Grundsteuerreform in Deutschland - Was die Grundsteuerbriefe vom Finanzamt zu bedeuten haben

Di 29.11.22 | 16:16 Uhr
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Grundsteuer (Quelle: imago/K. Schmitt)
Audio: Studio Cottbus | 29.11.2022 | Holger Kessler | Bild: imago/K. Schmitt

Während viele ihre Grundsteuererklärung noch gar nicht ausgefüllt haben, bekommen die ersten bereits Post vom Finanzamt. Sibylle Barent von Haus und Grund erklärt, was die Briefe bedeuten und warum die neue Grundsteuer darin noch nicht zu finden ist.

rbb|24: Frau Barent, in Deutschland soll die Grundsteuer reformiert werden, 2025 die Neuerungen in Kraft treten. Bereits jetzt bekommen die ersten Grundstücksbesitzer Post von ihren Finanzämtern. Darin ist die neue Grundsteuer aber gar nicht zu finden. Was haben die Briefe denn zu bedeuten?

Sibylle Barent: Die Berechnung der Grundsteuer läuft in drei Schritten. Zuerst kommt die Berechnung des Grundsteuerwertes. Dabei gucken die Finanzämter auf den Wert des Hauses, um die Grundsteuer zu ermitteln. Dann kommt eine Steuermesszahl drauf. Die ist dafür gedacht, den Wert ein bisschen zu differenzieren. Wohnimmobilien haben beispielsweise eine andere Messzahl als Gewerbegrundstücke. Bei den Messzahlen gibt es teilweise auch Rabatte für bestimmte Wohnformen, Genossenschaften beispielsweise haben da einen Abschlag von 25 Prozent. Auch bei Denkmälern gibt es einen zehnprozentigen Abschlag.

Was in den aktuellen Messbescheiden vom Finanzamt steht, ist der Grundsteuerwert mit der darauf angewandten Messzahl. Beides zusammen ergibt den Messbetrag. Damit bekommt man eine Vorstellung davon, wie hoch das Finanzamt den steuerlichen Wert der Immobilie einschätzt. Dieser Wert gibt aber noch nicht an, was letztendlich an Grundsteuer zu zahlen ist. Da fehlt noch der dritte Schritt, der Hebesatz. Jetzt sind die Gemeinden in der Verantwortung neue Grundsteuerhebesätze zu berechnen und durch eine Satzung zu beschließen.

Müssen Hausbesitzer jetzt also warten, bis die Gemeinde die Hebesätze festlegt, damit sie wissen, ob sie zukünftig mehr oder weniger Grundsteuer zahlen müssen?

Jein. Ich erkläre das immer gern an einem Beispiel: Wenn Sie sich aus Sicht der Gemeinde die gesamte Grundsteuer als eine große Torte vorstellen, dann tragen alle Grundstückseigentümer der Gemeinde etwas zu dieser Torte bei.

Der Grundsteuermessbescheid zeigt mir den Anteil an dieser Torte, also die Proportion. Etwa ob ich ein Sechzehntel oder ein Hundertstel beitragen muss. Die Größe der Torte kenne ich aber erst, wenn die Gemeinde den Hebesatz draufgelegt hat. Das Versprechen ist nun, dass in dem Grundsteuertopf nicht mehr ist als vor der Reform. Die Gemeinden müssen ihre Hebesätze so wählen, dass sie an dieser Grundsteuerreform nicht verdienen.

Gleichzeitig heißt das aber nicht, dass der einzelne Grundstücksbesitzer genauso viel bezahlt wie vorher. Die Last wird nur anders verteilt. Wenn der Wert laut Messbescheid aber gestiegen ist - das wird vielen so gehen, weil die Bodenpreise auch gestiegen sind - dann kann man davon ausgehen, dass es teurer wird. Wir rechnen damit, dass es vor allem für diejenigen in den gefragten Lagen, etwa im Berliner Speckgürtel, teurer wird.

Zur Person

Sibylle Barent ist Leiterin der Abteilung Steuer- und Finanzpolitik beim Verband Haus & Grund. Die Interessengemeinschaft schützt und fördert nach eigenen Angaben das private Haus-, Wohnungs- und Grundeigentum in Deutschland, das laut Verband das Fundament für die Schaffung von Wohlstand ist.

867 Vereine sind in dem Verband organisiert und unterstützen private Eigentümer und Vermieter. Sie setzen sich nach eigenen Angaben für eine intakte Eigentumsordnung ein.

Was raten Sie den Betroffenen? Sollte Widerspruch gegen die Bescheide eingelegt werden?

Der Einspruch ist kostenlos möglich und, wenn Zweifel an dem Bescheid bestehen oder man zeigen möchte, dass man mit der Art der Bewertung nicht einverstanden ist, ein gutes Mittel. Für den Widerspruch gegen den Messbescheid habe ich aber nur einen Monat Zeit. Wenn ich bis 2025 warte, bis ich meine tatsächliche Rechnung bekomme, dann ist es definitiv zu spät, sich noch gegen diesen Wert zu wehren. Es ist aber leider so, dass eine Klage, nachdem man Widerspruch eingelegt hat, kostenpflichtig wäre. Man sollte den Bescheid zunächst genau prüfen, ob beispielsweise die Flächenagaben stimmen.

