Drehort: Liesenbrücken / Kreisverkehr Gartenstraße - Der Mord an Wilczek

Fr 31.08.18 | 00:30 Uhr | Von Johanna Niedbalski
Standbild aus Babylon Berlin: Auftragskiller Wilczek in der spärlich beleuchteten Gasse unter einer Eisenbahnbrücke. (Quelle: X Filme | ARD Degeto | sky | Beta
Bild: X Filme | ARD Degeto | sky | Beta

Friedhöfe, Brache und verrostete Eisenbahnbrücken: die perfekte Szenerie, um Auftragskiller Wilczek zur Strecke zu bringen. In den 1920er Jahren überspannen die Liesebrücken das Gewimmel auf der Gartenstraße. Die heutige Tristesse bleibt im Film im Nebel.

Man muss einen Sinn dafür haben, dann aber sind die Eisenbahnbrücken an der Gartenstraße ein magischer Ort. Hier münden die Liesenstraße, die Gartenstraße, die Scheringstraße und die Ackerstraße sternförmig in einen namenlosen Platz. Zwar fahren viele Autos, aber nur wenige Fußgänger haben einen Grund, zwischen Gewerbegrundstücken, ehemaligen Bahnanlagen und Friedhöfen herumzulaufen. Die freie Fläche inmitten des Kreisverkehrs ist eine ungestaltete Brache. Von den vier alten Eisenbahnbrücken, oft Liesenbrücken genannt, existieren noch zwei: eine große, einst zweigleisige und eine eingleisige. Sie stehen zwar unter Denkmalschutz, sind aber verrostet und mit genügsamen Pflanzen bewachsen. Schön ist es hier nicht, aber verwildert und "shabby".

Ein Gewimmel an Menschen, Autos und Zügen

Erbaut werden die Brücken zwischen 1890 und 1896. Auf ihnen fahren Züge in Richtung Ostsee, vor allem nach Stettin und Stralsund, später sogar bis nach Skandinavien. Die Eisenbahnstrecke nach Stettin ist eine der ältesten Deutschlands, seit 1843 verbindet sie Berlin mit der Hauptstadt Pommerns. Kurz nach dem Start an einem der großen Berliner Kopfbahnhöfe, dem Stettiner Bahnhof an der Invalidenstraße, müssen die Züge den Verkehrsknotenpunkt an der Gartenstraße passieren. Hier, im Wedding, wohnen nicht nur zigtausend Menschen dicht gedrängt in Mietskasernen. In der Umgebung gibt es auch etliche Fabriken, bei denen Menschen ein- und ausgehen und Material und Maschinen geliefert werden. Einsam ist die Gegend damals nicht.

Um das ständige ebenerdige Kreuzen von Zügen, Fahrzeugen und Fußgängern an der Gartenstraße künftig zu vermeiden, errichtet die Bahn bei laufendem Betrieb das Brückenbauwerk. Die Fahrbahnen müssen dafür abgesenkt, die Schienen erhöht geführt werden. Das Besondere an den Brücken ist, dass sie ohne Stützpfeiler auskommen. Die haushoch aufragende Eisenfachwerkkonstruktion überspannt an der breitesten Stelle fast 100 Meter und wirkt dennoch luftig, fast filigran. Das imponierende Bauwerk kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wedding eines der ärmsten Stadtviertel Berlins ist,
geprägt durch Industriebauten und Mietskasernen für diejenigen, die in den Fabriken arbeiten. Die schlechten Wohnbedingungen der Umgebung und die dadurch hier grassierende Tuberkulose bringen den Brücken auch den Spitznamen "Schwindsuchtbrücken" ein.

Die unter Denkmalschutz stehende Liesenbrücke der Stettiner Bahn über der Kreuzung Gartenstraße, Scheringstraße, Liesenstraße und Ackerstraße in Berlin-Wedding. (Bild: imago)
Der Kreisverkehr unter der Liesenbrücke | Bild: imago

Nacht- und Nebel-Aktion

Derzeit macht das Bauwerk durch den Rost und den Pflanzenbewuchs einen eher bemitleidenswerten Eindruck. Die S-Bahn fährt auf zwei in den 1950er Jahren neu gebauten Brücken, die allerdings, anders als die alten Liesenbrücken, mit Stützpfeilern verankert sind und dadurch die düstere Atmosphäre des heutigen Kreisverkehrs verstärken. Unter den Brücken wird die Szene gedreht, in der Gereon Rath den Auftragskiller Wilczek erschießt, der immer in einer Soutane unterwegs ist und deswegen "Pater" oder "Der Heilige" genannt wird. Zu sehen ist allerdings nicht viel - eine kaum beleuchtete Straße, eine Brücke im Nebel, eine Baustelle mit frisch gegossenem Beton. Die Nacht, der Nebel und die vernebelte Erinnerung des Protagonisten verhindern einen klaren Blick auf die eigentlich unbedingt filmreife Szenerie.

Beitrag von Johanna Niedbalski

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