Fehlende Nachfolger - Unternehmer bangen um ihre Altersvorsorge

Do 11.05.23 | 07:37 Uhr | Von Jan Pallokat
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Symbolbild: Kellermeister Stefan Schmidt (r) und sein Nachfolger Franz Lucius (l) arbeiten im neuen Weinkeller im Weingut Schloss Rattey. Das Weingut Rattey gilt mit 30 Hektar Rebfläche als größtes geschlossenes Weinanbaugebiet nördlich Berlins. (Quelle: dpa-Bildfunk/Jens Büttner) (Quelle
Bild: dpa-Bildfunk/Jens Büttner

Tausende kleine und mittlere Unternehmen in der Region stehen vor einem Generationswechsel. Doch es gibt zu wenig geeignete und willige Nachfolger. Für viele Unternehmer heißt das: Abstriche bei der eigenen Altersvorsorge. Von Jan Pallokat

Wolfgang Greiner (63) hat noch was vor: Er will eine Weltreise machen. Erstmal mit dem eigenen Boot die Donau runter und dann ins Schwarze Meer. "Ich muss nur noch meine Frau überzeugen", lacht der Inhaber einer Pankower Bauschlosserei.

Doch neben seiner Frau bedroht noch ein weiterer Unsicherheitsfaktor den Traum. Seit fünf Jahren sucht er aktiv einen Nachfolger für seine Firma, ohne Erfolg. "Langsam rennt die Zeit immer schneller", sagt er. Das Problem gefährdet nicht nur sein Lebenswerk – er hat die Firma über 30 Jahre aufgebaut; in manchen Jahren unentwegt gearbeitet, an Urlaub war oft nicht zu denken. Mehr noch: Wie für die meisten Selbständigen, die in der Regel nicht gesetzlich rentenversichert sind, ist der Firmenwert auch Baustein der eigenen Altersvorsorge.

"Wir als Selbständige versuchen immer, fürs Alter vorzusorgen. Aber heutzutage weiß man ja nicht, wie alt man wird. Reicht das, was man da angespart hat?" Seine Frau, eine Angestellte, habe noch zweieinhalb Jahre bis zur Rente. "Den Lebensabend wollen wir eigentlich gemeinsam genießen", findet Greiner.

Viel Angebot, wenig Nachfrage

Im Schatten des Metathemas "Fachkräftemangel" braut sich eine gefährliche Mixtur zusammen, die den deutschen Mittelstand auszulichten droht – und altgedienten Unternehmern am Ende ihres Lebensweges unerwünschte, aber doch auch absehbare Probleme bereitet.

1.800 altersbedingte Übernahmen pro Jahr stehen allein in Berlin an, schätzt man in der Senatswirtschaftsverwaltung. Nicht alle dürften gelingen – schon wegen eines Missverhältnisses: Es gibt viel mehr Unternehmer, die einen Nachfolger suchen als solche, die eine Firma übernehmen würden.

In einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags von 2022 [www.dihk.de] zeigte sich: In allen Branchen gab es deutlich mehr Beratungsanfragen abgabewilliger Unternehmer als umgekehrt. Besonders stark im Handel, wo auf viereinhalb rentenreife Inhaber nur ein Interessent kam. In der Industrie war das Verhältnis mit 1,5:1 etwas besser.

"Da steht im Grunde der ganze Aufbau Ost zur Disposition"

Auch regional gibt es Unterschiede. Holger Wassermann, Unternehmensexperte an der Berliner Berufstätigen-Hochschule FOM, warnt vor einem drohenden Substanzverlust besonders in Brandenburg. "Fast alle Unternehmen in Brandenburg wurden in den 90er Jahren gegründet. Da gibt es aber kaum einen, der die Nachfolge machen will", sagt Wassermann. "Da steht im Grunde der ganze Aufbau Ost zur Disposition, wenn da der letzte Bäcker zu macht."

Neben der Demografie spielen auch aktuelle Trends hinein und verschärfen die Lage. Die Berliner Unternehmensberaterin Ines Manzel etwa beobachtet, dass Pandemie-bedingt viele Unternehmer Abstand gewonnen hätten zur eigenen Unternehmung, loslassen gelernt hätten. Sich selbst für unverzichtbar halten und bis zum letzten aller Tage die Zügel in der Hand halten zu müssen: Das sei nicht mehr so verbreitet.

