GDL-Ausstand - Zweiter Lokführer-Streik innerhalb kürzester Zeit legt Bahnverkehr lahm

Do 07.12.23 | 23:18 Uhr
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Archiv: Eine Anzeigetafel weist im Hauptbahnhof in Berlin auf den angekündigten Bahnstreik der Lokführergewerkschaft GDL hin. (Foto: dpa)
Video: rbb24 | 07.12.2023 | Ole Hilgert | Bild: dpa

Am Donnerstagabend hat der eintägige Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL zunächst im Güterverkehr begonnen. Seit 22 Uhr sind auch der S-, Regional- und Fern-Bahnverkehr lahmgelegt.

  • GDL-Warnstreik im Personenverkehr ab 22 Uhr bis Freitagabend
  • Notfahrplan mit rund einem Fünftel der Fernzüge
  • S-Bahnen und Regionalzüge stark beeinträchtigt
  • BVG, ODEG, NEB, Flixtrain nicht betroffen
  • keine weiteren Streiks bis zum 7. Januar

Der zweite Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL im aktuellen Tarifstreit mit der Deutschen Bahn und anderen Unternehmen hat am Donnerstag begonnen. Seit 18 Uhr legten Beschäftigte im Güterverkehr wie angekündigt die Arbeit nieder. Seit Donnerstag 22 Uhr ist auch der Personenverkehr betroffen, wie ein Bahn-Sprecher bestätigte. Der Ausstand soll hier 24 Stunden bis Freitagabend, 22 Uhr, andauern.

Dennoch will die Bahn versuchen, rund 20 Prozent des Fernverkehrs während des Ausstands aufrechterhalten. Im Regionalverkehr erwarte die Bahn aufgrund des Warnstreiks große Unterschiede je nach Region, sagte Bahnsprecher Achim Stauß. Auswirkungen würden auch über das Wochenende hinaus zu spüren sein. Die Bahn empfiehlt ihren Fahrgästen erneut, Reisen zu verschieben oder auf Fahrten bis Freitagabend zu verzichten.

Weselsky spricht vom letzten Warnstreik in 2023

Laut GDL-Chef Claus Weselsky ist es der letzte Warnstreik in diesem Jahr. "Wir werden diese Streikaktion am Donnerstag und Freitag durchführen und es ist für dieses Jahr die letzte", sagte Weselsky am Mittwoch im MDR. Bis zum 7. Januar werde es keinen weiteren Arbeitskampf geben.

Auch Berliner S-Bahn wird bestreikt

Zum Warnstreik aufgerufen sind die Beschäftigten der Deutschen Bahn einschließlich der S-Bahn-Betriebe in Berlin und Hamburg sowie der Eisenbahnunternehmen Transdev, AKN und City-Bahn Chemnitz sowie weiterer Unternehmen.

Die S-Bahn Berlin forderte ihre Kunden auf: "Bitte rechnet auch vor und nach dem Streik mit Einschränkungen." Fahrgäste in Berlin sollten auf U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse umsteigen.

Die BVG ist nicht davon betroffen, ebensowenig wie die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB), Flixtrain und die ODEG. Letztere wies aber am Mittwochabend darauf hin, dass es auf allen Linien zu Störungen kommen kann [odeg.de].

Bahn veröffentlich online Notfahrplan

Mit dem Arbeitskampf setzt die GDL die Bahn kurz vor dem sogenannten großen Fahrplanwechsel an diesem Sonntag unter Druck. Dieser sieht eigentlich zahlreiche neue Fern- und Regionalverkehrsverbindungen und eine Aufstockung der Zugflotte vor. Doch bevor neue Züge auf die Schiene kommen, muss die Bahn nun zunächst zahlreiche umdisponieren. Bis einschließlich Sonntag gilt wegen des Warnstreiks jeden Tag ein anderer Fahrplan - Dauerstress für die Beschäftigten in den Leitstellen. Der Notfallplan ist auf der Unternehmensseite t [bahn.de] online.

