Rekordwert - Säumige Steuerzahler schulden Berlin mehr als 900 Millionen Euro

Fr 15.03.24 | 19:32 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symbolbild: Steuerformulare sowie Taschenrechner und Aktenordner mit Belegen liegen auf dem Tisch. (Quelle: dpa/Hans-Jürgen Wiedl)
Audio: rbb24 Inforadio | 16.03.2024 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Hans-Jürgen Wiedl

Es ist mehr Geld, als einige Bezirke pro Jahr zur Verfügung haben: Säumige Steuerzahler stehen in Berlin mit mehr als 900 Millionen Euro in der Kreide. Die Finanzämter kommen mit dem Eintreiben kaum hinterher. Von Sebastian Schöbel

Die Rückstände säumiger Steuerzahler in Berlin belaufen sich mittlerweile auf einen Rekordwert von mehr als 900 Millionen Euro. Das teilte die Finanzverwaltung auf Anfrage der Linken mit.

Die Summe betrug demnach zum 29. Februar 2024 genau 905.225.000 Euro, das ist ein Anstieg von rund 320 Millionen innerhalb eines Jahres. Das ist mehr Geld, als zum Beispiel Spandau, Reinickendorf Treptow-Köpenick oder Friedrichshain-Kreuzberg im vergangenen Jahr an Geld zur Verfügung hatten.

Den größten Posten bei den Rückständen macht die Unternehmenssteuer aus: Hier warten die Finanzämter auf fast 423 Millionen Euro. Nicht gezahlte Einkommenssteuer macht weitere 161 Millionen Euro aus. Bei der Erbschaftssteuer sind 51 Millionen Euro Rückstand angefallen.

Linke fordern Stärkung der Finanzämter

Für rund 408 Millionen Euro haben die Finanzämter bereits die Vollstreckung eingeleitet. Die Verfahren ziehen sich mitunter aber lange hin, das Geld fließt also nicht zeitnah in die Landeskasse.

Der Haushaltsexperte der Linken, Sebastian Schlüsselburg, forderte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) auf, den starken Anstieg der Rückstände zu erklären. "Es kann nicht sein, dass der Senat für die Auflösung seiner pauschalen Minderausgaben bei Zukunftsinvestitionen und bei Sozialem kürzt und gleichzeitig über 900 Mio Euro Steuerschulden nicht eintreibt", sagte Schlüsselburg dem rbb. "Ich erwarte hier schnell ein Sofortprogramm, dass insbesondere die Finanzämter für Körperschaften und Fahndung stärkt."

Personalmangel in allen Finanzämtern

Denn ein Grund, warum die Summe der Steuerrückstände erneut gestiegen ist, könnte auch die Personalsituation bei den Finanzämtern sein: Über alle Abteilungen hinweg fehlen insgesamt rund 475 Vollzeitarbeitskräfte.

Dass beim neuen internationalen Finanzamt knapp 100 Stellen nicht besetzt sind, lässt sich noch damit erklären, dass die Behörde noch im Aufbau ist. Aber auch bei den regulären Finanzämtern fehlen überall Leute: So melden zum Beispiel die drei Finanzämter für Körperschaften zusammen ebenfalls fast 100 freie Vollzeitstellen, das Finanzamt Neukölln 22, und das Friedrichshain-Kreuzberg 31.

Besonders gravierend aber ist Berlins Mangel an Steuerfahnder:innen: Hier fehlen aktuell rund 58 Fachkräfte.

Neues Finanzamt sorgt für Verzögerungen

Die Finanzverwaltung verweist darauf, dass sich die Summe der Steuerrückstände seit Jahren kontinuierlich erhöhe. Das liegt auch daran, dass die Wirtschaft im Land Berlin wächst, genauso wie die Zahl der Steuerzahler und damit auch die Steuereinnahmen - was automatisch aber auch die Zahl der säumigen Zahler steigen lässt. "Die Herausforderungen für die Menschen und die Wirtschaft Berlins durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und des aktuellen Kriegsgeschehens in der Ukraine zeigen allerdings auch Auswirkungen bei der Höhe der Steuerrückstände", heißt es.

