15.03.2018 auf der Leipziger Buchmesse ihr Buch "Die Gewitterschwimmerin" vor. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: Antenne Brandenburg | 11.01.2023 | Michael Lietz | Bild: dpa/Jens Kalaene

Jedes Jahr bietet Beeskow im Kreis Oder-Spree aufstrebenden Autoren die Möglichkeit für einen kreativen Rückzug an. Ausgestattet mit einem Zimmer auf der Burg und Stipendium im Rücken will sich jetzt Franziska Hauser ihrem neuen Werk widmen.

Zum mittlerweile 30. Mal ist in Beeskow (Oder-Spree) die Stelle der Burgschreiberin besetzt worden. Dabei konnte sich Autorin Franziska Hauser aus Berlin gegen 55 Konkurrentinnen um das Amt durchgesetzen und folgt damit auf Mae Schwinghammer aus Wien. Hausers offizielle Einführung ist am kommenden Freitag. Im Wohngemach der Burg - der sogenannten Kemenate - hat sie sich aber schon jetzt eingerichtet.

Tausche Groß- gegen Kleinstadt

Der Laptop ist bereits aufgeklappt und steht auf dem großen Schreibtisch unter dem Fenster. An der gegenüberliegenden Wand steht ein Bett, dazu noch ein winziges Bad und Küche. Das ist es, was Franziska Hauser für fünf Monate mit ihrer Wohnung im Zentrum Berlins eintauscht. Erste Streifzüge durch die Kleinstadt hat sie auch schon unternommen.

Ihr Eindruck: "Schön leise, wenn man sein Leben lang am Alex wohnt. Früher mochte ich das, aber inzwischen kann ich den Lärm nicht mehr so gut aushalten. Schön dunkel in der Nacht mit Sternen und Mond. Ich bin gestern Nacht nochmal spazieren gegangen und habe mir die Stadt in der Nacht angeguckt und mich sehr gut aufgehoben gefühlt." Friedlich und sicher, wie in einer Hängematte habe sie sich gefühlt. Die ersten Schritte in ihrer neuen Heimat auf Zeit hat sie auch auf ihrem Instagram-Kanal geteilt.

Beeskow als Zuflucht zum Schreiben

Franziska Hauser ist studierte Bühnenbildnerin und Fotografin. Erst spät begann sie, zu ihren Fotos auch Texte zu schreiben. Vier Romane hat sie inzwischen veröffentlicht. Der zweite - "Die Gewitterschwimmerin" - schaffte es 2018 auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. Zeit zu Schreiben habe sie bislang aber immer nur zwischendurch gehabt, sagt Franziska Hauser. Zwischen Kindererziehung und gleich mehreren Jobs blieben häufig nur 20 Minuten.

In der Idylle auf Burg Beeskow soll das nun anders werden, hofft sie und zweifelt zugleich: "Weil ich ja schreibe, um diesem Alltag zu entfliehen, um eine Gegenwelt zu haben, was ja derselbe Grund ist wie beim Lesen. Da frage ich mich natürlich, was ist, wenn ich mit meinem Alltag eigentlich total zufrieden bin, wo kommt der Grund zum Schreiben her? Ich habe ein bisschen die Befürchtung, wenn ich die Parallelwelt gar nicht brauche, weil der Alltag schön ist, vielleicht dann nicht mehr schreiben zu können."

Das Amt der Burgschreiberin ist mit einem Stipendium von 5.000 Euro verbunden. Finanziert wird das von der Stadt Beeskow und dem Landkreis, als "Ausdruck des Kulturwillens der Bevölkerung und in der Absicht, Literatur und Publizistik als Mittel zur Verständigung zu fördern", heißt es in der Burgschreiberinnen-Richtlinie.

Chronik der Beeskower Eigenheiten

Im Gegenzug ist Engagement in der Region erwünscht, sagt Burg-Direktor Arnold Bischinger: "Wir vergeben ja ein Stipendium. Das heißt, die Stipendiatinnen sind vollkommen frei in ihrem künstlerischen Schaffen. Wir haben allerdings Erfahrungen sammeln können, weil die Leute ja nicht irgendwohin kommen. Und das führte dazu, dass in den vergangenen Jahren immer wieder sogenannte Burgminiaturen verfasst wurden: beiläufige, kurze Abhandlungen, was so passiert ist, auffällt und einfach lohnenswert ist, festgehalten zu werden." Die Berichte werden dann meist auch bei der Abschlussvorlesung vorgetragen, bei dem die Beeskower laut Bischinger auch mal einen Spiegel vorgehalten bekommen, mit oft vergnüglichen Resultaten.

Zeit für Fiktion

Franziska Hauser will in den kommenden fünf Monaten vor allem an ihrem nächsten Roman schreiben. Nichts Autobiografisches soll es mehr sein, sondern komplett frei erfunden, erzählt sie: "Da gehts um eine junge Frau, die in einer Kommune aufwächst, aber ein bisschen vernachlässigt ist. Sie haut dann in die Stadt ab und kommt nicht klar, weil sie alle Sachen, die andere für normal halten, überhaupt nicht kennt. Ich weiß noch nicht, ist so ein bisschen Forschungsauftrag, mal gucken, wie es ihr so ergeht."

Antritts-Vorlesung am Freitag

Franziska Hauser jedenfalls scheint es in Beeskow erst einmal gut zu gehen. Auf der Treppe ihrer kleinen Wohnung stand schon am ersten Morgen ein Glas selbst gemachte Wild-Pfirsich-Marmelade. Beeskow freut sich offenbar auf die neue Burgschreiberin, und sie freut sich auf die Provinz: "Es ist, als ob ich hier schon immer wohne. Ich glaube, dass ich mich drei Monate so darauf gefreut und mich schon innerlich darauf eingestellt habe, dass ich jetzt einfach schon da bin."

Die Freude will Franziska Hauser dann auch am Freitag, um 19 Uhr bei ihrer Antrittslesung als Burgschreiberin teilen. Dort gibt die Autorin Auszüge aus ihrem im Mai erschienenen Roman "Keine von ihnen" zum Besten. Anschließend wird sie auch dem Publikum ihr neues Romanvorhaben vorstellen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.01.2023, 14:10 Uhr

Mit Material von Michael Lietz

1 Kommentar

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  1. 1.

    Nicht schlecht. Noble Geste der Stadt.
    Wie ist das geregelt.... mit den Rentenpunkten?

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