"Aber auch bei den jungen Menschen verändert sich gerade etwas in der Situation jetzt." Fachkräfte werden gesucht – wozu brauche ich da eine Selbständigkeit? "Vielleicht möchte ich auch gar nicht Verantwortung übernehmen." Viele beobachteten auch sehr genau, was als Unternehmer zu leisten ist, stellt Manzel fest. "Selbständig heißt nämlich 'selbst' und 'ständig'“. Da muss man schon schauen: Wer möchte das gern."

Selbst und ständig? Ohne mich!

Bei Greiner Metallbau im Gewerbegebiet Pankow-Nord lassen sich all diese Trends beispielhaft beobachten. Greiner nämlich tat, was Unternehmer meist tun, wenn sich kein Angehöriger anbietet: Er schaute sich die Mitarbeiter genauer an. Seinem besten Azubi bot er sogar an, die Meisterschulung zu bezahlen. Der schlug das in den Wind, "und einen Monat später hat er mir gekündigt".

Inzwischen bekommt er gar keine Bewerbungen mehr auf die Ausbildung zum Bauschlosser. Greiner stellte zwei Polen an, die er zuvor als Subunternehmer einsetzte, und die nun regelmäßig über die Grenze pendeln. Die beiden sind ganz froh darüber. "Da ich selbst eine Firma in Polen hatte, weiß ich, was das heißt", sagt Rafal Danisiewicz. Eine Übernahme komme deswegen nicht in Frage: "So wie jetzt ist es besser."

Zu tun gibt es genug. Greiner Metallbau kann sich vor Aufträgen kaum retten. Bereits im Februar hatte er genug für das ganze Jahr zusammen, verrät der Chef. Aber wer soll umsetzen? Mangels Personal hilft ein früherer Kollege aus, der eigentlich schon in Rente ist: "Ich wollte nie Chef sein", sagt auch Roger Linke. "Zu viel Verantwortung. Und so hat man nach vier Feierabend, kann nach Hause." Wer aber soll künftig all die Geländer und Außentreppen bauen, wenn künftig keiner mehr Verantwortung übernimmt? "Das ist die große Frage", gibt Linke zu. "Vielleicht die künstliche Intelligenz?"

Dickes Auftragsbuch nützt wenig

Beim Thema Fachkräfte aber beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn heutzutage nützt das dickste Auftragsbuch wenig, wenn Mitarbeiter fehlen. Sie sind das eigentliche Kapital, das eine Firma auch attraktiv machen können für eine Übernahme.

Wolfgang Greiner hat seine Anstrengungen entsprechend verstärkt. Nach erfolglosen Inseraten in Print und Hörfunk schaltete er – erst widerwillig - eine Recruiting-Agentur ein, die über Social Media geht – mit erstem Erfolg, nämlich sechs Bewerbungen in zwei Wochen.

Womöglich ist am Ende sogar ein geeigneter Nachfolger darunter. Wobei es eigentlich schon fünf nach zwölf ist für Greiner Metallbau aus Pankow, denn eine Firma kann man nicht abgeben wie einen Gebrauchtwagen. Übergaben sind juristisch wie menschlich komplex. Es braucht längere Zeit für Einarbeitung und Begleitung. Die Handelskammern raten, das Thema viele Jahre vor dem geplanten Rentenbeginn anzugehen.

Doch Wolfgang Greiner wäre wohl kein Unternehmer, wenn er nicht schon Plan B austüfteln würde. "Wenn ich wirklich niemanden finde, werde ich hier alles verschrotten müssen, und die Gewerbeimmobilie, die mir gehört, vermieten." Er würde dann eben von der Miete im Alter leben, statt vom Unternehmen.

"Aber letztendlich wäre es schade, wenn hier Schluss ist und eine an sich gesunde Firma nicht weitermacht."

Auf Youtube: Krise frisst Rente - Was Selbständige vor Altersarmut schützt

Beitrag von Jan Pallokat

38 Kommentare

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  1. 38.

    Und so, lieber "Leser" sieht ein rentenpunktorientierter "Blickwinkel" aus.

  2. 37.

    Naja gibt ja auch einen Höchstbetrag der gesetzlichen Rente, den ich zb zahle, dafür ist auch meine Rente die ich irgendwann bekomme gedeckelt.

    Für alles mehr muss ich privat Vorsorgen.

  3. 36.

    Sie meinen die 0,8-1% pro Jahr an Kosten für meine Direktversicherung ist teuer. Da haben Sie aber ein sehr interessantes Weltbild. Also zu Rentenbeginn erhalte ich 800 Euro allein aus meiner privaten Zusatzversicherung, die ich zuvor auch noch vom Staat und Unternehmen bezuschusst bekommen habe. Vielleicht sollten Sie sich mal mit der Realität beschäftigen.

