Gekündigte Gasverträge - Gesetzeslücke zwingt Berliner Mieter in teuersten Gas-Tarif

Mo 24.10.22 | 06:17 Uhr
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Symbolbild: Ein Gaszähler hängt im Keller eines Einfamilienhauses. (Quelle: dpa/J. Woitas)
Video: rbb24 Abenschau | 24.10.2022 | Holger Trzeczak | Bild: dpa/J. Woitas

Wegen der Krise auf dem Gasmarkt kündigen Lieferanten derzeit zahlreiche Verträge. Mieterinnen und Mieter, die in einem Haus mit zentraler Gastherme wohnen, könnten daher im kommenden Jahr eine besonders hohe Gasrechnung bekommen.

Allein in Berlin sind Hunderttausende Mieterinnen und Mieter von einer eklatanten Gesetzeslücke bedroht, die extrem teuer werden kann, wenn die Gasrechnung kommt. Betroffen sind Menschen, in deren Wohnhäusern eine energiesparende zentrale Gastherme eingebaut wurde. In solchen Fällen ist der Vermieter alleiniger Vertragspartner für Gaslieferanten – und gilt als Gewerbekunde, nicht als Privatkunde.

Ein dem rbb vorliegender Fall macht das Problem deutlich: Der bisherige Lieferant für ein Mehrfamilienhaus in Berlin-Pankow hat wegen der Krise auf dem Gasmarkt den Vertrag gekündigt. Der Vermieter muss nun bei der Gasag die Energie für die Wärmeversorgung der Bewohner beziehen. Er kauft das Gas für alle Bewohner ein und gilt deshalb nicht als normaler "Haushaltskunde", sondern als Gewerbekunde. Somit hat er keinen Anspruch auf den Wechsel in die Grundversorgung, sondern nur auf die sogenannte Ersatzversorgung.

Notversorgung mit stark schwankenden Preisen

Der folgenschwere Unterschied beider Tarifarten: Die Grundversorgung ist eine Regelversorgung mit geringen Preisschwankungen. Die Versorger schließen ihre Verträge am Terminmarkt langfristig ab. Deshalb basiert die Grundversorgung derzeit noch auf Preisen vom letzten Jahr.

Die Ersatzversorgung dagegen gilt als eine Art Notversorgung mit stark schwankenden Preisen. Die Versorger kaufen kurzfristig am sogenannten Spotmarkt ein. In der Folge müssen alle Mieter ab Dezember mit dem fünffachen Preis fürs Gas rechnen. Ihr Pech ist, dass der Vermieter des Hauses vor mehreren Jahren im Keller eine zentrale Gastherme eingebaut hat.

Die moderne Sammelanlage verbraucht weniger Energie. Hätten alle Mieter Einzelverträge, könnten sie in die Grundversorgung der Gasag wechseln. Im Vergleich beider Tarifarten zeigt sich ein deutlicher Unterschied in den Preisen. Die Grundversorgung hat sich seit Dezember 2021 nur um rund 2 Cent pro Kilowattstunde verteuert. Die Ersatzversorgung hingegen um über 16 Cent.

Gasag sieht keinen Handlungsspielraum

Hausbesitzer Knut Muhsik wandte sich verzweifelt an das Verbrauchermagazin Super.Markt. "Es wurde uns jahrelang eingeimpft, Leute baut moderne Heizungen ein", so Muhsik: "Jetzt bedeutet es, dass meine Mieter nicht mehr in die Grundversorgung kommen, weil sie keine eigenen Zähler mehr haben, sondern es nur noch einen zentralen Zähler gibt, und dadurch werde ich als Gewerbekunde behandelt, und der Weg in die Grundversorgung ist gesperrt."

Der Grund dafür: Im Sommer änderte die Bundesregierung wegen der Gaskrise das Energiewirtschaftsgesetz. Um die Gasversorger zu schützen, definierte sie nun Haushaltskunden wie folgt: Diese seien "Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für einen Jahresverbrauch von (nicht mehr als) 10.000 Kilowattstunden kaufen." Deswegen sieht die Gasag keinen Handlungsspielraum.

