Immobilienkrise - Berlin baut weniger neue Wohnungen als im Vorjahr

Mo 11.12.23 | 11:33 Uhr
  63
Symbolbild:Ein Bauarbeiter trägt auf einer Baustelle nahe des Alexanderplatzes Stahlstangen.(Quelle:picture alliance/dpa/C.Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.12.23 | Thorsten Gabriel | Bild: picture alliance/dpa/C.Soeder

20.000 neue Wohnungen pro Jahr hat sich der Senat zum Ziel gesetzt. 2022 wurde das Ziel schon verfehlt, in diesem Jahr sieht es noch düsterer aus. Optimismus für 2024 versprüht Bausenator Gaebler auch nicht. Und aus der Baubranche kommt Kritik.

  • Rund 16.000 Wohnungen werden in diesem Jahr neu gebaut, im vergangenen waren es 17.310
  • Auch nächstes Jahr wird Zielmarke von 20.000 neuen Wohnungen wohl nicht erreicht
  • Baubranche beklagt zu wenige Aufträge und Diskussion über Enteignung

Trotz der hohen Nachfrage nach Wohnraum in der Hauptstadt kommt der Wohnungsbau in Berlin nicht in Schwung. Das Ziel, jährlich 20.000 neue Wohnungen zu schaffen, wird auch in diesem Jahr verfehlt. Wie Bausenator Christian Gaebler (SPD) der Deutschen Presse-Agentur sagte, werden es voraussichtlich nur etwa 16.000 sein. "Das liegt unter dem Vorjahreswert von 17.310. Gemessen an dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld und auch im Bundesvergleich liegen wir damit aber noch ganz gut", so Gaebler.

Ziel wird wohl auch 2024 nicht erreicht

Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD vereinbart, dass angesichts der Mangelsituation jährlich bis zu 20.000 neue Wohnungen entstehen sollen. "Ja, wir bleiben 2023 unter dem Bedarf von 20.000, sind damit aber nicht alleine. Auch der Bund rechnet damit, sein Ziel von 400.000 Wohnungen zu verfehlen", sagte Gaebler.

Auch für 2024 ist Gaebler pessimistisch: "Ich schätze, dass es nächstes Jahr noch einmal schwierig wird, vielleicht gehen die Zahlen auch noch einmal runter", so der SPD-Politiker. "Danach aber, ab 2025, werden wir eine deutliche Entspannung bekommen. Das sagen mir Projektentwickler und auch die Investitionsbank Berlin." Die Durststrecke halte im nächsten Jahr noch an. "Danach geht es aber wieder aufwärts - das ist die Hoffnung und die Erwartung."

Bauwirtschaft sieht Politik in der Pflicht

Die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, die die Interessen des Baugewerbes vertritt, sieht die Politik in der Pflicht. Die Auftragseingänge im Wohnungsbau seien 2023 auf einem erschreckend niedrigen Niveau. "Die Ursachen dafür sind hohe Materialpreise, gestiegene Kreditzinsen, kaum Förderung des energieeffizienten Bauens, aber auch die zu langen Genehmigungszeiten", so Geschäftsführerin Katarzyna Urbanczyk-Siwek.

"Außerdem, wer wie in Berlin nach wie vor über eine Enteignung von Wohnungseigentümern diskutiert, braucht sich in der jetzigen Situation nicht über die Zurückhaltung bei den Investitionen in neue Wohnungsprojekte zu wundern." Aus Sicht des Baugewerbes braucht es entschlossenes Handeln der Politik, damit der Bau nicht komplett zum Erliegen komme.

Der Generalsekretär der Berliner FDP, Lars F. Lindemann, sagte, Schwarz-Rot sei für Fortschritt und Aufbruch angetreten. "So sehen aber die Zahlen im Wohnungsbau nicht aus." Was Berlin brauche, sei eine ambitionierte Neubauoffensive, die Ausweisung von mehr Bauflächen, eine Aufstockungsoffensive und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

Gaebler: Baubranche spürt die Zinsentwicklung

In der Baubranche gebe es bei vielen Unternehmen einen Zinsschock, so Gaebler. "Die sagen: Wir haben ganz anders kalkuliert, was machen wir denn jetzt?" Die aktuellen Bauzinsen seien aber nichts völlig Neues. "Vor 20 Jahren hatten wir das Niveau schon einmal. Aber der Sprung in relativ kurzer Zeit, der hat alle Kalkulationen durcheinandergebracht", sagte Gaebler. "Und weil die Preise sowieso schon relativ hoch sind am Markt, haben die Unternehmen keine Spielräume mehr."

