Katastrophenschutz-Experte zur Gas-Versorgung - "Es wird niemand in seiner Wohnung erfrieren"

Do 14.07.22 | 06:04 Uhr
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junge frau am 07.01.2016 mit decke leiden zu hause vor kälte bedeckt. (Quelle: dpa/ Andriy Popov
Audio: rbb24 Inforadio | 14.07.2022 | Hans-Joachim Viehweger | Bild: dpa

Klirrende Kälte und zu wenig Gas zum Heizen - auf dieses Szenario bereitet sich die Politik angesichts möglicher Gaslieferstopps aus Russland vor. Ist die Einrichtung von Wärmehallen sinnvoll? Fragen an den Katastrophenschutz-Experten Andreas Kling.

rbb|24: Herr Kling, steht uns ein harter Winter bevor?

Andreas Kling: Bei den Temperaturen, die wir meist im Winter haben und so wie die Häuser gedämmt sind, würde keiner zu Hause erfrieren - auch nicht, wenn großflächig nicht mehr geheizt werden könnte. Und das ist ja auch noch nicht gesagt. Vielleicht müssen wir die Heizungen nur herunterdrehen.

Trotzdem werden in Berlin jetzt sogenannte Wärmeräume für Bedürftige diskutiert.

Die Kommunen und Landkreise sind ja auch dazu verpflichtet, Katastrophenschutz zu betreiben. Von daher würde ich das als ganz normalen Vorgang sehen, wenn es zu einem Gasmangel kommen würde. Es wird gerade ein Szenario wahrscheinlicher, das in den letzten Jahren eher unwahrscheinlich war.

Zur Person

Andreas Kling ist Berater für kritische Infrastrukturen und Bevölkerungsschutz. Er hat in Bochum und Oxford "Humanitäre Hilfe" studiert und war für die Vereinten Nationen, den Malteser Hilfsdienst und verschiedene Hilfsorganisationen als Katastrophenhelfer im Einsatz.

Denken Sie denn, dass wir im Winter wirklich auf diese Wärmehallen angewiesen sind?

Es ist das Mittel der Wahl, wenn nichts anderes mehr greift. Aber da muss schon sehr viel passieren. Es müsste schon zu einer Gasmangellage kommen. Steigenden Preisen müsste man aus meiner Sicht anders begegnen. Wir sind ja eine sehr reiche Gesellschaft. Es muss uns ja als Gesellschaft möglich sein, Preise sozial abzufedern. Das kann man anders lösen als über Wärmehallen - sprich über eine sozialverträgliche Preisgestaltung. Dieses andere Szenario, wenn wirklich nicht genug Gas da ist oder stunden- oder tageweise das Gas abgeschaltet werden sollte, würde ich sagen: Vielleicht sollte man sich erst mal bei seinen Nachbarn oder Teilen der Familie einladen, wenn zum Beispiel nicht mit Gas geheizt wird, sondern zum Beispiel mit Heizöl. Da plädiere ich für Nachbarschaftshilfe. Aber wenn das nicht geht, oder sie auch ganze Stadtviertel haben, die nur durch Gas beheizt werden, und dann kommt noch ein sehr kalter Winter dazu, dann könnten diese Wärmehallen ein Plan B sein.

Wie kann ich mir solche Wärmehallen vorstellen?

Wärmehallen sind kein komplett neues Konzept. Es muss für den Katastrophenschutz bestimmte Betreuungskapazitäten geben. Klassisches Beispiel für solche Betreuungskapazitäten sind, wenn wieder eine Weltkriegsbombe gefunden wird, dann wird im Umkreis alles evakuiert und die Leute, die nicht zu Freunden und Verwandten gehen können, werden in Turnhallen etc. untergebracht. Das ist genau das gleiche in der Betreuung: Da werden Tische und Feldbetten aufgebaut, da werden Tee und Kaffee gekocht. Anderes Beispiel, wenn ein ICE strandet, kann es schon mal vorkommen, dass in Schulen oder Turnhallen solche Notquartiere aufgeschlagen werden.

Reichen diese Kapazitäten denn im Falle eines Gasmangels?

Man spricht von dem Ziel, ein oder zwei Prozent der Bevölkerung so unterbringen zu können. Das erreicht man aktuell nicht. Aber bestimmte Kapazitäten sind schon da. Und was wir bedenken müssen: Ein Blackout [Anm. d. Red.: ein flächendeckender Stromausfall] kommt ja relativ unerwartet, aber eine Gasmangellage kündigt sich über mehrere Tage an. Da kann man schon noch einiges improvisieren und vorbereiten.

Machen wir genug, um uns auf den Ernstfall vorzubereiten?