Gasag-Sprecherin Ursula Luchner rechtfertigt die Einstufung in die Ersatzversorgung gegenüber der Sendung Super.Markt damit, dass sie es mit einem einzelnen Vertragspartner zu tun habe: "Das können wir ja nicht abschätzen, wer da hinter diesem Vertragspartner steht, wir haben ja einen Namen, die Menge, und auf dieser Basis entscheiden wir dann nach den gesetzlichen Vorgaben, und danach ist er dann eben ein sonstiger Letztverbraucher und kein Haushaltskunde."

Verbraucherzentrale fordert schnelle Reaktion

Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte gegenüber dem rbb, hier müsste der Gesetzgeber schnell reagieren, es gebe viele ähnliche Fälle in der gesamten Bundesrepublik.

Allein in Berlin werden laut einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft aus dem Jahr 2019 [bdew.de | pdf] rund 21 Prozent aller Wohnungen in Berlin über Gas-Sammelheizungen versorgt. Bei 1,7 Millionen Berliner-Wohnungen insgesamt wären 350.000 Haushalte betroffen, wenn bestehende Verträge gekündigt und neue Lieferanten gefunden werden müssen.

Die Regierung habe einen Fehler im Gesetz gemacht, der nur die Versorger begünstigt. Thomas Engelke von der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert deshalb, "dass das Energiewirtschaftsgesetz so geändert wird, dass die Mieterinnen und Mieter auch in die Grundversorgung rutschen können. Das bedeutet, entweder muss die Grenze von 10.000 kWh Gas angehoben werden oder das Wort Eigenverbrauch muss geändert werden, weil es ja nicht der Vermieter ist, der das Gas verbraucht, sondern der reicht das ja nur durch an seine Mieterinnen und Mieter."

Sendung: Super.Markt, 24.10.2022, 20:15 Uhr

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16 Kommentare

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  1. 16.

    Sicher bekommt der Vermieter als Vertragsparter die Rechnung, und er reicht die entstandene Kosten an die Mieter, je nach Verbrauch weiter, in der Hoffnung, dass sie diese begleichen.

  2. 15.

    Wenn man überlegt, dass die Regierung seit Februar Zeit hatte, sich auf die Folgen des Ukraine-Kriegs in Verbindung der eigenen Energieposition vorzubereiten, ist das ein einziges Trauerspiel. Die Hütte brennt bereits an vielen Stellen und es wird wieder eine "Experten"-Runde nach der anderen benötigt, um eigentlich was konkret zu tun?

  3. 14.

    Wollen Sie sich nicht doch besser darüber informieren, wann eine Wärmepumpe überhaupt keinen Sinn macht? (Und den Wirkungsgrad nicht aus den Augen lassen....wenn das geeignete Medium, wie Grundwasser, für ein MFH fehlt)

  4. 13.

    Gasheizungen waren vielleicht die _billigste_ Wahl. Die beste waren sie sicher nicht, allein schon aus Gründen des Klimaschutzes.

  5. 12.

    In diesem speziellen Fall ist doch die Hausgemeinschaft "Letztverbraucher", da der Vermieter ihr selbst angehört. Blöd nur, dass diese nicht als "juristische Person" anerkannt wird. Aber auch andere Vermieter verkaufen das Gas ja nicht gewinnbringend weiter...

  6. 11.

    Also wenn Sie Nachbarn haben die in dieser Situation verschwenderisch agieren dann ist das wirklich nicht das Problem der Allgemeinheit sondern ein Problem aller Ihrer Nachbarn.

    Außerdem kann es genauso gut sein das Ihr Nachbar unter rheumatischen Beschwerden leidet und Kälte die Schmerzen erhöht. Wollen Sie Ihre armen Nachbarn in dieser Situation wirklich allein lassen?

  7. 10.

    Gibt nur einen, der lernen muss. Das sind Sie. Und zum Thema sparen: Ersparen Sie uns Ihre abfälligen Kommentare.

  8. 9.

