Ausstellung | "Datenlabor" im Museum für Werte - "Alles kann ein Datum sein - auch du!"

Fr 14.04.23 | 15:04 Uhr | Von Marie Kaiser
"Datenlabor"- Ausstellung in Berlin (Quelle: rbb/rbb/Marie Kaiser)
Bild: rbb/Marie Kaiser

Was haben Daten mit unserem Alltag zu tun - und wie können sie ihn verbessern? Im immersiven "Datenlabor" des Berliner Museums für Werte werden Antworten auf diese Fragen versprochen. Marie Kaiser hat sich auf das Experiment eingelassen.

Die immersive "Datenlabor"-Ausstellung im Museum für Werte empfängt mich mit einer Botschaft: "Alles kann ein Datum sein - auch du!" Gleich am Eingang werde ich aufgeklärt, dass sich der Begriff Datum dabei aus dem Lateinischen ableitet und "gegeben" bedeutet.

Bennet Etsiwah, einer der Kuratoren der Ausstellung, erklärt es mir schließlich so: "'Gegeben' heißt für mich, dass wir uns Dinge als kulturellen Prozess aneignen. Wenn ich jetzt ein Ding als Datum benenne oder einen Menschen in Daten zerlege, dann ist das ja ein Moment, in dem ich meine Sicht darüber stülpe. Und das kann man mit allen möglichen Dingen machen. Wir können unsere Haare in Datenpunkte zerlegen, die heißen dann DNA. Die Frage ist also nicht, was ein Datum ist, sondern was kein Datum ist."

Bennet Etsiwah betont, dass Daten den Menschen schon immer begleitet hätten, lange bevor sie so genannt wurden: "Menschen erheben schon Daten seit sie als Jäger und Sammler unterwegs sind. Die Tierspur irgendwo im Sand oder der abgebrochene Ast, den Jäger dann zum Beispiel als Fährte lesen. Also nichts ist per se ein Datum, aber alles kann ein Datum sein."

Auch ein Fahrradsattel ist ein Datenpaket

Um das zu demonstrieren, werden im "Datenlabor" so banale Dinge wie ein Laib Brot oder ein alter Fahrradsitz in Vitrinen ausgestellt. In ihnen stecken jede Menge Daten. Wann und wo wurde das Objekt hergestellt? Und aus welchen Materialien? Wie schwer ist es? Was hat es gekostet? Auch ein Fahrradsitz ist ein also ein wahres Datenpaket, wenn ich genauer darüber nachdenke. Auch ich selbst als Ausstellungsbesucherin werde aufgefordert, meine Daten preiszugeben.

Dazu muss ich eine Reihe von Fragen beantworten: Welches Geschlecht hast du? Wie alt bist du? Wie weit vom Ausstellungsort entfernt wohnst du? Für jede Antwort bekomme ich kleine Plexiglasstücke in unterschiedlichen Farben und Formen in die Hand, die ich zu einem kleinen bunten "Datenporträt" zusammensetzen und an einer Wand aufhängen kann.

"Datenlabor"- Ausstellung in Berlin (Quelle: rbb/rbb/Marie Kaiser)
Bild: rbb/Marie Kaiser

Eine Mischung aus Experimentierraum und Club

Nachdem ich mich selbst so kreativ in einen Datensatz verwandelt habe, beginnt der eigentliche Parcours durchs "Datenlabor". Auf vier großen schwarzen Tischen sind verschiedene Versuchsanordnungen aufgebaut. Das Licht ist schummrig, dazu läuft elektronische Musik. Der Raum wirkt wie eine Mischung aus Experimentierraum und Club. Gleich am ersten Tisch muss ich mich für einen von vier Themenbereichen entscheiden: "Daten und Körper", "Daten und Stadt", "Daten und Gesellschaft" oder "Daten und Arbeit".

Die Überschriften sind so abstrakt, dass ich mir kaum etwas darunter vorstellen kann. So entscheide ich mich eher aufs Geratewohl für "Daten und Gesellschaft" und erfahre, dass es hier um ein ganz konkretes Alltagsproblem geht, das sich vielen stellt, die in ländlichen Gegenden leben. Selbst für kleine Besorgungen muss hier oft der Weg in die nächste Stadt in Kauf genommen werden. Von Tisch zu Tisch durchlaufe ich jetzt alle Stationen meiner ganz persönlichen Datenerfahrung. Ich überlege, welche Daten ich erheben müsste, um mehr über das Problem zu erfahren und werde dann mit einer Exceltabelle mit echten Daten zum Ladensterben aus Bayern konfrontiert.

