Konzertbericht | Madness im Tempodrom - "Schön, dass es uns noch gibt"

So 18.09.22 | 13:39 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Archivaufnahme vom 24.07.2022, Madness-Sänger Graham McPherson (Quelle: picture alliance / ZUMA Press Wire)
Audio: rbb Kultur | 18.09.22 | Henrik Schroeder | Bild: Archiv, picture alliance / ZUMA Press Wire

Die britische Band Madness gehört zu den bekanntesten Ska-Bands weltweit. Mit ihrem Song "Our House" feierten sie auch in Deutschland große Erfolge. Am Wochenende brachten Madness ihre Fans bei gleich zwei Konzerten im Tempodrom zum Tanzen. Von Hendrik Schröder

Das wird witzig, das ist schon klar, als die insgesamt zehn Musiker gegen kurz nach 21 Uhr auf die Bühne kommen. Sie tragen Anzüge, Hüte, Sonnenbrillen und nichts an ihnen wirkt ernst oder ernst gemeint. "Ich weiß nicht, wie ich den gestrigen Abend überlebt habe", sagt Sänger Suggs, "aus meiner Stirn tropft immer noch Bier". Am Vorabend hatten sie es wohl nach dem ersten Berlin-Konzert ordentlich krachen lassen.

Den vermeintlichen Kater merkt man den Herren aber null an. Die ersten Songs spielen sie ohne großes Gequatsche dazwischen und die Stimmung ist sofort super. Die Drums schieben ordentlich voran, der Bass läuft und läuft, das Saxophon drückt und hat Volumen bis zur Schmerzgrenze. Das Saxophon ist ja eines der nervigsten Instrumente in der Popmusik, aber bei Madness hat es zurecht seinen Platz ganz vorne, ist oft sogar wichtiger und prägender für die Songs als der Gesang.

Und die Gitarre spielt viel mehr als nur den im Ska üblichen Offbeat. Es wäre auch falsch, Madness als reine Ska-Band einzuordnen, da ist schon eine ordentliche Portion Mut zur Popmusik in ihrem Sound und manchmal auch ein bisschen Punkrock.

Bekloppte Geschichten und fliegende Schellenkränze

Allgemein galten Madness seit ihrer Gründung 1976 als ein bisschen verrückt und ein bisschen schräg. Klar, liegt ja schon im Namen. Und die Verrücktheit haben sie sich auch im fortgeschrittenen Alter bewahrt. Sänger Suggs erzählt immer mal wieder kleine total bekloppte Geschichten in diesem typisch britischen ironischen Tonfall. Er setzt zum Beispiel an und sagt: "Heute ist das 25-jährige Jubiläum der ersten Spice-Girls-Single, aber wir sind doch viel netter und weicher als die Spice Girls, also gut dass ihr zu uns gekommen seid". Und schon kommt der nächste Song.

Das alles erinnert zusammen mit dem lustig albernen Gehampel von Saxophonist Lee Thomson ein bisschen an Monty Python. Thomson ist nämlich der absolute Bandclown und hat zum Beispiel einen running Gag mit seinem Schellenkranz, den er immer wieder wild über den Bühne schmeißt, in dem Versuch seinen Mikroständer zu treffen, was aber stets misslingt.

Ein fröhlich angesoffener Punker, der alle, die nicht schnell genug auf den Bäumen sind, zum Paartanz bittet.

Das Tempodrom ist an diesem Abend zwar nicht knackevoll, aber voll genug, dass Laune aufkommt und luftig genug, dass alle Platz zum Tanzen haben. Da ist zum Beispiel eine Mutter, die hüpfend ihr kleines Kind auf den Schultern durch den Saal trägt. Da ist ein fröhlich angesoffener Punker, der alle, die nicht schnell genug auf den Bäumen sind, zum Paartanz bittet.

Überhaupt sind die meisten Zuschauer eher in Bewegung, die wenigsten sitzen. Und die Songs kennen sie fast alle, Madness spielen sich ein Mal quer durch ihre Hits und nur wenig neueres Material. "Wir sind froh, dass es euch noch gibt", sagt Sänger Suggs gen Publikum, "aber ehrlich gesagt sind wir noch froher, dass es uns noch gibt".

Und man weiß nicht: Meint er das Alter der meisten Bandmitglieder oder ist es wegen Corona oder ganz allgemein und dann kommt auch schon wieder ein Song und man denkt: Ach, egal. Los. Tanzen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.09.22, 8:10 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

6 Kommentare

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  1. 6.

    Hätte mich gefreut, wenn das Saxofon im Konzert am Freitag so präsent gewesen wäre. Die Konzertkritik kann jedenfalls nicht von Freitag sein, denn da war der Sound (großes Wort für den Krach!), als hätte die Band auf den Soundcheck verzichtet oder schlicht keine Lust gehabt. Hab mit vielen Fans gesprochen, die sehr enttäuscht waren. Selbst im Tempodrom geht so was besser.

  2. 5.

    Angesichts des Satzes über Saxophone (ich habe mich früher immer wie Bolle über ein Solo dieses fantastischen Instruments gefreut) bin ich nicht sicher, ob das ein Artikel aus dem Kulturresort war.

  3. 4.

    Den Satz über das Saxophon hatten sie sich sparen können. Eine seit Jahren überholte Plattitüde bar jeglicher Realität. Spielen sie das mal. Egal, ob wie bei One Step Beyond oder Careless Whisper. Musikbauernfängerei sowas.

  4. 3.

    Ich war nie Madness-Fan. Aber der Artikel ist super geschrieben/gesprochen und die Mucke erinnert eben an "gute alte Zeiten".
    Insgesamt freue ich mich beim rbb immer wieder über Kulturartikel.

  5. 2.

    Das ist doch noch richtig gute Mucke ;-))

  6. 1.

    Tolle Kritik über einen wirklich tollen Abend mit einer Band die mich seit ihrer Gründung begleitet....;-)

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