"In den Auskunftsmedien auf bahn.de und in der App DB Navigator sind ab sofort alle Verbindungen des Notfahrplans abrufbar", teilte der Konzern am Vormittag mit.

Für diese Fahrten sollen demnach Züge mit mehr Sitzplätzen eingesetzt werden. "Dennoch kann eine Mitfahrt nicht garantiert werden", teilte das Unternehmen mit. Reisende werden gebeten, sich vor Fahrtantritt zu informieren, ob ihre Verbindung verfügbar ist. Zudem könnten sich Betroffene unter der kostenlosen Rufnummer 08000-996633 über Zugausfälle im Regional- und Fernverkehr informieren, hieß es.

Erneut bietet die Bahn ihren Kundinnen und Kunden an, ihre am 7. oder 8. Dezember geplante Reise zu verschieben, sie hob die Zugbindung an diesen Tagen auf. Fahrgäste können ihre Reise dieses Mal aber nicht nur später antreten, sondern auch vorverlegen und ihre Tickets bereits vor dem Streikstart am Donnerstagabend nutzen. Sie können außerdem Züge mit einer anderen Streckenführung zu ihrem Zielort nutzen, als ihr ursprünglich gebuchter.

Bis zum Start des neuen Fahrplans sind die Streikauswirkungen im Personenverkehr aller Voraussicht nach aber kein Thema mehr.

Letzter GDL-Streik Mitte November

Die GDL will mit der Aktion den Druck in der laufenden Tarifrunde erhöhen. Sie will so unter anderem der Forderung nach einer Arbeitszeitsenkung für Schichtarbeiter Nachdruck verleihen. Knackpunkt ist vor allem die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Die Arbeitgeber lehnen das bisher ab.

Zuletzt streikte die GDL bei der Bahn am 15. und 16. November. Bei dieser 20-stündigen Arbeitsniederlegung fielen gut 80 Prozent der eigentlich vorgesehenen Fernverkehrsfahrten aus. Im Regionalverkehr waren die Auswirkungen in manchen Bundesländern noch deutlicher, in einigen Regionen fuhr zeitweise quasi kein Zug und kaum eine S-Bahn.

Im Januar drohen längerer Arbeitskämpfe

Die parallel gestartete Urabstimmung unter den GDL-Mitgliedern dauert noch einige Zeit an. Das Ergebnis soll am 19. Dezember vorliegen. Dann sind auch unbefristete Streiks möglich. Weselsky rechnet eigenen Aussagen zufolge mit einer Zustimmung von 90 Prozent. Mehr als 75 Prozent sind nötig, wenn die GDL zu solchen Arbeitskämpfen aufrufen will. Die Mitglieder müssen die Maßnahme absegnen, denn Streiks können für sie ins Geld gehen. Das Streikgeld der Gewerkschaft gleicht in der Regel nur einen Teil der Lohn- und Gehaltseinbußen aus, die Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei Arbeitskämpfen entstehen können.

Ein Ausweg aus der Tarifmisere ist derzeit nicht erkennbar. Rund zwei Wochen ist es her, dass die GDL die Verhandlungen bei der Bahn hat scheitern lassen. Viel miteinander geredet wurde seither dem Vernehmen nach nicht. Die Fronten sind insbesondere beim Thema Arbeitszeitreduzierung verhärtet. Zudem will die GDL ihren Einflussbereich ausweiten und bei der Bahn auch für die Beschäftigten der Infrastrukturtochter DB Netz Tarifverträge abschließen. Die Bahn lehnt das ab und verweist auf die dort bereits existierenden Tarifregelungen mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).

Sendung: rbb24 Abendschau, 7.12.2023, 19:30 Uhr

107 Kommentare

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  1. 107.

    "... Wenn sie wüssten was in diesem Unternehmen los ist, hätten sie Verständnis für die Streikenden. ..."
    Bitte konkreter!
    Was ist bei der DB los?

  2. 106.

