RE1-Strecke nach Frankfurt - Wenn der Weg zur Arbeit in Zeiten von Schienenersatz zur Tortur wird

Di 04.04.23 | 14:31 Uhr | Von Felicitas Montag
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Bahnhofsvorplatz in Erkner. (Foto: Felicitas Montag/rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 03.04.2023 | Felicitas Montag | Bild: Felicitas Montag/rbb

Im 20-Minuten-Takt vom Ostkreuz nach Frankfurt (Oder) und das in rund einer Stunde: Aktuell kann man davon nur träumen. Die RE1-Strecke zwischen Erkner und Frankfurt (Oder) ist derzeit gesperrt. Ein Albtraum! Ein Erfahrungsbericht von Felicitas Montag.

Es ist 8 Uhr morgens in Berlin-Friedrichshain. Ich laufe jetzt noch ein paar Minuten bis zum Bahnhof Ostkreuz. Von dort fährt der RE 1 – leider nur bis nach Erkner. Laut DB-App brauche ich etwa anderthalb Stunden bis nach Frankfurt (Oder). Eigentlich wollte ich einen früheren Zug um 08 Uhr 12 nehmen, aber der ist ausgefallen. Ich versuche daher mein Glück um 8 Uhr 31.

Der Zug fährt nahezu pünktlich ein. Ich pendle regelmäßig nach Frankfurt - weder am Bahnhof noch im Zug habe ich jemals so viele Menschen gesehen - sicherlich auch dadurch bedingt, dass der erste Zug ausgefallen ist. Sitzplatz gibt es trotzdem. Doch die nächste Hürde lässt nicht lange auf sich warten – in Erkner die Haltestelle des Schienenersatzes finden.

Wo ist die Haltestelle für den Ersatzbus?

Ich stehe kurz vor 9 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Erkner. Den zu finden, war nicht wirklich schwer, denn fast hundert Menschen sind vom Zug aus hierher geströmt. Das waren mehrheitlich Tesla-Mitarbeiter:innen. Aber für die gibt es Extra-Shuttlebusse. Doch wo ist die reguläre Haltestelle des Schienenersatzes?

Ein Hinweisschild verweist zwar darauf, dass die Ersatzbusse auf dem Parkplatz fahren, aber nicht, wo genau, denn dort fahren auch alle anderen Busse der Region.

Die Tesla-Angestellten sind inzwischen schon alle weg. Nur vereinzelt laufen ein paar Menschen über den Platz. Andere warten an Bushaltestellen. Davon gibt es hier zahlreiche.

Zusammen mit zwei älteren Männern aus Berlin begebe ich mich auf die Suche nach dem RE1-Ersatzbus. Geplante Abfahrtszeit laut DB-App: 08:57 Uhr. Der eine Mann beklagt sich, dass keiner etwas wisse und die Organisation wirklich schlecht sei. Nach ein paar Minuten entdecke ich dann einen Bus mit dem Hinweisschild: "Ersatzbus RE1".

Meine Begleiter und ich fragen den Busfahrer, ob und wann der Bus nach Frankfurt fahre. Er klärt uns darüber auf, dass sich die Haltestelle auf dem Parkplatz gegenüber von Aldi befindet. Wir dürfen aber dennoch direkt hier einsteigen. Los geht‘s. Merke fürs nächste Mal: Gegenüber von Aldi - the place to be.

Mitreisende berichten von unhaltbaren Zuständen

Bis Fangschleuse sind wir nur zu dritt im Bus. Dort steigen drei weitere Fahrgäste ein. Einer davon ist Steffen aus Fürstenwalde. Er berichtet, dass er fast eine Stunde am Bahnhof auf den Schienenersatz gewartet hat. Drei Busse seien in Folge an ihm vorbeigefahren, bis er bemerkt hat, dass er dort nicht richtig war, sondern dass sich die Haltestelle unmittelbar am Bahnhof Fangschleuse befindet. Hinweisschilder - Fehlanzeige, erzählt Steffen. Nur per Zufall habe ein Busfahrer irgendwann angehalten und sich seiner "erbarmt". Zuvor sei auch noch ein Bus ausgefallen - die DB-App habe dies aber nicht angezeigt. Als traurig und schwierig bezeichnet Steffen die aktuelle Situation resümierend.

Grafik: Ausfälle auf der RE1-Linie vom 24.3 bis zum 21.4 (Quelle: rbb)

In Hangelsberg und Fürstenwalde steigen weitere Fahrgäste ein. Wir sind jetzt 13 Leute im Bus. Mit dabei ist auch die 14-jährige Pia aus Frankfurt (Oder), die täglich zwischen Fürstenwalde und Frankfurt pendelt. Generell sei sie zufrieden mit der Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG), die vergangenen Dezember den Betrieb der RE1-Linie von der Deutschen Bahn übernommen hat. Der Schienenersatzverkehr nerve sie aber, erzählt Pia. Zum einen würden die Busse nur einmal pro Stunde fahren, zum anderen gebe es keine genauen Infos darüber, wo die Busse genau abfahren.