Auf der Ebene der Bürger würde ich sagen, wir könnten noch konsequenter Energie sparen. Das sehe ich noch nicht in jedem Bereich. Da ist noch Luft nach oben. Aber man muss sagen, unsere Optionen auf bundespolitischer Ebene sind sehr eingeschränkt, weil man in zwei bis drei Monaten nicht das beheben kann, was in den letzten zehn Jahren versäumt wurde.

Wirtschaftsminister Habeck wurde in den letzten Tagen von der Opposition "Panikmache" vorgeworfen. Sehen Sie das auch so?

Der ganze Diskurs um die sogenannte Panikmache ist Unsinn. Das ist ein rhetorisches Mittel, um Argumente ins Leere laufen zu lassen. Das ist doch zutiefst menschlich und auch ökonomisch und ökologisch sinnvoll, Vorkehrungen für schlechte Zeiten zu treffen. Man kann auch sagen: "Wenn ihr euch anschallt, ist das auch Panikmache, weil man zu 99 Prozent keinen schweren Unfall erleben wird - dann muss man sich nicht anschnallen." Nur dieses Prozent, das den Unfall erleidet, hat natürlich deutlich bessere Überlebenschancen, wenn es angeschnallt ist. Vorkehrungen für den Winter als "Panikmache" zu beschreiben, halte ich für einen Fehler.

Wie sind wir als Gesellschaft auf einen möglichen Gasmangel vorbereitet?

In Deutschland leben wir seit 1947 auf einer Insel der Glückseligen. Wir sind nie von größeren Naturkatastrophen betroffen gewesen, es gab keine Kriege. Wir leben in stabilen Verhältnissen. Es geht uns wirtschaftlich als Gesellschaft sehr gut. Aber das ist nicht die Realität. Die Realität ist: Es können Naturkatastrophen passieren, es können sich Pandemien ereignen, das haben wir jetzt in den letzten beiden Jahren gelernt. Aber viele Menschen hängen wahrcheinlich noch dieser Wunschvorstellung oder dieser Vorstellung nach: "So was gibt es ja in Deutschland nicht." Also "es kann nicht sein, dass es in Deutschland kein Gas mehr gibt, weil es die letzten 70 Jahre Gas gegeben hat." Aber so ist die Welt nicht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Andreas Kling sprach Laura Kingston, rbb|24

69 Kommentare

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  1. 69.

    Na hoffentlich täuschen Sie sich nicht.....bei vielen ist die "K...grenze" erreicht. Übrigen bei mir auch. Bei vielen Menschen sinkt die Bereitschaft sich noch mehr einzuschränken.
    Wo soll man sich dann bitte auch noch einschränken???

  2. 68.

    Wir leben in einem Rechtsstaat, in Demokratie und sozialen Marktwirtschaft.

    Die DDR war ein Unrechtsstaat, eine Diktatur, die Bildung stand unter der Prämisse "Kaderbildung", und den Stand der Gesundheitversorgung konnte man an der Lebenserwartung ( die wesentlich niedriger war als im Westen) gut ablesen.
    Tja, das Gedächtnis ist kurz, oder man hat sich die Dinge schon damals schön geredet




  3. 67.

    Kommentar Nr. 38. Auf den hatten Sie doch auch geantwortet (!?). Jetzt spare ich mir weitere Mühen der Verständigung und klinke mich aus.

  4. 66.

    Ich bin 85 Jahre alt und in der DDR großgeworden. Was heißt hier selbst in der DDR . Ich bin und war auch nicht mit allem einverstanden, aber einen Vergleich wie sie machen, Sollte man sich vorher genau überlegen. Wenn sie genau nachdenken, gab es viele Positive Dinge, Wie Gesundheitswesen und Bildung. Oder haben Sie schon alles vergessen? Ist heute ist auch nicht alles gut, aber wir leben im Kapitalismus klar und rein! Bitte nicht vergessen.

  5. 65.

    Ich glaube nicht das viele Menschen bereit sind sich einzuschränken. Sie sollten sich intensiver mit dem Thema beschäftigen als Kommentare hier zu zerpfücken.
    Belegen Sie das doch mal was Sie behaupten, das werden Sie nicht können. Sie stellen Behauptungen auf die Sie überhaupt nicht belegen können. Aber Hauptsache man hat seinen Senf dazugegeben.
    Wo ist meine Meinung egoistisch? Ich habe ein Kommentar aus meiner Sicht geschrieben und wenn Sie damit nicht klarkommen ist das alleine Ihr Problem und nicht anders.
    Ihre arrogante , elitäre, geschwollende Art gegenüber anderen User/innen wie @ Heike können Sie sich sparen.
    Eins noch, mich würde interessieren wo schränken Sie sich denn ein?! Ich hätte da einen Vorschlag.....