Dazu komme der Aufbau des neuen Finanzamtes Berlin International. Es ist zuständig für ausländische Unternehmen, die in ganz Deutschland aktiv sind, hier aber keinen Sitz haben. Die Neugründung der Behörde habe große organisatorische Aufwände verursacht, so die Finanzverwaltung, deswegen habe man ausstehende Steuerbeträge nicht mahnen beziehungsweise vollstrecken können.

Mit rund 150 Millionen Euro ist hier fast die Hälfte aller neuen Rückstände aufgelaufen. "Der Senat geht davon aus, dass sich die Sondersituation im Finanzamt Berlin International sukzessive verbessert", heißt es.

Sendung: Inforadio, 15.03.2024, 18:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

30 Kommentare

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  1. 30.

    Gerne. Was wissen wir? Der Mann hat eine Frau, die 70 Jahre alt ist, gerne arbeitet und dafür Steuern zahlen muss, wie alle anderen Arbeitnehmer. Die empfundene Ungerechtigkeit liegt offensichtlich im Alter der Frau?! Wenn dem so ist, stellt sich mir die Frage, ab welchem Alter ist es denn nun ungerecht, Steuern zahlen zu müssen und warum? Weiter könnte man dann argumentieren, Kranke sollten auf ihr Krankengeld keine Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, Pflegegeldempfänger keine Pflegeversicherungsbeiträge usw. Wo fängt hier die Ungerechtigkeit an? Und, wie soll das alles finanziert werden?

  2. 29.

    Das Steuersystem muss überarbeitet werden. So ihre Worte.
    Nun fast zwei Dekaden ein Mantra, die Wirtschaft, die Wirtschaft und zum dritten die Wirtschaft, führt zu diesem Steuersystem, dass die Einkünfte aus Grund und Boden mächtig besteuert wird, Kapital mit einem festen Höchstsatz sich der Progression entzieht und Arbeit besteuert wird als gäbe es kein morgen.
    Und zwei von zwölf Monaten ist 2/12 bzw 1/6 dass etwas mehr als 16% beträgt.
    Von daher kann ich den Gedanken nachvollziehen, aber nicht teilen. Um beim Beispiel der Forderung der Stadt Berlin zu bleiben und dass im Verhältnis der Besteuerung der verschiedenen Einkunftsarten zu setzen, bezahlt eine natürliche Person die Lohnsteuer vor der Auszahlung des Lohnes bzw. Gehaltes. Über die Haftung Dritter und zu Dritten im Bereich der Lohnsteuer reichen 1.000 Zeichen nicht aus.
    Zu Fragen ist auch wie stehen ca 1 Mrd. EUR im Verhältnis zu den gesamten Einnahmen der Stadt Berlin.
    Ach ist das wichtig?
    Wieviel % wären dieses.

  3. 28.

    "Warum kann das nicht sein?"
    Finden Sie das korrekt, und wenn ja warum?
    Haben Sie den Mut, das zu erklären? IIch würde mich freuen...

  4. 27.

    SEHR richtig! ..., ...
    So beginnen Ihre Worte. Ein jeder, eine jede ist für das eigene Leben selbst verantwortlich. Dazu gehört auch die Subvention aus wirtschaftspolitischen Gründen oder sozialenpolitischen Gründen, zu beantragen und auszahlen zu lassen.
    Nun liegt in der öffentlichen Wahrnehmung ein Unterschied vor für was öffentliche Gelder beantragt wird, und wer Zahlungsempfänger ist & wer den wirtschaftlichen Nutzen hätte oder hat.
    Zum Artikel:
    Das es immer einmal Ausfälle oder verzögerte Zahlungen gibt, liegt in der Natur der Sache. Dass jetzt der Ausstand um den Faktor drei erhöht ist, bezeichnet die Dramatik des Defizites, hier der Vollzug. Die Abgaben Ordnung (AO) ist bei Verzug & Ausfall sehr klar und deutlich. Nur bei der Haftung Dritter muss auch einer gefunden werden, der die ausstehenden Steuer bezahlt. Bei natürlichen Personen ist diese einfach, bei juristisch Personen, z. B. die GmbH, wird es schwieriger.
    Nun ist so, dass alle gleich zu scheinen sind.

  5. 26.

