Berliner Verwaltung - Neue Arbeitssenatorin erwägt Modellprojekt für Vier-Tage-Woche

Di 02.05.23 | 17:48 Uhr | Von Jonas Wintermantel
  62
Archivbild: Cansel Kiziltepe, künftige Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, steht am 24.04.2023 bei einem Termin zur Vorstellung der designierten Senatoren und Senatorinnen im Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Bild: dpa/Monika Skolimowska

Statt fünf Tagen nur vier Tage arbeiten pro Woche: Diese Forderung von Gewerkschaften wird derzeit breit diskutiert. Der neue Berliner Senat steigt auf den Zug auf - und denkt zumindest über ein Modellprojekt nach. Von Jonas Wintermantel

Die Debatte um die Einführung einer Vier-Tage-Woche wird lauter. Die neue Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales, Cansel Kiziltepe (SPD), begrüßte die Diskussion in Hinblick auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes: "In den kommenden acht Jahren werden mehr als 44 000 Mitarbeitende der Berliner Verwaltung in Rente gehen", sagte Kiziltepe dem "Tagesspiegel". "Wenn wir als Land Berlin ein attraktiver Arbeitsgeber sein wollen, müssen wir jungen Menschen gute Angebote machen, wenn wir sie für Jobs in der Verwaltung begeistern wollen." Sie erwäge deshalb ein Modellprojekt für die Berliner Verwaltung.

Die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche ist nicht neu, hat aber in den vergangenen Monaten an Fahrt aufgenommen. Senatorin Cansel Kiziltepe reagiert damit auch auf sich verändernde Erwartungen an die eigene Arbeitsstelle. "Viele junge Menschen und vor allem Eltern mit Kindern wünschen sich eine bessere Balance von Arbeit und Freizeit. Diese Wünsche sollten wir berücksichtigen", sagte Kiziltepe dem "Tagesspiegel" weiter. Zuvor hatte sich auch die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken für eine Vier-Tage-Woche ausgesprochen.

Anteil von Teilzeit-Modellen in der Verwaltung steigt stetig

Bereits seit den 1990er Jahren fördert das Land Berlin die Möglichkeiten der Beschäftigung auch abseits der klassischen Vollzeit-Arbeit. Der für das Verwaltungspersonal zuständige Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sagte auf rbb-Anfrage: "Wir haben uns frühzeitig auf den Weg gemacht, die Attraktivität Berlins als Arbeitgeber zu verbessern. Flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten oder Sabbatical-Modelle sind beispielsweise fester Bestandteil dieses Angebots." Und weiter: "Wir müssen uns mit Blick auf zeitgemäße, familienfreundliche Arbeitsformen nicht verstecken - erst recht nicht, wenn es darum geht, rund 40 Wochenarbeitsstunden auf vier Tage zu verteilen." Tatsächlich ist die Teilzeitquote im Land Berlin von 2015 bis 2022 von 19,6 Prozent auf 24,9 Prozent kontinuierlich angestiegen.

Auch IG Metall für die Einführung

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte schon vor dem 1. Mai seine Forderung nach einer Vier-Tage-Woche für Arbeitnehmer bestimmter Branchen bekräftigt. Wie bereits im April angekündigt, will die IG Metall die Senkung der Wochenarbeitszeit in der Stahlindustrie von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich in den kommenden Tarifverhandlungen im Herbst durchsetzen.

Die Tarifverhandlungen in Nordrhein-Westfalen könnten auch Auswirkungen auf die Branche im Rest Deutschlands haben. Die Stahlindustrie befindet sich in einer besonderen Situation - die bisher kohlebasierte Industrie steht vor einem Umbau hin zu grünem, klimaneutral produziertem Stahl. Mit der Forderung nach einer Vier-Tage-Woche will man daher auch einem Abbau von Arbeitsplätzen zuvorkommen.

Forderung bald auch für Berlin und Brandenburg?

Auch Markus Sievers, der Sprecher der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, steht einer flächendeckenden Einführung der Vier-Tage-Woche grundsätzlich positiv gegenüber. Ob dies als konkrete Forderung in die nächste Tarifrunde im Herbst genommen wird, müssten die Gewerkschaftsmitglieder in den kommenden Monaten entscheiden. Die IG Metall vertritt im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen mehr als 100.000 betriebliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Befürworter der Vier-Tage-Woche verweisen auf verschiedene positive Effekte für Arbeitnehmer - darunter die Produktivität, Zufriedenheit, Arbeitsbelastung und Gesundheit der Mitarbeiter. In der bislang größten Studie zum Thema [autonomy.work] haben 61 britische Unternehmen das neue Modell getestet. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter sind ausgeruhter, gehen motivierter zur Arbeit und die Unternehmen verzeichnen weniger Fehlzeiten. 56 der beteiligten Unternehmen wollen die Vier-Tage-Woche beibehalten.

