Schillerpark-Center in Berlin-Wedding - Immobilienkonzern Aroundtown lässt Einkaufszentrum leerstehen

Mi 07.06.23 | 18:43 Uhr | Von Franziska Hoppen und Boris Hermel
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Schillerpark-Center im Wedding (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 Abendschau | 07.06.2023 | Boris Hermel | Bild: rbb

Seit drei Jahren steht das riesige Schillerpark-Center im Wedding leer - dabei gibt es große Nachfrage nach den Flächen. Doch der Luxemburger Pächter Aroundtown scheint andere Pläne zu haben. Von Franziska Hoppen und Boris Hermel

 

Vom einstigen Glanz des Schillerpark-Centers ist nichts mehr übrig. Der 25.000 Quadratmeter große Koloss auf der Müllerstraße ist seit 2020 verwaist. Die Glasfronten sind verklebt oder zerschlagen, die Hauswand ist mit Graffiti besprüht, der Putz blättert ab. Der riesige Real-Supermarkt zog nach Insolvenz der Kette vor einigen Jahren aus, es folgten die restlichen Geschäfte, am Ende auch die Bowlinghalle.

Für die Anwohnenden ist der jahrelange Leerstand bitter. Über mehr Geschäfte in der Müllerstraße würden sich wohl gerade viele älteren Menschen freuen. Aber auch soziale und kulturelle Einrichtungen, deren Gewerbemieten in den letzten Jahren gestiegen sind, wünschen sich preisgünstige Räume.

Immobilienkonzern aus Luxemburg

Doch der Pächter des Schillerpark-Centers, der luxemburgische Immobilienkonzern Aroundtown, ist nach Berichten von Kiezinitiativen schwer zu erreichen. Dabei ist Aroundtown spezialisiert auf Gewerbeimmobilien, hat in Berlin ein Portfolio aus Hotels, Shopping-Centern, Büro- und Lagergebäuden. Nach eigenen Angaben ist es das drittgrößte börsenorientierte Immobilienunternehmen Europas.

Es sei daher naheliegend, sagt Mathias Schulz, SPD-Abgeordneter für Mitte, dass Aroundtown mit dem Leerstand spekuliert und abwartet, bis das Unternehmen die Flächen zu noch höheren Preisen vermieten kann. Ihn ärgert außerdem, dass der Besitzer des Grundstücks, die Berliner Verkehrsbetriebe BVG, nicht gegen den Leerstand vorgeht. Die BVG besitzt eine U-Bahn-Werkstatt neben dem Center, ein Tunnel verläuft darunter.

Schulz vermutet, dass in dem sogenannten Erbbaurechtsvertrag, den die BVG mit Aroundtown abgeschlossen hat, nicht ordnungsgemäß festgelegt wurde, was im Falle eines langen Leerstands passieren soll. "Die Politik sollte in Zukunft die Musterverträge für die Erbbaurechtsverträge anpassen, so dass ganz klar geregelt ist, dass Leerstand wie dieser wenig vertragsgemäß ist und Verträge deshalb aufgelöst werden können", so Schulz.

Aroundtown hat Anzeigen geschaltet

Aus Sicht der BVG jedoch liegt kein Vertragsverstoß vor. Aber nur dann wären echte Sanktionen von Vertragsstrafen bis hin zur Rückübernahme des Grundstücks möglich, wie es in einer schriftlichen Antwort auf rbb-Anfrage heißt. Mehr noch: Es scheint Schwung in die Sache zu kommen. "Es gab ein Treffen am 17. Mai mit Vertretern des Unternehmens. Hier wurden die Pläne für die zukünftige Nutzung dargelegt. Es wurde jedoch Verschwiegenheit vereinbart", teilt die BVG mit.

Und auch Aroundtown selbst bestätigt auf rbb-Anfrage, "kein Interesse an Leerstand in Liegenschaften zu haben".

Und tatsächlich: Auf Immoscout hat Aroundtown zwei Anzeigen geschaltet. Fast die gesamten 25.000 Quadratmeter sollen schon ab dem 1. Juli als Büro-und Freizeitfläche vermietet werden. Angesichts des Zustands des Gebäudes verwunderlich. Und: Vermietet wird erst ab 3.000 Quadratmeter-Fläche – also für riesige Einheiten.

