Theaterkritik | "Jetzt sind wir dran" im HOT Potsdam - Ein Hauch von Talentshow

Mo 24.08.20 | 10:47 Uhr | Von Ute Büsing
Potsdam: Petra Kicherer (l-r), Geschäftsführende Direktorin, Bettina Jahnke, Intendatin, und Bettina Jantzen, Chefdramaturgin, stellen auf einer Pressekonferenz des Hans Otto Theaters den Spielplan 2020/21 vor.
Bild: dpa

Statt eines großen Tages der Offenen Tür tastete sich das Potsdamer Hans Otto Theater am Wochenende mit der Aktion "Jetzt sind wir dran" unter Corona-Bedingungen wieder an sein Publikum heran. Das Ensemble punktete mit viel Spielfreude. Von Ute Büsing

Das Wetter meint es erstmal nicht gut mit diesem leicht abgewandelten Tag der Offenen Bühne unter Corona-Bedingungen. Zwei der drei Zuschauergruppen à 30 Personen im dritten und letzten Durchlauf geraten wegen eines Platzregens ins Stocken. Doch es wird gekonnt improvisiert. Drinnen, mitten auf der Bühne, sitzt Gruppe B mit gehörigem Abstand auf Stühlen und bekommt ein musikalisches Programm dargeboten. Auffällig: Die Pianisten und Pianistinnen reinigen immer wieder die Tasten, bevor sie übergeben.

Ein Hauch von musikalischer Talentshow

Es weht ein Hauch von Talentshow durch das ja eigentlich überwiegend dem Sprechen verpflichtete Theater. Doch die Leute sind nach langem Entzug begierig und beklatschen den Lied-Mix von "Imagine" bis zu Selbstgeschriebenem begeistert. Vor allem den abgewandelten Song "Hey Du" aus dem Grips-Dauerbrenner "Linie 1". Da tönt es über die "Systemrelevanz des Theaters" und es erschallt ein Aufruf zum Weitermachen, den die Intendantin Bettina Jahnke in ihren kleinen Publikumsansprachen immer wieder unterstreicht. Sie freut sich über die "fast Premieren-Atmosphäre", die Akteure und Zuschauer wie in besten Theaterzeiten verbindet.

Wie alle Theaterleute haben auch die vom Hans Otto unter dem fast halbjährigen Extrem-Entzug gelitten. Also bricht sich jetzt viel Spielfreude Bahn bei dem vom Ensemble erarbeiteten bunten Nachmittag. Auf der malerischen Seeterrasse punkten vor allem zwei volkstümliche Narren mit heiterem Stücke-Raten von "Hamlet" bis "Faust". Die Grand Dame des Hauses, Rita Feldmeier und ihr Mann und Schauspielkollege Achim Wolff im Publikum, sind insgesamt angetan von der "Bandbreite der Darbietungen" und der Tatsache, dass die Kollegen diesen Rundgang unter Corona-Bedingungen gestemmt haben.

Mit "Toleranz" in die neue Spielzeit

Rita Feldmeier, eigentlich schon in Pension, wird zum Saisonauftakt in "Die Vögel" zu sehen sein und in der Wiederaufnahme von "Harold und Maude". Dann stehen im Großen Haus nur 93 von 460 Plätzen zur Verfügung und in der Reithalle 30 von 160. Bei der Eröffnungsaktion geht es erstmal um nicht viel mehr, aber auch nicht weniger, als für gute Stimmung zu sorgen. Am theatral gelungensten sind die Auszüge aus Sybille Bergs "Hass Tryptychon" und Tschechows "Schwanengesang" im Gasometer, interpunktiert von "italienischen Nachbarinnen", die aus den Fenstern schimpfen.

Beste Heranführung an den Saisonauftakt am 11. September mit Wajdi Mouawads "Die Vögel": Intendantin Bettina Jahnke inszeniert diese eigentlich für den April geplante Auseinandersetzung mit jüdischer und arabischer Identität und nationaler Zugehörigkeit unter strikter Einhaltung der Corona-Abstandsregeln. Dann folgt das Auftragswerk "Die Jury tagt" von der Potsdamer Autorin Julia Schoch, ebenso eine Auseinandersetzung mit friedlicher Revolution und Wende wie die Folgepremiere, "89/90" nach dem Roman von Peter Richter.

Die neue Spielzeit steht unter dem Motto "Toleranz". In diesem Sinne will das Ensemble nach Kontaktverbot und Stilllegung einen aufrichtigen und stetigen Dialog führen. Das Publikum ist dafür bereit, wie die Eröffnungsaktion bewies.

Sendung: Inforadio, 24.08.2020, 06.25 Uhr

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Beitrag von Ute Büsing

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