Mit dem Fahrrad in Fürstenwalde zugestiegen ist auch ein Mann aus Schöneiche. Er sei extra mit dem Fahrrad nach Fürstenwalde gefahren. Dort habe er den Zug erwartet - zumindest sei ihm der vor eineinhalb Wochen noch im Netz angezeigt worden. Der Bus habe ihn überrascht - aber immerhin konnte er sein Fahrrad mitnehmen.

Nach mehr als zwei Stunden Fahrzeit Ankunft in Frankfurt

Um 10:24 Uhr erreichen wir Frankfurt (Oder) - reine Fahrzeit waren es fast zwei Stunden vom Berliner Ostkreuz bis nach Frankfurt (Oder). Das ist über eine Stunde mehr als sonst. Mir graut es schon vor der Rücktour am Abend.

Vorsorglich rufe ich kurz nach meiner Ankunft in Frankfurt die ODEG-Service-Hotline an. Im Gegensatz zur DB- oder VBB-App kann mir dort genau erklärt werden, wann welcher Bus/Zug zurück nach Berlin fährt. Ich erfahre, dass es drei verschiedene Optionen gibt: Einen Expressbus, der zur Rushhour morgens und abends direkt zwischen Erkner und Frankfurt (Oder) über die Autobahn pendelt. Der zweite Bus fährt über Fangschleuse, Hangelsberg und Fürstenwalde bis nach Frankfurt. Die Variante drei ist der "Bummelbus". Der steuert zwischen Fürstenwalde und Frankfurt sämtliche Dörfer an, die Haltestellen an der Bahnstrecke haben. Die Service-Mitarbeiterin berichtet mir auch noch davon, dass es am Bahnhof Erkner einen Koordinator für die Fahrgäste geben soll. Gesehen habe ich den heute aber nicht.

Zurück nach Berlin ist nicht minder kompliziert

Abends auf dem Nachhauseweg vertraue ich auf die Auskünfte der ODEG-Mitarbeiterin vom Morgen am Telefon. Und sie hatte recht! Um 18.05 Uhr steht ein Express-Bus am Bahnhof Frankfurt (Oder).

Es gibt nur ein Problem: Wegen eines Unfalls auf der Autobahn müssen wir die A12 nach kurzer Zeit aber wieder verlassen und übers Land juckeln. Es geht nur stockend voran. Ich bin genervt und erschöpft. Um 19.45 Uhr ein Lichtblick: nur noch zwei Kilometer bis Erkner. Fünf Minuten später ist der Bus dann in Erkner. Jetzt nur noch 20 Minuten auf den nächsten RE1-Zug in Richtung Berlin warten, denn die Alternative S-Bahn steht wegen Bauarbeiten zwischen Karlshorst und Friedrichshagen nicht zur Verfügung.

Um 20:50 Uhr, nach fast drei Stunden, erreiche ich schließlich Berlin-Charlottenburg. Ich habe heute fast fünf Stunden in Bussen und Bahnen verbracht, bin hungrig, müde und ausgelaugt. Spaß sieht anders aus. Die Unzufriedenheit der anderen Pendler:innen kann ich mehr als nachvollziehen. Dieser Ersatzverkehr ist eine echte Zumutung für Körper und Geist.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.04.2023, 21:20 Uhr

Beitrag von Felicitas Montag

64 Kommentare

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  1. 64.

    Auf einen Stehplatz leider auch nicht.

    Zum Glück brauche ich die Verbindung aktuell nicht beruflich, sondern nur für Privatbesuche und kann auf die RB36 bzw. FlixBus ausweichen.

  2. 63.

    Vielleicht einfach Mal lesen, worauf geantwortet wurde. Da wurde sich über DB Regio beschwert.

  3. 62.

    Irgendwie alles komisch oder, im Dezember die Bauarbeiten im Ostbahnhof die den Fahrplan der ODEG zusammenbrachen lassen und jetzt die Arbeiten so gelegt das wirklich gar nichts mehr geht. Wenn Fürstenwalde-Fankfurt befahrbar ist, soll doch die DB selber einen Regiozug pendeln lassen. Warum hört man vom VBB nie irgendwas?

  4. 61.

    Es sind fast 3 Stunden je Tour. In Summe fast 6 Stunden. Kann jeder gerne ausprobieren, der es lächerlich findet. Ein Anspruch auf einen Sitzplatz gibt es natürlich auch nicht.

  5. 60.

    Dass die DB mit dem RE 1 nichts mehr zu tun hat,ist insofern falsch als das Netz auf der die Züge auch privater EVU fahren,immer noch im Eigentum und der Verwaltung der Verkehrsminister Wissing zuzurechnenden staatlichen DB Netz AG ist.Und der die Infrastruktur besitzt bestimmt wer wann wo fahren kann oder darf.Das ist doch die Crux des gesamten Eisenbahnwesens und kein RVU hat Einfluß darauf was der staatlichen Bahn plötzlich für eine,man kann es zum Teil schon sagen,Schikane einfällt.

  6. 59.

