Konzertkritik | Liraz in Berlin - Musik als Friedensbotschaft

Di 12.12.23 | 08:37 Uhr | Von Laurina Schräder
Archivbild:Liraz Charhi bei ihrem AUftritt in Berlin am 26.08.2021.(Quelle:imago images/R.Owsnitzki)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.12.2023 | Laurina Schräder | Bild: imago images/R.Owsnitzki

Liraz Charhi singt auf Farsi. Da die Jüdin in Israel geboren ist und lebt, ist das schon eine kleine Sensation. Beim Tour-Abschluss ihres dritten Albums "Roya" am Montagabend im Silent Green in Wedding kamen ihr am Ende kurz die Tränen. Von Laurina Schräder

"Energiegeladen" beschreibt den Abend in einem viel zu großen Raum für etwas zu wenig Publikum wohl am besten. Die Energie der zierlichen Liraz sprüht an diesem Montagabend nur so durch den Raum und überträgt sich vom ersten Moment an auf's Publikum, das enthusiastisch allen Anweisungen folgt – tanzt, die Hände in die Luft hebt, klatscht.

Dabei ist es geradezu leer. Die rund 150 Menschen versammeln sich im ersten Drittel des Raumes – nicht zu dicht gedrängt vor der Bühne. Das ist nicht unangenehm, sondern vielmehr entsteht eine äußerst gelöste Atmosphäre. Zum Tanzen ist genug Platz, wer nur mit dem Fuß wippen will, stellt sich an den Rand und kann trotzdem – nicht all zu weit von der Bühne – die Performance von Liraz mitverfolgen, die sich in ihrem silber-scheinenden Wickelrock mit passendem Bikinioberteil barfuß über die Bühne bewegt. Um sich herum hat sie ihre Musiker – ganz in Weiß gekleidet – an Gitarre, Keyboard, Schlagzeug und Bass arrangiert.

Liebe zur iranischen Musik

Dass ihre Agenda politisch ist, haben diejenigen, die Liraz kennen und zuhören, spätestens seit ihrem dritten, im vergangenen Jahr erschienen Album "Roya" verinnerlicht. Trotzdem ist sie nicht müde, auch an diesem Abend ihre Geschichte zu erzählen. Die der jüdischen Frau, deren Eltern aus Iran nach Israel ausgewandert sind, die selbst nie dort war, erst in den USA, in L.A. auf eine große iranische Community trifft und dort ihre Liebe zur iranischen Musik entdeckt – vor allem zum Psychedelischen der 70er Jahre. Liraz lernt und fühlt die Bedeutung, die Musik für iranische Frauen hat, die seit der iranischen Revolution 1979 dort in der Öffentlichkeit nicht mehr singen dürfen.

Aufnahmen in geheimem Studio in Istanbul

Etwas mehr als eine Stunde dauert ihr Set, und nur in der Mitte macht sie eine längere Pause, um zu erzählen, warum sie tut, was sie tut. Dass sie nach ihrem Aufenthalt in Los Angeles, zurück in Tel Aviv, angefangen hat auf Farsi zu singen und ihre Musik insbesondere im Iran zu einem Erfolg wurde, durch den sie mit iranischen Musikerinnen in Kontakt gekommen ist.

Bereits auf ihrem zweiten Album "Zan" ("Frau") hat sie mit ihnen zusammengearbeitet. Sie haben sich verschlüsselt Song-Snippets und Aufnahmen hin und her geschickt. Für ihr aktuelles, drittes Album "Roya" ("Vision"/"Traum") sind sie sogar das Risiko eingegangen, nach Istanbul zu reisen, wo Liraz dann tatsächlich gemeinsam in einem geheimen Studio im Keller die Musik mit ihren neuen Freunden aus Iran aufgenommen hat.

"Music can be a part of peace-making. It's all about energy and love. I do believe, that we can change something", erklärt Liraz und das Publikum stimmt ihr zu; danach wird die musikalische Energie wieder freigesetzt und so kann man insbesondere in der zweiten Hälfte des Abends die Menschen, die dann noch am Rand mit dem Fuß wippen, an den eigenen Fingern abzählen.

Nach dem letzten offiziellen Song kommen Liraz dann kurz die Tränen. Auf dem Weg vom Berliner Flughafen habe vor dem Auftritt ihr Handy Alarm geschlagen, erzählt sie dort, in der unterirdischen Betonhalle des Silent Green, und vor Raketen über Tel Aviv gewarnt, mit dem Ziel sich in Sicherheit zu bringen. Mit diesem denkwürdigen Moment aber lässt sie den Abend nicht zu Ende gehen, sondern betont wiederum die Musik als Brücke, als emotionalen Kanal. Nach zwei Zugaben verabschiedet sich Liraz also zuversichtlich – mit den Worten: "Next time we gonna see you, when the world will be much better. Peace."

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.12.2023, 04:30 Uhr

Beitrag von Laurina Schräder

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