    ......Thema verfehlt - setzen - 6.
    Häuslebauer, lassen Sie sich den Text des Beitrags doch vorlesen, vielleicht wird er ja dann verständlich. Dann kommentieren Sie neu

  9. 8.

    @häuslebauer: Sie lesen nicht genau, Sie denken nicht logisch und Sie kommentieren sachbezugsfrei mit hämischem Unterton.

    Es geht um die Energiekostenabrechnung bei Wohnraumnutzung. Es wird nicht im Sinne des Gesetzes sein, Mieter als Kleinverbraucher mit teuren Gewerbetarifen zu belasten!

  10. 7.

    Für einen Altbau ohne FB war bis vor kurzem eine moderne Gasheizung die beste Wahl. Keiner hatte eine Glaskugel und konnte erkennen, dass es sich mal so dramatisch ändern wird. sind Wärmepumpen in 2 Jahren auch noch die beste Wahl? Also ich kann nicht in die Zukunft schauen… Dämmung ist der Regel allerdings immer eine gute Idee.

  11. 6.

    Der Vermieter ist nicht "sonstiger Letztverbraucher".

    Definition:
    "25. Letztverbraucher
    Natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen;..."

    Der Vermieter kauft nicht für den eigenen Verbrauch.

    "§ 41c Vergleichsinstrumente bei Energielieferungen"
    Wo ist das Vergleichsportal für Gas (Abs. 4) der Bundesnetzagentur?
    Welche Vergleichsportale haben das "Vertrauenszeichen" erhalten?

  12. 5.

    Er (Vermieter) bekommt wohl kaum die Rechnung, sondern die Mieter, die keinerlei Entscheidungsrecht hatten.
    Außerdem ist nicht jeder finanziell so gut aufgestellt und sehr genau überlegen muss ob es eine Gastherme für ca. 5000,- Euro oder eine Wärmepumpe für ca 20000,- wird. Abgesehen davon nicht jeder Heizungstyp überall passt.

  13. 4.

    @Häuslebauer, Sie haben eindeutig die Problematik nicht verstanden.
    Zum Thema würde mich interessieren , ob auch potenziell alle Häuser mit Zentralheizung davon betroffen sein könnten. Das wären sicher mehr als 350.000 Wohnungen. Oder sind z.B. für Wohnungsbaugesellschaften in dem Gesetz entsprechende Regelungen vorhanden und es beträfe "nur" kleinere Vermieter, bei denen die tatsächliche Art des Verbrauchs unbekannt ist?

  14. 3.

    Also Ihr Kommentar ist wirklich sehr unbedacht und strotzt nur so von Weltfremdheit.

    Erstens geht es um die Mieter die nun vor hohen Kosten stehen, diese können nicht beeinflussen was der Vermieter für eine Heizung einbaut.

    Zweitens ist für ein Mehrfamilienhaus mit vielen Wohnungen eine Wärmepumpe nur noch schwer technisch zu realisieren. Wie viel Anlagen sollen denn dort aufgestellt werden.

    Beschäftigen Sie sich doch bitte inhaltlich mit dem Thema bevor Sie dumpfe Parolen schreiben.

  15. 2.

    Leiden wird nicht der Hausbesitzer, sondern die Mieter. Und wenn man Nachbarn hat, die die Heizung so aufdrehen, dass man in der Wohnung in Unterwäsche schwitzt, obwohl man selbst nicht heizt, ist das mit dem "einfach weniger verbrauchen" auch keine Sache mehr die man selbst in der Hand hat.

  16. 1.

    Einfach mal weniger verbrauchen! Gute Dämmung hilft auch.
    Immer dieses Gejammere. Und wenn die Heizung so neu ist, warum hat er sich dann nicht für eine zeitgemäße Heizungsanlage entschieden? PV-Anlagen, Wärmepumpen ect.gibts schon seit vielen Jahren auf dem Markt. Sind halt teurer in der Anschaffung, Aber er wollte nur schnell und billig. Und bekommt nun die Rechnung. Vielleicht lernt er daraus. Nicht alles was „billig“ ist, ist auch preiswert.

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