    "Hohe Lohnabschlüsse in Zeiten hoher Inflation treiben die Inflation immer weiter an."
    Ach so ist das. Cool. Deshalb ist die Inflation von August bis November auch gesunken - von 6,1 auf 3,8 %. Ähm nee. Geldmengen- und Zinspolitik spielen natürlich ebenso keine Rolle wie die Handelslage in der EU bzw. weltweit. Höhere Lohnabschlüsse können sich natürlich auf die Verbraucherendpreise auswirken, aber solange hier nicht wieder ein Krisentaschenvollsteckmodus mit eingepreist wird, werden sich die Preiserhöhungen in überschaubaren Grenzen halten und meist auch unter der Abschlußhöhe, bzw. dem Lohnzuwachs liegen.

  3. 105.

    Einkaufen von Fremdpersonal, wenn die Unternehmen auch so schon kein Personal bekommen? Der war gut.

    Woher bekommt der Dienstleister sein Personal, das er dann an die DB verleihen kann?

  4. 104.

    Gewerkschaften wie die GDL und das Streikrecht ist das beste was es in Deutschland gibt.
    So können die Arbeitgeber nicht machen was sie wollen.
    Und wie würde es ohne Gewerkschaften aussehen ?

    2 Wochen Jahresurlaub, Verdienstobergrenze 1200 Euro Netto, außer die Gehälter der Vorstände ? 48 Stundenwoche ohne Überstundenausgleich ? Rente mit frühestens 73 Jahren oder noch besser Arbeiten bis zum Lebensende ?

  5. 103.

    Gewerkschaften wie die GDL und das Streikrecht ist das beste was es in Deutschland gibt.
    So können die Arbeitgeber nicht machen was sie wollen.
    Und wie würde es ohne Gewerkschaften aussehen ?

    2 Wochen Jahresurlaub, Verdienstobergrenze 1200 Euro Netto, außer die Gehälter der Vorstände ? 48 Stundenwoche ohne Überstundenausgleich ? Rente mit frühestens 73 Jahren oder noch besser Arbeiten bis zum Lebensende ?

  6. 102.

    Klar, es sind immer die Lohnforderungen, nie die Gier der oberen 2 % die die Preise bestimmen.
    Und Begriffe wie Übergewinne oder Gierflation sind auch nicht von dieser Welt.
    Nö, der streikende Lokführer ist für die 8 Euro für 500 Gramm Brot (warum nicht gleich 11,29 für 350 Gramm?) verantwortlich.

  7. 101.

    Man kann Streiks aus dem Weg gehen durch das Einkaufen von Fremdpersonal. Durch die sehr viel höhere Personaleffektivität kann man auch dort etwas tiefer in die Tasche greifen. Dadurch gibt es keine Streiks mehr.

  8. 100.

    Streikbrecher sind nicht gerne gesehen. *Solidarität mit den streikenden Kollegen ist angesagt.* Die DB bewegt sich nicht und macht den Streikenden keine vernünftigen Angebote. Warum sollen die Streikenden um Almosen bei der Bahn betteln? Da gibt es andere Möglichkeiten und die sind legitim. Schluss mit dem Gewerkschaftsbashing!

  9. 99.

    Uff jeden Fall ist die streikende Kindergärtnerin, der streikende Polizei- und Verwaltungsbeamte und natürlich der streikende GDL-Lokführer schuld am allgemeinen Bösen und dem Weltenzustand an sich.

    Wat den Berufspendler betrifft:

    pendeln ist eine persönliche Entscheidung, wo man aus ganz persönlichen Dingen seine eigenen Vorteile maximiert und statt zu jammern und im ICE abzuhängen und den dort den wichtigen Maxe zu spielen, einfach zu seiner Arbeitsstelle hinziehen und / oder selbst für bessere Lohnbedingungen streiken könnte.

    Alle Streiks sind richtig, sind von der Verfassung garantiert und sind das einzige Mittel, den seit 40 Jahren herrschenden neoliberalen Zerstörungszustand, den Dritte verursacht haben, nicht auf sich und seine Familie abwälzen zu lassen.

  10. 98.