    Das stimmt so nicht es fährt zwar die ODEG auf den Schienen aber für die Wartung und Reparatur ist weiterhin DB-Netz zuständig.
    Das darf laut AEG Allgemeine Eisenbahn Gesetz nur die DB

  7. 58.

    Nur eine Frage: Fahren Sie täglich von Berlin Richtung Frankfurt/Oder zur Arbeit und sind im Moment fast 3 Stunden für eine (!)Tour unterwegs? Wenn nicht, bitte einfach mal keine unwissende Meinung äußern.

  8. 57.

    Nur eine Frage: Fahren Sie täglich von Berlin Richtung Frankfurt/Oder zur Arbeit und sind im Moment fast 3 Stunden für eine Tour unterwegs? Wenn nicht, bitte einfach mal keine Meinung äußern.

  9. 56.

    "... Es soll ja schon Leute gegeben haben, die für solche zeitlich befristeten Sachen wie Baustellen etc. einfach mal den Wecker um 30 Minuten vorgestellt haben. ..."
    Das ist ja wohl logisch, aber darum ging es überhaupt nicht!

  10. 55.

    Leider stimmt dieser Bericht denn obwohl man mir erzählte ,daß einer von der ODEG die suchenden Fahrgäste begleiten sollte vom Zug bis zum Bus war keiner da auch eine anständige Beschilderung Fehlanzeige????
    Dad müsste nun wirklich nicht sein warum werden nicht Bedienstete dort abgestellt die sich um die Fahrgäste kümmern?

  11. 54.

    Ich verstehe das gejammere nicht, als ich noch berufstätig war, war ich täglich mit den Öffis insgesamt 3 Std. unterwegs und Reparaturen oder Neubau von Brücken und Bahnanlagensind nun mal notwendig. Verwöhntes Volk!

  12. 53.

    Evtl. hat man auch noch andere Sachen, z.B. Kinder zu versorgen, dann sind 50 Minuten "
    Jetzt ham wir schon zwei Sachen: Sonst muß immer Omma besucht werden, jetzt sind Kinder zu versorgen.
    Alles Sachen die nur zu bewältigen sind, wenn alles reibungslos funktioniert und das passiert in Berlin so gut wie nie.
    Wegen rrg-und Jarasch und so.
    Es soll ja schon Leute gegeben haben, die für solche zeitlich befristeten Sachen wie Baustellen etc. einfach mal den Wecker um 30 Minuten vorgestellt haben.
    Aber was weiß ich schon.

  13. 52.

    So ein Quark!
    Evtl. hat man auch noch andere Sachen, z.B. Kinder zu versorgen, dann sind 50 Minuten mehr oder weniger schon ausschlaggebend.
    Und dieses "muß man sich eine andere Arbeit suchen." ... platter geht's kaum.

  14. 51.

    Es arbeitet ja auch kaum jemand am Ostkreuz, und bis dahin war die genannte Fahrzeit.

    Ich habe lange genug in Frankfurt (Oder) gewohnt und in Düppel gearbeitet (also hinterste Ecke Zehlendorf), da ist man vom Ostkreuz dann doch schon noch ein Stückchen entfernt.;-)

    Gleiches gilt natürlich auch für die City und so ziemlich alle Gewerbegebiete.

  15. 50.

    Das sehe ich leider genauso. Ich bewege mich durch Berlin und Brandenburg nur mit Auto und Fahrrad. Die Bahn ist einfach zu unzuverlässig und zu schlecht organisiert. Grad in den Wintermonaten macht sowas dann erst recht keinen Spaß.

  16. 49.

    Ich verstehe die Aufregung nicht. Ich wohne in Berlin und wenn ich zur Arbeit in Berlin mußte brauchte ich
    1 Stunde und 10 Min. Da sind 2 Std. doch gut. Wenn man das nicht will muß man sich eine andere Arbeit suchen.

  17. 48.

    ….. und genau deswegen bin ich und bleibe ich Autofahrer !!!!!

  18. 46.

    Was hier in Berlin abgeht, zeugt allerdings auch vom Willen der Grünen, eine Verkehrswende zu etablieren. Fachkompetenz ist dabei ja auch von Ihnen nicht erwünscht. Hier hat es zudem die ODEG nicht geschafft, die Fahrgäste ausreichend darüber zu informieren, wo die Ersatzbusse abfahren. Die Tram zum Hermannplatz stößt dabei ja auch bekanntlich auf den Widerstand der Linken, die sich gerne ebenfalls als Klimaschutzpartei links der Grünen gibt, aber regelmäßig eng zieht, wenn es zum Schwur kommt. Das gilt für die braune Kohle in Brandenburg ebenso wie für den Ausbau der Straßenbahn.

  19. 45.

    Und so erträumt sich der deutsche Spießer ein Wunderland, in dem er an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden rund um die Uhr, nicht von der störenden Wirklichkeit belästigt wird. Und ist persönlich beleidigt, wenn er einmal für kurze Zeit aus dem gewohnten Trampelpfad abweichen muss.

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