Aber es handelt sich hierbei um keine repräsentative Studie. So nahmen vor allem Dienstleistungs-Unternehmen teil, die ohnehin an der Einführung und Erprobung interessiert waren. Und: Die Arbeit in diesen Unternehmen ist stark von Büro-Arbeit geprägt. Eine Übertragung auf andere Branchen ist dehalb nicht ohne Weiteres möglich.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.05.2023, 9 Uhr

Beitrag von Jonas Wintermantel

62 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 62.

    Ich als Erzieherin kann nur sagen das es einigen Kindern mit Sicherheit zugute kommen würde!. Vor allem den Kindern unter 3 Jahren!. Für Kitas könnte das bedeuten das mehr Entlastung geschaffen wird da die Kinder ja dann sicherlich zuhause betreut werden können - sprich es auch nur einen Anspruch an Betreuung an 4 Tagen die Woche geben wird!.

  2. 61.

    Maewn, genau das ist eben nicht so. Nach der Wende haben viele im oed "Unterschlupf gefunden und waren im besten Alter. Nämlich um die Mitte 20 bis 30 und viele hatten Kinder im Kitaalter und junger. Mehr schreib ich nicht. Es ist zu deprimierend das zu erklären. Zumal man ja sein altes Arbeitsleben nicht mehr hätte.....

  3. 60.

    Damit die Work Life Balance bei den jungen Menschen stimmt, bin ich für eine 3 Tage Woche bei vollem Lohnausgleich.

  4. 59.

    Falsch. Es gilt die Arbeitszeitverordnung. Beamte sind keine Arbeitnehmer. Also, selbst schlau machen vor dem Austeilen

  5. 58.

    Falsch, die Arbeit wird nicht weniger, denn der Gesetzgeber erlässt jedes Jahr bis zu 400 neue Verordnungen und Gesetze, die schon jetzt nicht mehr abgearbeitet werden können, es blickt kein Mensch mehr durch, das soll dann die KI erledigen? Irgendeiner muss dann unterschreiben und den Stempel draufdrücken.

  6. 57.

    Ich arbeite seit 20 Jahren 4 Tage/ Woche und für 80% des Gehaltes, weil ich einen pflegebedürftigen Angehörigen habe.
    Ich habe dieselben Aufgaben wie eine 100%-Kraft und ich schaffe meine Aufgaben, weil ich mich gut organisiere. Ich fühle mich ausgebeutet und begrüße die Idee, vielleicht kann ich ja als Testperson an dem Versuch teilnehmen?

  7. 56.

    Ich habe diese Informationen aus erster Hand und nicht aus der Bild, gehen sie doch mal durch die Rathäuser Berlins, Sie stehen mit Sicherheit vor 50% verschlossener Zimmertüren. Raten Sie mal wo die Mitarbeiter alle sind, und die Krankenstatistik wird schön geheim gehalten.

  8. 55.

    Deswegen führt wie hier auch ein anderer Kommentator schrieb, kein Weg für den neuen Senat daran vorbei, die Verwaltung schnell zu digitalisieren und zu automatisieren sowie die Prozesse effizienter zu machen. Dann braucht man hier auch weniger Mitarbeiterstunden. Unzählige Prozesse sind zu undigital, zu ineffizient und zu umständlich in Berlin. Hier muss dringend etwas geschehen. Mit weniger Menschen mehr erreichen - sollte der Leitsatz in der Berliner Verwaltung sein. Auch sollten die Bürgerämter zu Kundenzentren werden.

  9. 54.

    Nee, nee, da haben Sie was falsch verstanden. Die wollen vier Tage, 32 Stunden, arbeiten und fünf Tage, 40 Stunden bezahlt haben. Irgendwie muss ja auch die Freizeit finanziert werden. Die Worklifebalancer halten doch keine 40 Stunden durch.

  10. 53.

