Zeitzeugen zum Ende des Zweiten Weltkrieges - "Krieg ist keine Sache, die etwas bewältigen kann. Krieg bringt nur Elend."

Fr 06.05.22 | 17:24 Uhr
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Zeitzeugen im Zweiten Weltkrieg Horst und Christa Fichtmüller aus Angermünde
Bild: rbb

Seit 77 Jahren ist der Zweite Weltkrieg vorbei. Ein Ehepaar aus Angermünde hat das Kriegsende im Kindesalter miterlebt. Doch der russische Krieg gegen die Ukraine ruft alte Erinnerungen wach und sorgt für Unverständnis.

Der Zweite Weltkrieg gilt als größter und verlustreichster Konflikt der Menschheitsgeschichte. Vom deutschen Boden ausgehend, hatte er in nur sechs Jahren weltweit rund 60 Millionen Menschen das Leben gekostet. Am 8. Mai 1945, also vor mittlerweile 77 Jahren, fand der Krieg ein Ende und wird seitdem in verschiedenen europäischen Ländern als Tag der Befreiung vom Faschismus gefeiert.

"Es waren furchtbare Bilder"

Horst Fichtmüller war damals gerade einmal elf Jahre alt und ist in Kloster Zinna in Jüterbog (Teltow-Fläming) aufgewachsen. Seine Frau Christa war zum Ende des Krieges sechs Jahre und wohnte in der Nähe des Liebenwalder Ortsteils Bischofswerder (Oberhavel). Das damals Erlebte hat bei beiden Spuren hinterlassen. Christa Fichtmüller erzählt: "Es waren furchtbare Bilder. Denn die Leichen und toten Tiere, die habe ich selber gesehen. Die toten Menschen und die toten Tiere die rechts und links am Straßenrand lagen. Und auch die vom Krieg zerstörten Gebäude."

An die letzten Kriegstage könne sie sich noch genau erinnern. Denn auf der Flucht sei sie mit dem Leben davongekommen. "Ich erinnere mich an die pausenlosen Lautsprecherdurchsagen, in denen es hieß: Die Zivilbevölkerung wird gebeten, sich so schnell wie möglich über die Elbe zu begeben. So lange wird der Osten gehalten."

"Ich dachte mir in meiner Naivität, dass die Menschen etwas gelernt haben"

Seit den 1960 Jahren lebt das Ehepaar in der Uckermark bei Angermünde. Sie als Landärztin und Horst Fichtmüller als Landpfarrer. Mit einem Krieg wollten sie nie wieder in Berührung kommen. Doch die Zeit habe sie mit Beginn des Angriffskrieges in der der Ukraine eingeholt. "Es bedrückt mich natürlich, dass Krieg ist. Krieg, der uns nicht unmittelbar betrifft, aber uns vielleicht einmal betreffen kann. Immerhin hat Putin ja gesagt, wir haben Atomwaffen. Aber damit spielt und droht man nicht. Es ist eine blöde Situation."

Grundsätzlich wolle das Paar aber nicht über die Schuldigen urteilen. Sie hofften, dass der Krieg in der Ukraine ein schnelles Ende nimmt – für die Menschen auf beiden Seiten. "Ich dachte mir in meiner Naivität, dass die Menschen etwas gelernt haben", sagt der heute 88-Jährige. "Krieg ist keine Sache, die etwas bewältigen kann. Krieg bringt nur Elend."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 06.05.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Riccardo Wittig

6 Kommentare

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  1. 6.

    Klassische Täter-Opfer-Umkehr. Sie sprechen also dem Opfer das Recht sich zu verteidigen?
    Putin hat den Krieg angezettelt schon bei Krimanektion und dafür noch belohnt werden? Wie ist den Wertekanon ausgerichtet. Der Aggressor gewinnt? Oder verwehren Sie den Ukrainern das völkerrechtlich festgelegte Recht auf Selbstverteidigung?

  2. 5.

    Ein schöner Text. Und der letzte Satz bringt es absolut auf den Punkt und sollte allen, die unbedingt immer mehr Waffen in die Ukraine schaffen wollen, eine Lehre sein.
    Die beiden haben vollkommen Recht.
    Ein Krieg bringt nur Elend - nichts weiter - auf allen Seiten.
    Vielen Dank an den rbb für diesen Artikel.

  3. 4.

    Da muss ich widersprechen. Die Jungen hören nicht den(nicht die-) Alten zu, die die Nazis loben ,sondern sie hören gar nicht zu. Über die Nazis kann ich wenig sagen, ich kenne nur einen, zu dem habe ich die Beziehung abgebrochen, da er unbelehrbar ist. Man kann sich seinen Umgang ja aussuchen. Meiner war antikommunistisch aber links. Von der SED hatte ich nach 4 1/2 Jahren Haft bei Mielke genug.. Damit entfielen ganz rechts und links. In diesem Sinne habe ich Tochter und Enkel beeinflusst.

  4. 3.

    Lieber Opa Klaus,

    leider liegt es nicht daran, dass die „Nachgewachsenen“ den Alten nicht zuhören, die etwas gelernt haben. Sondern daran, dass sie diejenigen Alten zuhören, die damals nichts gelernt haben und nach dem Krieg über Jahrzehnte hinweg bis heute fleißig weiter Nazi-Ideologie verbreitet haben und verbreiten. Neben vielen anderen Gründen. Ihre Sicht war mir in dem Punkt zu einseitig.
    Mit freundlichen Grüßen

  5. 2.

    " "Ich dachte mir in meiner Naivität, dass die Menschen etwas gelernt haben",

    bezüglich Krieg haben die Menschen nichts gelernt

  6. 1.

    Gelernt haben die Leute schon, aber es sind so viele nachgewachsen, die den Alten nicht glauben oder meinen, es besser zu wissen. Viele, die den Krieg erlebt haben, hätten auch mehr darüber sprechen sollen. Ich schließe mich da nicht aus. Als ich vor einiger Zeit etwas davon aufschrieb, waren meine Enkel sehr erstaunt. Man glaubte ja auch, dass sich das nie wiederholt. Aber leider wurden wir eines Schlechteren belehrt. Ich fürchte, wir hätten auch nichts erreicht.

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