Nach unserer Erfahrung ist aber die Bewertungsmethode, die der Gesetzgeber vorgegeben hat, selbst häufig kritisch. Das Finanzamt hat dann den Standpunkt, dass dort alles so berechnet wurde, wie es der Gesetzgeber vorsieht. Man kann jetzt sagen, der Bodenrichtwert ist viel zu hoch. Der ist aber von den Gutachterausschüssen so ermittelt worden und im Gesetz steht, dass dieser Bodenrichtwert zu übernehmen ist.

Das zweite kritische Thema sind die Mietwerte, die angegeben sind. Das sind keine echten Werte sondern gesetzlich angenommene Durchschnittsmieten für das gesamte Land Brandenburg. Auch die kann das Finanzamt nicht beeinflussen. Wir als Verein Haus und Grund streben deshalb ein Musterverfahren gegen dieses Gesetz als solches an.

Auch der Bund der Steuerzahler bereitet eine Klage vor. Sollte ich das als Grundstücks- und Hausbesitzer im Auge behalten, um mich im Notfall darauf berufen zu können?

Der Bund der Steuerzahler und wir machen das gemeinsam. Wir gehen davon aus, dass dieses Bewertungsverfahren nicht rechtens sein kann. Wir haben bislang noch kein Aktenzeichen auf höherer Ebene, ein direktes Berufen darauf ist deshalb noch nicht möglich.

Bei einer Klage muss man außerdem überlegen, ob man dieses Kostenrisiko wirklich eingehen will. Wir haben ja ein Gesetz, das in Kraft ist und das die Finanzämter so anwenden. Einspruch ja, aber ein Klageverfahren sollte gut überlegt sein. Dann sollte auch fachlicher Rat eingeholt werden. Man muss nun warten, was bei der Musterklage herauskommt. Es ist eben keine Sammelklage, sondern wir führen das Verfahren gegen das Gesetz als solches.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Holger Kessler für Antenne Brandenburg. Diese Version ist eine gekürzte und redigierte Fassung, inhaltlich aber nicht verändert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.11.2022, 14:40 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    Bei meiner 53 qm ETW, Bj. 96, sinkt die Grundsteuer von 236 Euro auf 125 Euro.

    Liegt allerdings in Niedersachsen, daher leicht selbst zu berechnen.

  2. 14.

    Meine Cousine hat im Speckgürtel 2008 für 40.000€ 800qm Grundstück erworben und für 200.000€ ein Haus daraufstellen lassen. Jetzt behauptet das Finanzamt, die Immobilie soll 400.000€ wert sein. Na super, die drehen das so, wie es passt (die Gutachter). Für die angeblichen 400k kann sie sich aber nichts „kaufen“, hat neben Abschreibung jetzt nur Mehrkosten durch die Grundsteuer.

  3. 13.

    Vielen Dank für Klarstellung. Alles andere ist Stimmung- und Panikmache und zeigt wie notwendig das Urteil vom Verfassungsgericht ist. Über den Bodenrichtwert soll die Ertragsfähigkeit des Gebäudes dargestellt werden. Entsprechend Korrekturen sind im Gesetz und dem bmf-schreiben eingebaut. Wie weit die angekündigt Klage erfolgreich sein wird und wo nachgebessert werden muss/kann steht als frage im Raum.
    Vielen Dank an den Artikel, und deren Beteiligten, dass hier noch auf das Verfahrensrecht hingewiesen wird und jeder der drei Bescheide einzeln zu prüfen sei, der bei Fehler durch Einspruch bzw schlichte Änderung korrigiert wird.
    Ob in sieben Jahren, die gleichen Diskussionen aufblühen, oder alle mehr wissen und entspannendter an das Thema gehen zeigt sich.

  4. 12.

    Die Grundsteuerreform wird aufkommensneutral sein, sie kann und soll aber nicht belastungsneutral sein. Schließlich ist ja gerade ein Ziel dieser Reform, die Grundsteuer auf eine gerechte Grundlage zu stellen. Entsprechend wird es zu Belastungsverschiebungen zwischen den Eigentümern kommen. Manche zahlen mehr als vorher, manche weniger.
    Der Hebesatz wird so gewählt, dass diese Belastungsneutralität erreicht wird.

  5. 11.

    Und genau deswegen wird der von Berlin definierte Hebesatz so interessant. Hier hat der Berliner Senat nämlich eine Variable in der Hand, um den Wert sozialverträglich zu gestalten. Aber ich vermute mal, dass es eher in eine andere Richtung gehen wird.

  6. 10.