Wohnungsbau müsse sich aber auch rechnen. "Wenn selbst der Vorstand eines großen privaten Wohnungsunternehmens sagt, er baut nicht mehr, weil er nicht zu Preisen von 20 oder 22 Euro den Quadratmeter im Neubau vermieten will, weil er den Anspruch hat, für breitere Schichten der Bevölkerung Wohnungen anzubieten, dann heißt das ja schon was."

Dass der Rückgang der Neubauzahlen 2023 nicht noch stärker ausgefallen ist, war aus Sicht des Senators nicht das Verdienst von Schwarz-Rot: "Wir in Berlin haben bei den fertiggestellten Wohnungen noch einen gewissen Nachlauf, muss man ehrlicherweise sagen. Wenn in Berlin manche Sachen länger dauern, ist das in diesem Fall von Vorteil", sagte Gaebler. "Es liegt aber auch an den landeseigenen Gesellschaften, die weiterbauen und weiterbauen müssen und das bisher auch tapfer getan haben." Hinzu komme, dass es für den privaten Wohnungsbau immer noch attraktiver sei, in Berlin zu bauen als anderswo.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.12.2023, 8:45 Uhr

63 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 63.

    Man sollte hier das Wohnungs-Sharing komplett steuerfrei machen. Dann könnten Menschen mit zu großen Wohnungen sich durch die Vermietung eines Zimmers zusätzliche Einnahmen erwirtschaften. Sie rechnen falsch, nicht jeder, der nach Berlin kommt braucht eine eigene Wohnung. Der Wohnraum muss flexibler gedacht werden, z.B. Sharing von Wohnflächen und Umwidmung von leerstehenden Gewerbeflächen. Schutzsuchende müssen bundesweit verteilt werden und nicht in prekären Mietmärkten untergebracht werden.

  2. 62.

    Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Verantwortung die eine Eigentumswohnung mit sich bringt und die damit einhergehenden Aufgaben zu meistern. Ich erlebe es regelmäßig auf Eigentümerversammlungen wie ungebildet und ahnungslos die Menschen sind. Einige Eigentümer wären besser Mieter geblieben. Obwohl Sie genug Geld haben.

  3. 61.

    Ja, und beim Bahnhof Pankow-Heinersdorf hätte man so richtig viel Platz für Hochhäuser an der Autobahn. Aber da ich seit über einem Jahrzehnt Stillstand. So schlimm kann also die Wohnungsnot doch nicht sein in Berlin.

  4. 60.

    Doch Wohnungsbau müsse sich für die Unternehmen schließlich rechnen. „Wenn selbst der Vorstand eines großen privaten Wohnungsunternehmens sagt, er baut nicht mehr, weil er nicht zu Preisen von 20 oder 22 Euro den Quadratmeter im Neubau vermieten will, weil er den Anspruch hat, für breitere Schichten der Bevölkerung Wohnungen anzubieten, dann heißt das ja schon was.“

  5. 59.

    Berlin hat viel Bauland, woll das aber nicht bebauen lassen. Stöbern Sie mal im Flächennutzungsplan.

  6. 57.

    Es geht erst einmal um attraktiven Baugrund. Kennt man doch am Kudamm ist der Preis höher als am Rand der Stadt.
    Ihre Schlussfolgerung ist daher nur zum Teil richtig. Der Standort (unter anderem) schlägt sich im Preis nieder.
    Wenn man mit dem bauen nicht hinterherkommt fallen nicht automatisch die Grundstückspreise. Grund und Boden ist halt endlich.
    In den letzten Monaten wurden immer alle möglichen Gründe angeführt warum die Ziele nicht erreicht wurden aber es gab keine Aussage "zu wenig Grundstücke"

  7. 56.

    Wir brauchen mehr, nicht weniger Flexibilität bei den Mietverträgen. Also Anpassung von Wohnungsmietverträgen an normale Verbraucherverträge. Dann hätten auch wieder mehr Menschen Lust, Wohnraum zu schaffen. Aber bei sicheren, stressfreien 4% auf dem Tagesgeld und nicht mal 2% Rendite bei Wohnungen mit dem Stress der Vermietung und der politischen Unsicherheit baut natürlich niemand mehr Wohnungen. Vollkommen verständlich und nachvollziehbar.

  8. 55.