Ephraim Gothe, SPD-Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, macht das stutzig. Er nennt die Anzeigen "erstaunlich". Denn sie haben wenig mit dem zu tun, was Aroundtown in den letzten zwei Treffen mit dem Bezirksamt besprochen habe, u.a. auch Pläne für viele Wohnungen im Schillerpark-Center, die nun zumindest in den Anzeigen nicht mehr auftauchen. "Wir hatten Aroundtown bestärkt, diese Pläne zu verfolgen, aber es scheint kein Druck dahinter zu sein."

Jugendclub würde leerstehendes Gebäude gerne nutzen

Doch das Bezirksamt habe ohnehin keine Eingriffsmöglichkeiten, solange die vertraglich genehmigte Nutzung eingehalten wird, sagt Gothe. Auch dass die BVG als Eigentümer ein Beteiligungsunternehmen des Landes ist, ändere nichts an der Lage. "Ich kann an Aroundtown nur appellieren", sagt Gothe, "sich selbst ein bisschen ehrgeiziger hinzustellen und ein wirklich gutes Umbauprojekt hinzubekommen."

In Gothes Wunschszenario hätte die Nutzung am besten gemeinsam mit Kiezvertretern beschlossen werden sollen. Einige im Wedding suchen dringend nach neuen Flächen. Zum Beispiel die "Jugendetage 55", nur ein paar hundert Meter vom Center entfernt. In dem 50er-Jahre-Bau gibt es einen Mädchentreff, einen Jugendclub, Bildungsangebote, Kickertisch und Sportraum. Dutzende Jugendliche lernen und toben hier täglich. Doch die Elektrik ist marode, das Dach undicht, der Fluchtweg, ein alter Balkon, darf eigentlich nicht betreten werden. Projektleiterin Mandy Dewald hofft auf baldige Sanierung - und würde in der Zwischenzeit mit den Teenagern gerne ins leere Schillerpark-Center ziehen. "Es ist uns nicht gelungen, miteinander in Kontakt zu kommen", so Dewald. "Im ungünstigsten Fall machen wir dann mobile Arbeit oder müssen über eine Containerlösung im Schillerpark nachdenken."

Dass im Schillerpark-Center nun schicke Büros statt preisgünstiger Angebote für Kiezbewohner entstehen sollen, bestürzt sie. "Wenn man einen lebendigen, gut ausbalancierten Kiez haben will, muss man so etwas auch mitdenken", sagt Dewald. Auch Mathias Schulz von der SPD sieht das so. "Wir brauchen kein seelenloses Bürogebäude, sondern müssen einen Mehrwert für den ganzen Kiez schaffen." Doch auch Schulz sieht wenig Willen von Aroundtown, mit dem Kiez zu kooperieren.

Sendung: rbb24-Abendschau, 07.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Franziska Hoppen und Boris Hermel

24 Kommentare

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  1. 24.

    „gesellschaftlichem Nutzen“

    Sie müssen das präzisieren.

    „unter dem Deckmantel „Gesellschaft“ individueller Nutzen sich selbst benachteiligt fühlender Opfer“.

  2. 23.

    Was ist der Unterschied zwischen beiden, die "Soziale Marktwirtschaft" ist eine "Freie Wirtschaft", die bestimmten Regeln unterworfen ist, ergo, Gewinne zu erzielen ist auch hier gewollt.

  3. 22.

    Eiserne Wohnungspolitik!

  4. 21.

    Die verhalten sich garantiert nicht anders. Viele deutsche Millionäre zahlen hier kaum Steuern, weil sie das in Deutschland erwirtschaftete Geld ins Ausland verschoben haben. Oder gleich ganz ihren Wohn- und Geschäftssitz auf dem Papier in eine Steueroase verlegen. Beim Geld hört nämlich der "Patriotismus" für das eigene Land plötzlich auf. Da sind sich alle Heuschrecken der Welt gleich - und die Deutschen machen keine Ausnahme.