    Herr Weselsky ist Gewerkschaftschef und nicht Chef des Fahrgastverbandes, warum soll er sich bei ihnen blicken lassen?

  11. 96.

    Zuerst kommt die Inflation und erst danach die Lohnforderungen. Nie umgekehrt.

  12. 95.

    Von mir aus können die Lokführer für ihre überzogenen Forderungen streiken bis sonst wann. Die Aussagen von H. Weselsky im Fernsehen zum Zustand der DB, den angeblich so unfähigen Vorständen und dem das man seiner Meinung nach alles tun müsste, hätte und sollte, hat mir gezeigt, der Mann ist nicht von dieser Welt. Sein großkotziges Auftreten ist eigentlich nur abstoßend. Vielleicht hätte er Vorstand werden sollen und nicht nur große Reden schwingen.

  13. 94.

    Danke an alle verantwortungsbewussten Lokführer, die den Notberrieb bei der S-Bahn möglich machen.

  14. 93.

    Ehrlich "hätte, hätte, Fahrradkette" als Argumentation gegen gegen das Grundrecht auf Arbeitskampf? Wenn Sie nicht für eine gerechtes Entgelt arbeiten möchten, dürfen Sie dieses natürlich.
    Übrigens geht's hier nicht um eine Entgeltsteigerung, sondern um sondern um eine Inflationsbereinigung. Anders gesagt damit wird die Kaufkraft der Lokführer wieder hergestellt und der Wirtschaftskreislauf wieder angekurbelt.

  15. 92.

    Bei hoch steigender Inflation von vermeintlich "hohen" Lohnabschlüssen zu reden, ist eine Absurdität in sich. Die Erhöhung dient dazu, die Arbeit nicht noch weiter entwerten zu lassen. Inflation darf nicht zur Lohndrückerei missbraucht werden.

  16. 91.

    Wieso glaubt jeder das man bei Autonomen Zügen kein Personal braucht ?
    Warum wünscht man anderen Menschen die womöglich auch Familien haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren ?
    Die tun nichts anderes als nur für ihre Rechte zu kämpfen.
    Zum Glück gibt es das Streikrecht um Vorständen wie zb . Der deutschen Bahn Druck zu machen.
    Warum sind soviele Menschen wie zb. Sie so unsolidarisch und unsozial eingestellt ?
    In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich wenn niemand dem anderen was gönnt ?
    Wenn niemand dem anderen gönnt ein gutes Familienleben zu haben ? Schade, anscheinend muss man wohl damit leben das unsere Gesellschaft kaputt ist.
    Daran sind Leute wie sie oder zb. das Schnabeltier schuld, mit ihrem unsozialen Verhalten.

  17. 90.

    Keiner von uns Streikenden streikt gegen die Kunden, gegen die Pendler. Wenn sie wüssten was in diesem Unternehmen los ist, hätten sie Verständnis für die Streikenden.
    Der Vorstand der Bshn lässt uns keine andere Wahl als zu streiken.
    Die Kund sind hier wie aber auch in anderen Branchen immer die Leittragenden, haben aber auch meist selbst in ihrer Branche die Möglichkeit für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
    Über bessere Arbeitsbedingungen will der Vorstand noch Nichteinmal reden.

  18. 89.

    Mal sehen ob Sie noch der gleichen Meinung sind, wenn ein 500 Gramm Brot 8€ kostet, die Bahnfahrt nicht unter 100€ kostet, und essen gehen pro Person 50€ kostet. Wenn Sie dann später mal in Rente sind brauchen sie zwei drittel ihrer Rente für die Miete.

  19. 88.

    Die von Ihnen genannte, oft angeführte Spirale hat zim einen mit den letzten Inflationsauswüchsen nichts zu tun und ist auf der anderen Seite eher Mythos als belegbares Modell. Rauskommen müssen wir da nicht, wir stecken ja nicht drin. Und sinkende Preise, also Deflation, sind meines Wissen bisher nicht ausgerufen worden. Alleine der Anstieg der Preise verlangsamt sich.

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