    Die Arbeit in den Verwaltungen wird in naher Zukunft automatisiert. Das beginnt jetzt gerade schon. Die Beiträge über die Fähigkeiten diverser KI Modelle werden derzeit heiß diskutiert.
    Ich denke allerdings, dass es Datenbanken und keine Künstliche Intelligenzen sind, egal.
    Es wird Bereiche geben, die enorm viel Personal freigeben werden. Auch die Zulieferer der Autobauer werden massiv Stellen freigeben. Insgesamt ist das eine Frage von Umschulung und Weiterbildung des freiwerdenden Personals.
    Es wird allerdings in Zukunft sehr schwierig werden, Personal für die Gastronomie und das Hotelgewerbe zu rekrutieren.
    Der Markt regelt das allerdings nicht. Das muss staatlich gesteuert werden.

  11. 52.

    Das ist natürlich möglich. Grundsätzlich darf nicht länger als 8 Stunden täglich gearbeitet werden
    Es gibt jedoch die Möglichkeit auf eine Verlängerung hin bis zu 10 Stunden täglicher Arbeitszeit, wenn innerhalb eines Ausgleichszeitraumes die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten wird.

  12. 51.

    Soweit ich die neue Senatorin für Arbeit und Soziales, Cansel Kiziltepe (SPD) verstehe, möchte sie ein Pilotprojekt starten, wo der Offentliche Dienst eine Viertagewoche einführt. Ist in verschiedenen Industriesparten beeits jetzt der Fall, und der Öffentliche Dienst soll dann nachziehen. Ob dann, wie hier, wie von manchen Foristen vermutet, als Ausgleich die tägliche Arbeitszeit aufn 10 Stunden erhöht wird, ist allerdings nicht zu lesen.

  13. 50.

    Ihre Behauptung ist falsch! Haben sie ihre unwissende Meinung aus der Zeitung mit den 4 Buchstaben?

  14. 49.

    Im öffentlichen Dienst fehlen Mitarbeiter, vorhandene haben Überstunden. Die Gehälter liegen unterhalb des Niveaus der freien Wirtschaft. Wie stellt sich die Senatorin das in der Praxis vor? Mal unabhängig davon, dass sie nicht die Arbeitgeberseite Berlins ist. Da sind die Hinweise des Finanzsenators schon wichtig.

  15. 48.

    Wo haben sie das wissen her? Bild? Auch für Beamte gilt das Arbeitszeitgesetz, nur dass sie bis 13h täglich arbeiten dürfen. Im übrigen sind die wenigsten im ÖD Beamte, sondern ganz normale Angestellte. Aber Hauptsache mal aus Unwissenheit eine Sau fliegen lassen.

  16. 47.

    Ihre Antwort ergibt überhaupt keinen Sinn in Bezug zu meinem Hinweis. Wozu machen Sie das?

  17. 46.

    Weniger zu leisten und damit zu geben, wenn man könnte, ist...
    unsozial.

    „klausbrause“ : Rentenpunkte sind eine Winwin-Situation. „Wossi“ u.a. weisen nicht umsonst immer darauf hin. Erst gibt man, dann bekommt man. Aber nur wenn das Leistungsprinzip nicht von „klausbrause“ ungerecht aufgehoben wird und die Fleißigen bestrafen will.

  18. 45.

    Unbedingt die Verwaltung, digitalisieren, automatisieren und effizienter machen. Dann braucht man hier auch weniger Mitarbeiterstunden. Unzählige Prozesse sind zu undigital und umständlich in Berlin. Hier muss dringend etwas geschehen. Mit weniger Menschen mehr erreichen - sollte der Leitsatz in der Berliner Verwaltung sein.

  19. 44.

    Solange 10 Mio Bürger ne 0-Tage-Woche schieben zieht das Argument nicht, dass das nicht umsetzbar ist.

    Allerdings: KEIN LOHNAUSGLEICH ! Sondern eben andere Verteilung der Arbeit !

    Wer ungebildet ist, der kann nem hochbelasteten Arbeiter ohne Auto doch mal 20 Liter Wasser ins Haus tragen, oder mal nen Kind wenigstens an einem Tag zur Kita bringen !

    Das macht auch in 100 Jahren keine KI ! Eigentlich müsste jeder Arbeiter bei VW oder sonstwo jeden morgen im Hermelin zur arbeit/bis zum Werkstor getragen werden !

    Bügeln, Blaumänner waschen ? Klingt auch nicht so als müsste man sich erst 20 Jahre integrieren, um fleissigen Menschen das mal abzunehmen !

  20. 43.

    Stimme zu.
    Nur die Begrifflichkeit "Arbeiten" ist auch dann nicht überall anzuwenden, ist meine Einschätzung.

Nächster Artikel