Heizkosten in der Energiekrise - Kalt, kälter, Kirche?

Fr 04.11.22 | 15:20 Uhr | Von Tony Schönberg und Juan F. Álvarez Moreno
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Archivbild:Farbenprächtig zeigt sich der Morgenhimmel am Dienstag (02.01.2007) über der Sankt Marien Kirche im brandenburgischen Beeskow (Oder-Spree).(quelle:dpa/P.Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.11.2022 | Tony Schönberg | Bild: dpa/P.Pleul

Viele Kirchen stehen im Winter vor einem Dilemma: Hohe Energiekosten bezahlen oder ihre Besucher frieren lassen. In Beeskow wollen die Kirchen nun Gottesdienste in kleineren Räumen feiern – die aber wenig beheizt werden. Von T. Schönberg und J. F. Álvarez Moreno

In der kleinen Dorfkirche von Grunow bei Beeskow (Oder-Spree) hängen noch viele Jacken über den Stühlen. Bei fast 18 Grad ist es beim Gottesdienst zum Reformationstag noch sehr angenehm. Im weißen Fachwerkhaus, 250 Jahre alt, stehen langsam die Besucher auf und plaudern miteinander.

Vor ihnen steht die Kirchenpfarrerin, die schon ahnt, dass die Nächte bald kälter werden – und damit auch die Kirche.

Die dünnen Wände des Kirchengebäudes sind lediglich mit Stroh und Lehm isoliert. Die Fußbodenheizung verbrauche so viel Energie wie ein Einfamilienhaus, sagt Hans-Joachim Karas, der für die Temperaturen im Gotteshaus zuständig ist. Die Energiekosten hätten sich aber fast verdoppelt.

Wenn es im Winter zum Frost komme, dann müsse man trotzdem heizen. "Sonst geht hier alles kaputt", sagt er. In einem Winter vor einigen Jahren seien bei minus 25 Grad die Rohre eingefroren.

Gottesdienste sollen in kleineren Räume stattfinden

Soll man im Winter in der Kirche frieren? Die Frage beschäftigt die Kirchen in Beeskow und Umgebung. Hier laufen bereits Planungen, wie man Energie für Strom und Heizung sparen kann. Vielerorts werden die Temperaturen während der Gottesdienste gedrosselt.

"Man muss auf jeden Fall versuchen zu sparen", sagt Claudia Ludwig, Vorsitzende des Gemeindekircherates. Man könne eventuell Infrarotstrahler zur Not einsetzen oder nur die Sitzplätze heizen. Das sei aber eine Frage des Geldes. "Wir haben nur begrenzte Mittel zur Verfügung."

Auch deswegen will Ludwig nach Möglichkeit Gottesdienste in kleineren Kirchenräumen oder gar in Gemeinde- oder Pfarrhäuser verlegen. Doch auch hier wird gespart: "Dort kann man so temperieren, dass man dreiviertel Stunden sitzen kann aber den Wintermantel nicht ausziehen muss“, sagt Ludwig.

Gemeindemitglieder einer Kirche in Grunow.(Quelle:rbb/Tony Schönberg)Die Kirche in Grunow am Reformationstag

Kerzen sind keine Lösung

Etwa zehn Kilometer westlich von Grunow liegt die Beeskower Marienkirche. Das gotische Backsteingebäude aus dem 13. Jahrhundert hat sehr hohe Decken – und entsprechende hohe Heizkosten. Die Pfarrerin Elisabeth Preckel hat schon einen Plan für den Winter: Der große Kirchenraum werde kalt bleiben müssen.

Dafür solle man währen Heizsaison für den Gottesdienst in die kleine Sakristei wechseln, sagt Preckel. "Da reicht eine halbe Stunde vorheizen. Im Südschiff müssen wir vier Stunden vorheizen und wir können die Heizung nicht drosseln," Im Ernstfall müsse man die Gottesdienste im Gemeindehaus feiern. "Damit wir am Ende die Rechnung bezahlen können, wenn sie kommt", sagt die Pfarrerin.

Gegen die Kälte gebe es mehrere Ideen, doch nicht alles sei umsetzbar. "Kerzen sind inzwischen doppelt zu teuer wie vor zwei Monaten. Das ist auch keine Lösung", sagt Preckel. Sie empfiehlt den Kirchenbesuchern, Warmflaschen, warme Kleidung und Decke auf die Beine zu benutzen. Die Gottesdienste könnten auch etwas kürzer werden, so Preckel.

