Exklusive Datenerhebung - So ging rbb|24 vor bei der Recherche zu Wartezeiten in der Psychotherapie

Mehrere hundert Praxen hat rbb|24 abtelefoniert, um einen eigenen Datensatz zu Wartezeiten in der Psychotherapie zu bekommen. Hier erklären wir die Methodik hinter der Recherche im Detail.
Am Anfang stand die simple Frage: Wer hat denn Recht? Die Psychotherapeutenkammer, die immer wieder auf extrem lange Wartezeiten verweist. Oder die Krankenkassen, allen voran die Barmer, die davon sprechen, dass man nur in seltenen Fällen lange auf eine Therapie warten muss.
Wie wir die Stichprobe ausgewählt haben
Nachdem wir uns statistisch beraten lassen hatten, haben wir beschlossen, selbst Angaben zur Wartezeit von einer repräsentativen Anzahl an Praxen einzuholen. Die Praxen haben wir anhand von zwei Kriterien ausgesucht:
1. Wie viele Menschen wohnen in den verschiedenen Bundesländern?
2. Welcher Anteil der Menschen in jedem Bundesland wohnt in Städten, in Kleinstädten und auf dem Land?
Gemäß dieser zwei Kriterien haben wir dann proportional zur Bevölkerungsgröße eine bestimmte Anzahl an Praxen abgefragt. Also zum Beispiel drei Praxen im städtischen Raum in Sachsen und sechs Praxen im ländlichen Bayern, weil 1,6 Millionen (städtisches Sachsen) respektive 3,8 Millionen Menschen (ländliches Bayern) dort wohnen. Prinzipiell haben wir dafür immer die Zahl der Praxen aufgerundet, damit wir auch in kleineren Regionen zumindest eine Praxis anrufen.
Für Bremen im ländlichen Gebiet aber haben wir beispielsweise keine Praxis angerufen, schlicht weil es keinen ländlichen Raum in Bremen gibt. Am Ende kamen so Daten von 123 Praxen zusammen.
Für Berlin und Brandenburg haben wir eine zusätzliche Stichprobe nach gleichem Muster gezogen, die aber 54 Praxen umfasste, um auch hier eine einigermaßen aussagekräftige Zahl an Praxen zu haben.
Welche Daten wir abgefragt haben
Jede der Praxen haben wir dann gefragt:
1. Wie lange müsste ich mit einem Verdacht auf Depression aktuell auf eine erste Sprechstunde warten?
2. Wie lange müsste ich im Anschluss auf einen Therapieplatz warten?
3. Wie viele Patientinnen und Patienten haben Sie im letzten Quartal behandelt?
Die letzte Frage haben wir genutzt, um auch gewichtet nach Praxengröße die Wartezeiten auszuwerten. Es zeigte sich aber, dass das keinen nennenswerten Unterschied in den Aussagen machte. Darum haben wir der Einfachheit halber am Ende die einfachen, ungewichteten Medianwerte in allen Berichten genutzt.
Welche Analysemethoden wir genutzt haben
Ferner haben wir alle Hypothesen mit statistischen Tests gegengecheckt. Das genaue Prozedere können Sie hier auf Github [github.com] nachvollziehen. Wir haben dabei nur Ergebnisse genutzt, die statistisch signifikant waren.
Schließlich haben wir uns für das Newsgame auch an qualitativen Erkenntnissen bedient. Dazu zählten:
- unseren eigenen Erfahrungen beim Abtelefonieren der Praxen
- Interviews mit Psychotherapeut:innen
- Berichte von Betroffenen, die nach Therapieplätzen gesucht haben
Der Grund für diesen qualitativen Zusatz und auch für die Entscheidung, ein Newsgame zu machen, ist, dass wir davon überzeugt sind, dass die Dauer der Wartezeit allein nicht die Geschichte ausmacht. Wir denken, dass man auch verstehen muss, was in diesen Wochen mit den Menschen passiert, und wie viel Mühe es braucht, einen Therapieplatz für sich zu sichern. Darum haben wir uns entschieden, eben auch Einzelberichte zu spiegeln und in der Simulation User:innen selbst, das Ganze nacherleben zu lassen.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sollten Sie selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner, auch anonym.
Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222 www.telefonseelsorge.de
Sendung: Inforadio, 25.05.2022, 6:20 Uhr