  5. 20.

    Nein, @Marvin, sie waren mal Hauptsponsor von Union. Ich hab gerade noch mal nachgesehen, sicherheitshalber. Sie sind jetzt nur noch Ärmelsponsor... Umstritten waren sie bei den Fans aber schon immer, von Anfang an 2019.

  6. 19.

    Das Grundstück gehört der BVG, und sie hat einen Erbbauvetrag mit einem Privatinvestor abgeschlossen und nicht mit der Stadt oder den Bezirk, die scheinbar kein Interesse hatten.
    Tja, und Privatinvestoren müssen Geld verdienen, ansonsten gehen sie Pleite.

  7. 18.

    Ich denke, da liegt der Hase im Pfeffer.
    Vor über dreißig Jahren gab es noch den Kommunismus, darum gab es hierzulande die Soziale Marktwirtschaft. Dann hat der Kapitalismus angeblich den Kommunismus besiegt und seitdem wird das Soziale in unserer Marktwirtschaft zunehmend vernachlässigt.

  8. 17.

    Wie kann man nur solch einen Schwachsinn schreiben?
    Natürlich dürfen Ausländer (auch in Form eines Unternehmens)in Frankreich bzw. Italien Immobilien erwerben. In Italien gilt hierbei das Prinzip der Gegenseitigkeit, das heißt, diese Möglichkeit muss dann auch für Italiener im jeweiligen Ausland bestehen, wird innerhalb der EU aber als gegeben vorausgesetzt.

  9. 16.

    Ich vermute mal, das "deutsche Millionäre" sich auch nicht viel anders verhalten würden als eine luxemburger Heuschrecke.

  10. 15.

    Ist das nicht die Basis unserer Gesellschaft?:
    Artikel 14 Grundgesetz
    Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
    Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetze erfolgen (…)
    Welcher Allgemeinheit nutzen leerstehende Immobilien? Zu wessen Wohl werden Wohnungsneubauten im Luxussegment gebaut? Warum werden weiterhin Büroflächen in Cityräume gebaut? Warum lässt es eine Gesellschaft zu?

  11. 14.

    Vielleicht verfügen die Interessenten nicht über ausreichend Bonität oder wollen nur kurzfristig laufende Mietverträge schließen. Hätten wir doch die Glaskugel.

  12. 13.

    Wann versteht der deutsche Staat, dass ausländische Unternehmer keine Immobilien mehr mieten oder kaufen sollten. In Italien und Frankreich dürfen nur einheimische, kaufen oder mieten. Es wird Zeit dieses zu ändern. In Deutschland, gibt es genug Millionäre die kaufender Mieten würden.

  13. 12.

    Ok, ich muss Ironie deutlicher kennzeichnen. Profit über gesellschaftlichem Nutzen ist das vorherrschende System (Kapitalismus)...

  14. 11.

    Dann werden also die
    Berliner Verkehrsbetriebe
    Büros für viel Geld,
    in einem Gebäude mieten,
    das auf einem Grundstück steht,
    dass sie für billiges Geld verpachtet hat ! ?
    Doch soviel Geschäftssinn !

  15. 9.

    Also vor über 30 Jahren bemühten sich einige mir den Unterschied zwischen „freier Marktwirtschaft“ und „sozialer Marktwirtschaft“ zu erklären. Wenn ich sie recht verstehe ist für sie letzteres wohl erledigt?

  16. 8.

    Wenn der Vandalismus da so weitergeht, dann bleibt von dem "wertvollen" Center bald nur noch eine zerstörte Schrottimmobile übrig. Vielleicht ist das sogar Absicht, damit dort etwas anderes gebaut werden kann?

  17. 7.

    Und für diese Spekulanten gibt der „Kultklub“ aus dem Wäldchen seine Brust her ?!?!?

  18. 6.

    Wer darüber noch schockiert ist, ist aber sehr naiv. Willkommen in der Realität.

  19. 5.

    Ziel eines Unternehmens ist es Gewinn zu machen. Ihr Post ist mir unverständlich

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