    Das sehe ich ganz genauso. Hier sind die Bodenrichtwerte angeblich von 250 € vor zehn Jahren auf 2000€ gestiegen. Das ist total absurd. Ich habe die Verkäufe der letzten Jahre beobachtet. Keines der Häuser hat solche Summen erzielt. Und auch die Mieten hier sind nicht so hoch wie angegeben. Das ist reine Spekulation. Vor allen Dingen weil die Preise demnächst ja wieder sinken sollen. Und die Leute, die vor zehn Jahren hier gebaut und hingezogen sind, haben nicht vor zu verkaufen und wollten auch nie damit spekulieren. Ihre Einkommen sind nicht dermaßen gestiegen.

  7. 9.

    ZITAT: „Darin sehe ich einen Widerspruch: wenn die Grundstückswerte allgemein gestiegen sind - nicht nur in "angesagten" Gegenden -, wieso sollte dann bei einer "Reform"/ Neubewertung insgesamt dasselbe an Grundstücks(be)wert(ung)en herauskommen wie vorher ?“
    Ich sehe nicht unbedingt einen Widerspruch: Nehmen wir mal an, ich will Reis kochen. Früher war 1kg in der Tüte, für 1 Portion (=125g) brauche ich 1/8 davon. Künftig gibt es nur noch 5kg-Säcke. Für 1 Portion (=125g) brauch ich dann nur noch 1/40 des Inhalts.
    Dieser Faktor 1/8 oder 1/40 (bzw. der Grundsteuerhebesatz) muss noch festgelegt werden. Dafür muss man aber wissen, wieviel Reis künftig in einem Sack ist bzw. wieviel die Grundstücke alle zusammen künftig wert sind. Dann lässt sich das schon steuern, dass trotz unterschiedlicher Ausgangsmengen am Ende das gleiche rauskommt.

  8. 8.

    ZITAT: >> ... Das Versprechen ist, dass im Grundsteuertopf nicht mehr ist als vor der Reform...Wenn der Wert laut Messbescheid aber gestiegen ist, kann man davon ausgehen, dass es teurer wird. ...<<
    Darin sehe ich einen Widerspruch: wenn die Grundstückswerte allgemein gestiegen sind - nicht nur in "angesagten" Gegenden -, wieso sollte dann bei einer "Reform"/ Neubewertung insgesamt dasselbe an Grundstücks(be)wert(ung)en herauskommen wie vorher ?
    Viele Kommunen haben ein Interesse daran - besonders Berlin -, "angesagte" Gegenden abzuwerten, weil sonst auch die Mieten entsprechend deutlich steigen müßten.
    Etliche "angesagte" Gegenden, in denen die Mieten und Bodenrichtwerte längst davongaloppiert sind, werden in den offiziellen Bewertungen der Stadt gerne weiterhin als "C"-Lagen geführt. Wenn Berlins Finanzämter u.a. hier höhere Grundsteuern kassieren wollen, müßten sie sich endlich auch mal damit abfinden, dass auch entsprechend Mieten verlangt werden.

  9. 7.

    Ein Aspekt auch: Mieter zahlen diese (dann) extrem marktwert-abhängige Steuer zu 100% … Das ist (in dieser alten Systematik, aber mit immer aktuellen Marktwerten) eine weitere und sehr gefährliche mieten- und damit sozialpolitische Dynamitstange, die da gerade gewickelt und platziert wird ... SO bitte nicht !

  10. 6.

    Ich werde noch rasend vor Wut … Eine extrem marktwert-abhängige Steuer soll das werden ... Ich habe eine kleine Wohnung (oder Häuschen) irgendwo … Plötzlich wird es da hipp oder eine bessere Wohngegend … Spekulanten, Investoren und der Markt treiben den Wert (auch meiner Immobile) hoch … Und warum soll ICH jetzt höhere Steuern zahlen müssen oder können ?!?! … Mein Einkommen hat sich nicht erhöht … Als Rentner vielleicht eher verringert … Soll ich meine Immobilie dann verkaufen, oder was ?! … Das Ganze wird in dieser Form eine weitere Gentrifizierung mit Ansage … Die bestehenden Wertansätze sind tragbar, weil niedrig bzw. eigentlich starr.

  11. 5.

    Aussetzung und Ruhen des Verfahrens § 363 AO wäre eine Option. Mal nachlesen dazu.

  12. 4.

    Den Bescheid vom Finanzamt kann man als Ottonormaverbraucher kaum prüfen. Das böse Erwachen kommt wenn der Bescheid von der Stadt bzw. Gemeinde kommt. Dann aber ist es zu spät und der Steuerzahler ist der Dumme. Scheint aber so gewollt zu sein.

  13. 3.

    Also wird es eine Hängepartie in der man seine Einspruchszeit verpasst hat aber noch nicht weiß wie hoch die neue Steuer ist

  14. 2.

    Dann hoffen wir mal, dass Berlin auch hier beim Hebesatz sozial bleibt, schließlich zahlen Mieter und Eigentümer Grundsteuer und wenn man schon ent-lasten will, dann wäre das ein guter Weg.

  15. 1.

    Die Frage bleibt, wie kann man den Bescheid offen lassen, bis die Musterklage ein Ergebnis zeigt?

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