  4. 35.

    Ihre „Rechnung“ kann nur dann funktionieren wenn man das Leistungsprinzip der Rentenpunkte ungerechterweise aufhebt und den Vieleinzahlern, die dann zu erwerbenden Rentenpunkte wegnimmt. Soll heißen: „Wer viel einzahlt bekommt viel raus“ wollen Sie aufheben? Es ist ja eine Versicherung und keine Almosenverteilung. Das ist der Grund, warum z.B. Ärzte in teure (!) Zwangsversicherungen einzahlen müssen. So teuer im Verhältnis zum Einkommen, die kein gesetzlich Versicherter zahlen wollte. Dafür muss die Allgemeinheit „nicht ran“... Sie sehen: „Alle zahlen ein“ hat seinen Charme verloren wenn man die Tücken kennt: In Österreich zahlt man mehr Gehaltsanteile ein und es gibt keine Pflegeversicherung.

  5. 34.

    Potentielle Nachfolger entwickeln Halli Galli Spielchen. Nur weiter so.

  6. 33.

    Es gibt für GGF einer GmbH die Möglichkeit der firmenfinanzierten Pensionszusage. Mit qualifizierter Beratung gelingt die Verankerung der Kapitalauszahlungsoption. Muss man sich nur rechtzeitig darum kümmern.

  7. 32.

    Es ist wahrscheinlich auch schlicht ein relativ normaler Prozess.

    Firmen wachsen immer weiter. Ich kenne den Chef eines Elektrobetriebes mit 45 (fünfundvierzig!!!) Angestellten. Der wollte nichtmal so groß werden, aber Kollegen hörten eben auf. Die Angestrellten und Kunden kamen eher automatisch zu ihm.

    Dazu die Bäckereiketten, Büchereiketten, Friseurketten, Optikerketten...läuft unter "ist eben so".

  8. 31.

    Ein sehr interessanter und auch für Laien wie mich verständlicher Artikel.

    @Kevin: "Wundert das, wenn der Staat jedem der nicht arbeiten will, den Lebensunterhalt bezahlt?"
    Ich denke, dass Ihr Einwand bei dieser Thematik keine allzugroße Rolle spielt. Gerade die Menschen, die mit ihren Händen schaffen, sind zumeist von ihrem Wesen her grundsätzlich arbeitswillig. Und ein Gehalt in dieser Branche stellt im Vergleich zu Bürgergeld (zu recht) doch nochmal eine andere Dimension dar.
    Zudem ist in dem Bericht von niemandem die Rede, der überhaupt nicht arbeiten will, es geht darum, ob die Mitarbeiter bereit sind, einen Betrieb zu übernehmen.
    Wie stellen Sie sich das denn in der Umsetzung vor: Sollen vom jobcenter arbeitsuchende Menschen zu einer Betriebsübernahme vermittelt werden?

  9. 30.

    Bei Arztpraxen ist das absurde, dass die vor 20 Jahren noch für 6stellige Beträge weggingen.

    Heute? Naja....kommt drauf an...

  10. 29.

    Vielleicht ist dass das Problem. Kundenstamm, Beschäftigte etc. Sind einfach kein Wert...

    Gebäude + Ausstattung (Werkzeuge, Materual etc)

    Mehr ist nicht an Wert zu bekommen, wo man auch einfach neu starten kann und wohl trotzdem schnell Kunden findet. Wer sich selbstständig machen möchte hat auch andere Wege als den Kauf eines Betriebes.

  11. 28.

    "Wie für die meisten Selbständigen, die in der Regel nicht gesetzlich rentenversichert sind ..."
    Dies ist wieder ein Beleg dafür, dass - Österreicher Modell - alle Berufstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollten: Selbständige, Freiberufler und Beamte, mit dem Effekt, dass das Rentenniveau erheblich ansteigen würde.

  12. 27.

    „denn wer sich auskennt, braucht wenig bis keine Beratung und wer sich nicht auskennt sollte keine Firma führen.“

    Das ist, sorry, sehr arrogant und überheblich.

    Woher soll der neue, jüngere Inhaber(ehemaliger Azubi/Student o. a.) Erfahrungen über innerbetriebliche Abläufe, Seilschaften, Rezepturen, steuerliche Besonderheiten, Marketingstricks und vieles mehr haben?

    Nennen Sie persönlich eine über Jahrzehnte erfolgreiche Firma mit Mitarbeitern ihr Eigen?

  13. 26.

    Bei Eismännern ist ein Beratervertrag die Regel.

    Da blicken Sie ein wenig kurz.