Bälle werfen und Datenmüll produzieren

Doch bevor ich mich zwischen schwer verständlichen Zahlenreihen verliere, werde ich aufgefordert, kleine lila Bälle in einen von vier Papierkörben zu werfen. Ich habe Glück. Während bei anderen Ausstellungsbesuchern viele Bälle daneben fallen, ist mein Korb direkt vor meiner Nase aufgestellt - alle Bälle landen im Korb.

Kurator Bennet Etsiwah erklärt den Erkenntnisgewinn dieses Wurfspiels so: "Datensätze unterscheiden sich in ihrer Qualität. Manchmal fehlen Angaben, manchmal sind sie auch perfekt. Und hier versuchen wir, das zu simulieren. Das heißt, wenn ich jetzt einen Datensatz habe, wo irgendwie alle Angaben perfekt sind, dann habe ich es nicht so richtig schwer, das richtige Körbchen zu treffen."

"Datenlabor"- Ausstellung in Berlin (Quelle: rbb/rbb/Marie Kaiser)

Eher interaktiv als immersiv

Als immersive Ausstellung wird das "Datenlabor" beworben. Die Erwartung, die diese Ankündigung bei mir geweckt hat, erfüllt sich für mich nicht. Das Gefühl, in andere Welten abzutauchen und alles um mich herum zu vergessen, stellt sich nicht ein. Ich erlebe es weniger als Ganzkörpererfahrung, sondern eher als interaktive Ausstellung, die vor allem meinen Kopf herausfordert, weil ich viel lese und mir vieles selbst erarbeite. Das wird aber mit Erkenntnisgewinn belohnt.

Der Erkenntnis, dass wir bei Daten nicht nur an "Big Data" und große Unternehmen denken müssen, für die unsere Daten wertvolle Rohstoffe sind. Und dass gesammelte Daten nicht nur gegen uns verwendet werden können, sondern unseren Alltag verbessern können. So ist aus den Daten zum Ladensterben aus Bayern eine neue Geschäftsidee entstanden. Eine Art "Tante Emma"-Laden auf Rädern ist durch eine Karte, auf der besonders schlecht versorgte Orte angezeigt werden, auf die Idee gekommen, diese ganz bewusst anzusteuern und konnte die Lebensqualität dort verbessern.

Eine sehr schöne Idee erwartet mich auch zum Schluss der Ausstellung. Ich erfahre, dass die farbige Stimmungsbeleuchtung im Raum auch von mir als Besucherin mitbestimmt wird. Die App "Colerfeel Data" fragt mich, mit welchem Gefühl ich in die Ausstellung gekommen bin und mit welchem ich sie wieder verlasse. Beiden Gefühlen soll ich spontan aus dem Bauch heraus eine Farbe zuordnen. Ich wähle Grün (gestresst) und Orange (für meine Geistesblitze in der Ausstellung) und sehe meine beiden farbigen Datenpunkte sogleich auf einer große Leinwand herumschwirren neben denen der anderen Besucher.

Weiterbildungsparcours mit Spielfaktor

Aus allen Lichtpunkten wird ein Farbmittelwert gemischt. Durch meine Farbpunkte verschiebt sich das Blau in ein Türkis. Michael Häfner hat die App "Colorfeel Data" mitentwickelt, die im "Datenlabor" zum ersten Mal getestet wird. Der Professor für Kommunikationspsychologie an der Berliner Universität der Künste beschäftigt sich mit der Frage, was Daten und Gefühle miteinander zu tun haben. "Wenn wir Gefühle messen, haben wir immer das Gefühl, dass wir irgendwelche Mittelwerte haben. Das Gefühl ist zwischen negativ und positiv auf einer Skala bis 10 bei 6,3. Aber was bedeutet das? Keine Ahnung. Hier erfahren wir, dass die Stimmung gerade Türkis ist."

Michael Häfner sagt selbst, dass der Ansatz im Moment noch sehr spielerisch sei, er sehe aber großes Potential in der Möglichkeit, Stimmung im Raum zu visualisieren: "Ich gehe aus der Kantine und kann ein Feedback geben über diese App. Wie hat sich das Essen heute angefühlt? Ich kann es in Meetings zum Einchecken verwenden und wer weiß was das sagen könnte, darüber, ob das Meeting gut oder schlecht war?".

Die "Datenlabor"-Ausstellung ist also wirklich ein Weiterbildungsparcours mit Spielfaktor, auf dem auch Ideen getestet werden, die in Zukunft vielleicht wirklich hilfreich sein könnten. Bei entsprechender Farbe in giftgrün könnte ich das dann vielleicht auch als Warnung vorm Kantinenessen verstehen und das Mittagessen lieber ausfallen lassen.

Sendung: Radioeins, 13.04.2023, 6:55 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

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