    Liebe Userin
    Lieber User
    Kim,
    Wann und in welcher Höhe geschätzt werden kann, ist in mehreren Rechtssprechung klar definiert. Vorher halte ich die Aussage über Märchen und Zahlen für aus der Luft gegriffen.

  6. 25.

    Dann muß von oben gefischt werden. Unsere paar Kröten fallen bei der Steuererklärung kaum ins Gewicht. Klasse statt Masse.

  7. 24.

    Antwort auf "Gerdi" vom Samstag, 16.03.2024 | 07:44 Uhr
    "Berlin schuldet den berufstätigen Einwohnern noch viel mehr! " Ach ja, was denn??

  8. 22.

    Das Steuersystem muss überarbeitet werden. Es kann nicht sein, dass meine Frau mit 70 arbeitet und zwar gern, und zur Belohnung zwei Monatsgehälter als Einkommenssteuer in den Fiskus zahlen muss.

  9. 21.

    Die Kleinen müssen blechen und bezahlen ihre Steuern,die Großen können schalten und walten wie sie wollen.Das ist Demokratie in reinster Form.

  10. 20.

    Die meisten"Geschätzten" machen sich nicht die Mühe gg ihre Bescheide vorzugehen!!

    Märchen gibt es im Amt nicht, eine Glaskugel auch nicht

  11. 19.

    Es geht hier vorrangig um Kapitalgesellschaften und nicht um den laubenpieper, der seine klitsche bewirtschaftet und sich am grün erfreut. Hört sich so nach Neid an, weil sie wahrscheinlich mehr pacht als der kleingärtner bezahlen müssen.

  12. 18.

    Unternehmenssteuer?
    Ist das die Steuer auf den erwirtschaften Gewinn? Oder, die einbehalten Umsatz-Steuer an den Verbraucher? Oder der gar die einbehalten Lohnsteuer, mit d3n entsprechenden Haftungen die dadurch entstehen?
    Entsetzt bin ist über den Verlauf der Entwicklungen der letzten Jahre. Ab wann kann hier von einer Verzerrungen des Wettbewerb gesprochen werden?

  13. 16.

    Steuergelder werden nicht nur weniger von den Säumigen sondern von den Insustriezweigen die auswandern und denen die Insolvenz anmelden müssen. Wie schon Habeck sagt die Wirtschaft ist dramatisch im Sinkflug, aber der Wasserkopf wird aufgestockt und noch mehr Gebäude gebaut damit darin alle ihren Schreibtisch bekommen. Nur daß somit unser Deutschland ein melkendes Land von den aufgestockten Statsbediensteten wird. Wo bleibt die Digitalisierung die dem entgegen wirken sollte. Abbau Bürokratismu

  14. 15.

    SEHR richtig! Die steigende Tendenz, für eigen Ängste & Unzufriedenheiten Bürgergeldempfänger, Migranten, Fahrradfahrende, Klimaschützer, ja sogar Helfende wie Sanitäter & Feuerleute verantwortlich zu machen, ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft…die Verantwortung jedes Einzelnen für Gemeinwohl wäre das Mindeste!

  15. 14.

    Der Personalmangel in der öffentlichen Verwaltung führt verständlicherweise dazu, dass Rückstände bei der Vorgangsbearbeitung auflaufen. Im Falle der Finanzverwaltung lässt sich dies dann gut beziffern.

  16. 13.

    Berlin schuldet den berufstätigen Einwohnern noch viel mehr! Fangen wir erst mal so an...!

  17. 12.

    Wenn unsere Politiker etwas nicht mehr beherrschen, ändern sie die Gesetze, siehe Legalisierung von Canabis oder die Veränderungen bei Fahrerflucht. Wie wäre es, wenn wir säumigen Steuerzahlern nach zwei Jahre Steuerschuld, die Schulden erlassen, die hatten sich ja bemüht!(Ende der Ironie)

  18. 11.

    Der Artikel führt in die Irre. Das Geld wird bei den meisten gar nicht da sein, so stellen z. B. Schätzungen des FA nicht selten Märchenzahlen auf, die nicht von „Steuerschuldnern“ bedient werden können.

    RBB: Hier bitte mal nachhaken und uns mitteilen, wie diese Schulden sich zusammensetzen.

    Wieviele Prozesse laufen vor Finanzgerichten und welche Steuerschulden sind strittig?

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