"Wir sind Frieren gewohnt"

Dass man nicht alle Gebäude heizen wird, dafür zeigen viele Gemeindemitglieder Verständnis. Man müsse die beheizten Räume aber dann öfter benutzen, sagt eine Besucherin der Kirche in Grunow, "indem man zum Beispiel Konzerte oder Lesungen durchführt und nicht immer in der großen Kirche in Beeskow". Doch die Älteren in der Gemeinde seien nicht begeistert, sagt ein anderer Mann. "Sie wollen in ihre Kirche."

Auch über Weihnachten wird bereits in den zwölf Kirchen in Beeskow und den umliegenden Dörfern diskutiert. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie sei man schon gewöhnt, Gottesdienste zum Teil draußen zu feiern, sagt Claudia Ludwig vom Gemeindekircherat. "Wir wollen aber dieses Jahr in jeder Kirche Gottesdienst feiern."

Das sieht die Pfarerrin Elisabeth Preckel ähnlich, auch wenn es kalt wird. Früher habe Weihnachten ja in kalten Kirchen stattgefunden. "Wir sind Frieren gewöhnt. Das werden wir dieses Jahr wieder machen", sagt Preckel.

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.11.2022, 14:42 Uhr

Mit Material von Tony Schönberg

Beitrag von Tony Schönberg und Juan F. Álvarez Moreno

9 Kommentare

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  1. 9.

    Früher waren die Kirchen auch voll. Ich bin immer wieder erstaunt, wieviel Wärme eine große Menschengruppe abgeben kann. Heute gehen nur noch wenige Menschen in die Kirche, dafür sind die meisten Kirchen einfach zu groß.

  2. 8.

    Sie beschreiben es hier völlig richtig. Die Kirchen könnten so viel mehr tun als z.B. die Heizung drosseln an solch großen Festtagen. Aber unerlässlicher Reichtum hat immer schon insbesondere die RKK ausgezeichnet. Nehmt den Armen was des Armen ist.

  3. 7.

    .... Soll man im Winter in der Kirche frieren???? Unsere Alt vorderen hatten Jahrhunderte keine Heizung beim Gottesdienst. Und Wärmezentren sind Kirchen auf der ganzen Welt nicht, in Kirchen ist es ständig kalt, Sommer und Winter. Allein der Glaube zählt

  4. 6.

    Fußbodenheizung in der Kirche. Im Rahmen der propagierten Nächstenliebe ein guter Ansatz für eine Wärmestube zu Gunsten von sozial Schwachen, Obdachlosen. Ich meine, dann würde das Heizen Sinn machen.

    @Günther: Zuviel vom dem Zeug kann im Winter auch ganz schnell kalt machen.

  5. 5.

    Was soll das Gemaule? Kirchen hatten über Jahrhunderte keine Heizungen. Wo steht, daß der Anspruch zu erfüllen ist, daß Kirchen mit Backöfen zu verwechseln seien? Typisch, daß sich die verpipelten Mitteleuropäer schon (zu) lange nicht mehr auf Fluchten begeben mussten, dort zählen andere Werte: Wieder einen weiteren Tag überleben.

  6. 4.

    Es könnte sehr warm sein in den Kirchen, wenn die Kirchenfürsten auf einen Teil ihrer sehr guten Gehälter und Altersbezüge verzichten würden. Der Martinstag gäbe einen guten Anlass dafür. Als christlich erzogener Mensch und kultureller Christ, habe ich der Institution Kirche schon vor über 30 Jahren den Rücken gekehrt, weil eine steuerfinazierte Kirche nicht unabhängig vom Staat sein kann. Die Realität beweist es auch täglich.

  7. 2.

    Die Kirche könnte ja Glühwein oder Grog anbieten, macht auch warm!

  8. 1.

    Es ist traurig, dass Kirchen als Orte, die den Menschen Zuversicht, Gemeinschaft, Geborgenheit und Wärme geben, kalt bleiben müssen. Es wäre gut, es gerade dort warm zu haben. Besonders für ärmere Leute, die zu Hause frieren, weil sie sich das Heizen auf „gemütliche“ Temperaturen nicht mehr leisten können.

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