    Der Berater führt regelmäßig in unbekannte Abläufe der Firma ein, meistens zeitlich befristet.

    Eine Firma zu übernehmen bedeutet auch regelmässig örtliche Gebundenheit.

    Wie, glaube Sie, läuft das bei Praxen?

    Abschließend unterhalten wir uns hier übrigens über Berlin, nicht Kleinkleckerdorf.

  14. 25.

    Theoretisch richtig, praktisch aber schwierig, denn man muß jemanden finden, der genau dieses Unternehmen an genau diesem Standort zu dem Preis kaufen will, den man sich vorstellt.
    Beratervertrag in der Metallbaubranche dürft auch schwierig werde, denn wer sich auskennt, braucht wenig bis keine Beratung und wer sich nicht auskennt sollte keine Firma führen.

  15. 24.

    Ja damals gab es in Brandenburg diese Gründerlotsen, auch Selbständige die mit Rat und Tat unterstützt haben.
    Sehr gut der RBB-Beitrag oben. Ich bin für eine gesetzliche Versicherungspflicht mit einem Mindestbeitrag für Selbständige, die ein menschenwürdiges Auskommen im Alter sichert.
    Ich stelle immer wieder fest wie wenig sich Soloselbständige und Kleinunternehmer um soziale Absicherung kümmern und versuchen mit Minihonoraren über die Runde zu kommen. Die sind nach kurzer Zeit nicht mehr am Markt.
    Wenn das Geld dafür nicht für Vorsorge reicht, stimmt das Geschäftsmodell nicht.

  16. 23.

    Ja, 10 Riesen im Monat bei 20 Wochenstunden, wobei die eigentliche Arbeit aus zwei Stunden Dämlichquatschen pro Tag besteht. Schließlich braucht man ja genug Zeit, um in Prenzlberg seinen Latte zu schlürfen.
    Für so einen Job gibt es bestimmt genug Bewerber.

  17. 22.

    "5.000 EUR/Monat würden mir nicht reichen."

    Das ist mir schon klar, allerdings scheinen Sie von Neid getrieben.

    Realitäten sehen abseits des linken Neids oftmals anders aus, z. B. Verbindlichkeiten für ein Gewerbeobjekt, 15 Jahre alte Halle ist nicht selten nun wieder renovierungsbedürftig und elektrisch auf aktuellen Stand zu bringen.

    Ggf. ist das Objekt auch finanziert oder gehört im schlimmsten Fall eben zum GmbH - Betriebsvermögen.

    Gibt GmbH nun auf, ist der Gewinn der Immobilie komplett zu versteuern.

    Ärger mit Gewerbemietern gibt es immer, darauf kann man seine Altersvorsorge (hier vor allem "Klumpenrisiko) nicht seriös bauen.

    60000 Euro zu versteuerndes Einkommen klingt grundsätzlich viel, ist es aber nicht.
    - Unterhaltung Halle
    - Finanzierung Krankenversicherung, sicherlich tausend Euro/Monat mit Ehegattin
    - Steuern auf Einkommen, Durschschnittsbelastung 25, 4 %

    https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml?ekst-result=true

  18. 21.

    Dann hatten Sie zumindest eine selbstlose Beratung, findet man nicht allzu oft. Allerdings bedeutet "Freiwillig pflichtversichert" bereits nach kurzer Zeit, immer den Maximalbeitrag in der Rentenversicherung unabhängig vom realen Unternehmerlohn zu leisten und das muss man mit den vielen Unbekannten beim Start erst mal wollen und können. Im Unterschied dazu sind freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung deutlich flexibler - allerdings vom versteuerten Lohn zu zahlen (da gibt es aber über die Einkommenssteuererklärung recht viel zurück).

  19. 20.

    Solange Unternehmen ins Ausland abwandern, läuft etwas gewaltig schief in Deutschland. Hier wären Parteien mit völlig anderen und besseren Programmen gefordert, aber die sind nicht in Sicht!

  20. 19.

    Als Existenzgründer wurde mir vor über 20 Jahren beigebracht, dass man die Kosten für die eigene Gesundheits- und Altersvorsorge in den Preisen einzukalkulieren hat und dieses Geld eben nicht ins Unternehmen stecken sollte.
    Deshalb bin ich in der gesetzlichen Versicherung geblieben, was teuer ist da ich den AG- und AN-Anteil zu zahlen habe. Dafür bin ich aber unabhängig von Börsenturbulenzen abgesichert.
    Unabhängig von der Nachfolge sollte man sich ein klares Ausstiegsdatum setzen und dann das Unternehmen loslassen.

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