11 Opfer noch auf Intensivstation - Getöteter polnischer Lkw-Fahrer wird am Freitag beigesetzt

Mi 28.12.16 | 18:15 Uhr
Völlig zerstört ist die Front eines LKW, mit dem ein Attentäter am 19.12.2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche fuhr. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Bild: dpa/Britta Pedersen

Er war das erste Opfer des Terroranschlags am Berliner Breitscheidplatz: der polnische Fahrer, mit dessen Lkw der Attentäter auf den Weihnachtsmarkt fuhr und elf weitere Menschen tötete. Łukasz U. wird am Freitag beigesetzt. Den Opfern - darunter auch viele aus dem Ausland und einige noch schwer verletzt - werden jetzt Hilfen zugesagt.

Der polnische Lastwagenfahrer, der bei dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz getötet wurde, soll am Freitag in seiner Heimat beigesetzt werden. Das teilte sein Arbeitgeber, eine Speditionsfirma, auf Facebook mit. Der Trauergottesdienst und die Beerdigung sollten in dem Ort Banie bei Stettin stattfinden.

Zugleich dankte die Firma im Namen der Familie von Łukasz U. für die Beileidsbekundungen aus aller Welt. Der mutmaßliche Attentäter Anis Amri hatte den Lastwagen am 19. Dezember entführt und als Waffe bei seinem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt eingesetzt. Der Fahrer wurde erschossen auf dem Beifahrersitz gefunden.

Online-Petition für Verleihung des Bundesverdienstkreuzes

Der mutmaßliche Berlin-Attentäter Anis Amri hat einem Medienbericht zufolge früher als zunächst vermutet auf den polnischen Lkw-Fahrer geschossen. Das ergab die Obduktion von Łukasz U., dessen Lkw Amri vor dem Attentat am Montag vergangener Woche in seine Gewalt gebracht hatte, wie die "Bild"-Zeitung am Dienstag berichtete. Die Bundesanwaltschaft äußerte sich dazu nicht. Einzelne Ermittlungsergebnisse würden nicht bekanntgegeben, sagte ein Behördensprecher.

In den vergangenen Tagen waren Forderungen laut geworden, dem polnischen Lkw-Fahrer wegen seines vermuteten Eingreifens während der Ausführung des Anschlags das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. So unterzeichneten zehntausende Menschen eine entsprechende Online-Petition.

Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hat eine technische Vorrichtung offenbar Menschenleben gerettet - das automatisches Bremssystem habe demnach den Lkw auf dem Berliner Weihnachtsmarkt offenbar nach 70 bis 80 Metern gestoppt. Außerdem habe Amri noch aus dem Führerhaus gechattet habe. 

Viele Opfer und Verletzte aus dem Ausland

Die Nachrichtenagentur dpa erfuhr unterdessen aus Sicherheitskreisen, dass die Toten und Verletzten aus gut einem Dutzend Ländern stammen. Unter den Toten sind nach bisherigen Ermittlungen neben Deutschen und dem polnischen Lkw-Fahrer eine Italienerin, eine Israelin, ein Ukrainer und ein Opfer aus Tschechien.

Die Ausländer unter den Verletzten stammten aus den USA, Israel, Spanien, Italien, Großbritannien, Ungarn, Finnland, Frankreich und aus dem Libanon, hieß es weiter. Angaben, wie viele Verletzte aus welchem Land kommen, gab es zunächst nicht.

Die Ermittler gehen zudem inzwischen von 55 Verletzten aus. Einige der Verletzten hatten am Tattag auf eigene Faust den Breitscheidplatz verlassen, um zu einem Arzt zu gehen, und hatten sich erst mit Verzögerung gemeldet. 20 Verletzte werden derzeit noch in Krankenhäusern behandelt. Elf Anschlagsopfer liegen mit schwersten Verletzungen auf Intensivstationen, wie ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung am Mittwoch mitteilte. Neun weitere Patienten werden demnach noch mit mittelschweren oder leichteren Verletzungen betreut.

Gesetz gilt nicht, wenn Kraftfahrzeug als Waffe missbraucht wird

Die Opfer sollen mit finanziellen Hilfen rechnen können. Wie ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums am Mittwoch bestätigte, ist es Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wichtig, dass jetzt jeder die Hilfe bekomme, die er brauche. Es gehe nun zunächst darum zu prüfen, welche Ansprüche im Einzelnen greifen.

Der Opferbeauftragte des Landes Berlin, Roland Weber, hatte zuvor eine schnelle Anpassung des Opferentschädigungsgesetzes gefordert. Es müsse sichergestellt werden, dass die Opfer des Anschlags anderen Opfern gleichgestellt werden, sagte Weber im Inforadio. Derzeit gelte das Opferentschädigungsgesetz nicht, wenn ein Kraftfahrzeug als Waffe missbraucht wird.

Vorfall gilt als ein einziger Schadensfall

Es gebe gleich in Paragraf eins des Gesetzes eine Ausschlussklausel, in der stehe, wenn ein Kraftfahrzeug als Waffe verwendet werde, werde der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eröffnet. Deshalb sei für die Opfer des Terroranschlags derzeit die Verkehrsopferhilfe zuständig, eine Einrichtung aus den 50er und 60er Jahren, so Weber.

Der große Nachteil dabei sei, dass der komplette Vorfall als ein einziger Schadensfall gelte und die finanzielle Obergrenze in diesem Fonds pro Schadensfall bei insgesamt 7,5 Millionen Euro liege. "Das ist nicht allzu viel bei der Vielzahl von Toten und Verletzten hier", sagte der Rechtsanwalt. Es sei ja durchaus möglich, dass viele der Verletzten eine sehr langandauernde oder gar lebenslange Behandlung benötigen: "Die müssen sich dann das Geld teilen. Das kann sehr knapp werden."

Derzeit arbeitet das Bundesarbeitsministerium an einer Novelle des sozialen Entschädigungsrechts. Sollten sich mit Blick auf die Geschehnisse in Berlin aus der Abgrenzungsregelung Nachteile für die Betroffenen ergeben, so werde das Ministerium prüfen, ob im geplanten Gesetzgebungsvorhaben Änderungen vorgenommen werden müssen, erklärte der Sprecher.

Am 19. Dezember hatte mutmaßlich der Tunesier Amri einen Lastwagen in den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gesteuert. Bei dem Anschlag wurden zwölf Menschen getötet - darunter der polnische Lkw-Fahrer. Amri war in der Nacht zum Freitag nach mehrtägiger Flucht in einem Mailänder Vorort in eine Polizeikontrolle geraten und getötet worden.

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