    Abgesehen von den Kaufpreisen und hohen Zinsen sollte man grundsätzlich mal über die Eignung von Menschen als Eigentümer nachdenken. Ich erlebe als Hausverwalterin oft, dass es eine große Zahl an Eigentümern gibt, die gar nicht verstehen, wie eine Wohnungseigentümergemeinschaft überhaupt funktioniert. Es ist also gut, dass nicht jeder Eigentum erwerben kann, weil somit eine gewisse Professionalisierung stattfindet. Es müsste eine Art Immobilienbefähigungsprüfung vor dem Immobilienkauf geben.

  9. 53.

    Ihrem Kommentar stimme ich zu. Auch bei uns steht vieles Solide leer, Vandalismus kommt, es werden gute 11geschosser weggerissen und gleichzeitig gibts kaum bezahlbare Wohnungen mehr.....

  10. 52.

    Die Höhe von Gebäuden bringt unverhoffte Einblicke in Nachbargrundstücke, zusätzliche PkW ... Die haben zum beladen gefühlt 10 Türen bevor losgefahren wird. Und es gibt einen Trend zum Drittwagen.

  11. 50.

    Die Höhe von Gebäuden bringen Schatten. Tatsächlich und symbolisch. Sie haben keine Ahnung davon?

  12. 49.

    Wenn man sich die Trends bei den Berliner Grundstückspreisen anschaut und die für Marktwirtschaft üblichen Zusammenhänge von Angebot und Preis hinzulegt, kommt man recht schnell darauf dass offensichtlich zu wenig Angebot an Baugrund vorhanden ist. Wenn schneller bzw. mehr ausgewiesen wird als die Baubranche mit dem Bebauen hinterherkommt müssten die Preise zumindest theoretisch fallen oder stabil bleiben. Tun sie aber nicht. Sie steigen steiler, bereits wesentlich länger als die Baukosten und steiler als die Preise der fertigen Immobilien. Das spricht doch eindeutig dafür, dass zumindest in Berlin zu wenig Bauland vorhanden und dies auch eines der größten Probleme ist.
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/322313/umfrage/preisentwicklung-fuer-bauland-in-berlin/

  13. 48.

    .. ach und das tun Busspuren und Vorrangschaltungen nicht? Ebenso wie das 49€ Ticket usw usw Schö,n wenn man sich die,Welt macht wie sie einem gefällt.

  14. 47.

    martin:
    "es sollte ein vormietrecht für in berlin geborene geben."

    Dies wäre verfassungswidrig, weil es im öffentlich-rechtlichen Bereich gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG und im privaten Bereich gegen die Privatautonomie verstößt, dass ein privater Vermieter sich seinen Vertragspartner/Mieter aussuchen kann.

    martin:
    "den echten berliner gibt es auf diese weise auf jeden fall bald nicht mehr."

    Was soll das sein: "ein echter Berliner"? Das ist doch nur ein inhaltsleerer Mythos! Es gehört zu Groß- und Hauptstädten, dass dort viele Zugezogene leben. Das macht dann auch den Reiz dieser Orte aus, dass dort die Engstirnigkeit fehlt, die es in inzestiösen Orten ohne Zuzug und Durchmischung gibt.

  15. 46.

    Oh cool. Sie sagen also wir bräuchten alle keine Miete mehr zahlen, wenn wir 0 m² Fläche konsumieren. Ein richtiger Scherlock.
    Ich finde jeder sollte sich um eigenes Eigentum kümmern. DAS sollte der Staat unterstützen. Zinslose Kredite für Erstanschaffung oder Bau. Dazu die Bauvorschriften massiv bereinigen und vor allem sich nicht selbst 6% Grunderwerbssteuer in die Taschen stecken und obendrein noch Grundbucheintrag und sonstige Abgaben doppelmoppel abkassieren. Bei einem Kaufpreis von 200.000€ erzeugt das Nebenkosten von über 22.300€ für den Staat und für Dritte, die die Hand aufhalten.
    Grunderwerbsteuer 6,00 % 12.000 €
    Maklerprovision 3,57 %....... 7.140 €
    Notarkosten 1,50 % ............3.000 €
    Grundbucheintrag 0,50 %....1.000 €

  16. 45.

    Wenn wie z.B. in der Hasenheide 47 das zuständige Bezirksamt Fristen bis zum St. Nimmerleinstag verlängert, stehen halt auch größere Mietshaus lange leer. Das ist übrigens das gleiche BA, dass, wenn die richtigen Genossen kommen, auch Bau von teuren Dachgeschosswohnungen zulässt.

  17. 44.

    Was ist mit den vielen jahrelang leerstehenden Wohnungen und Häusern?! Manche verfallen sogar oder brennen ab. Warum wird politisch nichts unternommen, um diese der Nutzung zuzuführen?

Nächster Artikel