  6. 64.

    Ich möchte mitdenken können - Um welchen Link geht es überhaupt? Bitte hier angeben. Wenn ich den dank Ihrer Hilfe öffnen kann, bin ich vielleicht in der Lage mich mit Ihrer Empörung zu beschäftigen.

  7. 63.

    Wieso werden nicht, da wo es möglich ist, Möglichkeiten zur eigenen Stromerzeugung durch Solarmodule auf/am Balkon gefördert? Bisher ist das total umständlich: Vermieter um Erlaubnis bitten, im Stromnetz anmelden usw. Damit könnte man etwas eigenen Strom erzeugen!

  8. 62.

    „ Aber Strom und eine warme Wohnung hatte selbst in der DDR jeder!“
    Das werden Sie auch weiterhin haben, Sie lesen nur die falschen Medien und die falschen Nachrichten …

  9. 61.

    Nein, Toska spricht einigen Menschen aus der Seele. Viele Menschen sind bereit, sich wegen des Krieges und der daraus entstandenen Umstände einzuschränken. Toskas egoistische Haltung wird zum Glück nicht von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt.

  10. 60.

    Toska spricht vielen aus der Seele, ob Sie wahrhaben wollen oder nicht.....Sie bringt es auf den Punkt.

  11. 59.

    Die Wohnungsgesellschaften und privat Vermieter müssen sich unbedingt an die Regierung wenden denn ,wer soll die vom Schimmel befallenden Wohnungen ? Mieter ,die aus finanziellen Gründen nicht heizen werden , oder die sparsam sein wollen , werden bald feuchte Wände bekommen. Wer soll das später bezahlen wenn Renovierungsarbeiten anstehen?

  12. 58.

    Wenn wir, wegen der zu einseitigen Energiepolitik, dem Schwarz/Weiß-Denken so sehr unterliegen, dann kann es sein, dass die europäischen Nachbarn uns auf jeden Fall helfen werden, damit niemand frieren muss?

  13. 57.

    Es ging um den Hintergrund des Konflikts mit seiner seit vielen Jahren wähhrenden Eskalationsgefahr, die ihn als speziell auszeichnen! O man ...

  14. 55.

    So ,nun habe ich alle Kommentare gelesen! Es hilft nichts sich gegenseitig zu beschimpfen, unsere Regierung muss nicht jeden Bürger 300€ geben…wofür?? Sie sollen dafür sorgen ,das die Gas Preise bezahlbar sind damit ist uns alle geholfen .
    Die vielen Millionen die nur ein Tropfen sind wären besser investiert ….sich mit denGas Betreiber zu einigen und den das Geld zu Verfügung zu stellen..

  15. 54.

    Jetzt haben Sie sich selbst als etwas verwirrt und/oder lesefaul entlarvt. Der verlinkte Text ist ein wissenschaftlicher, das Institut ist seriös, die Sichtweise differenziert, ausgewogen, belegt. Haben Sie etwas Adäquates zu bieten? Offenbar nicht.
    Ich übernehme auch für nix die Verantwortung, warum sollte ich? Bin ich der König von Deutschland? Aber ich kann noch eins und eins zusammenzählen, Sie aber sind von Angst, Panik und ja, Propagandmythen befallen. Ganz allein Ihr Problem, nicht meins.

  16. 53.

    Ertragen kann man vieles, das kann ja wohl nicht der Maßstab für menschliches Leben sein.
    Sicher wird bei Familie Gauck zuhause diesen Winter auch kräftig gefroren - kalt waschen, Heizungen so richtig runterdrehen, stattdessen drei Pullover an und trotzdem bibbern, das ganze Programm.
    Ich sehe es schon vor mir.... Ist ja für die Freiheit, die damit gleich viel besser beschützt wird!

  17. 52.

    Da haben Sie noch die Affenpocken vergessen!! Und sicher kommen bis zum Winter noch ein paar apokalyptische Übel, die man sich lang und breit ausmalen kann. Zumindest wird dann ja aber wohl mit der Hitzewelle Schluss sein, das ist ja schon mal was. :-)
    Was die Aussage im Interview betrifft: "Der ganze Diskurs um die sogenannte Panikmache ist Unsinn. Das ist ein rhetorisches Mittel, um Argumente ins Leere laufen zu lassen." - Nicht so ganz. Es gibt sehr wohl eine Panikmache, auch wenn sie sicher nicht bewusst stattfindet.
    Aber wer die täglichen Schreckensmeldungen allein hier verfolgt - ich wage gar nicht, mir auszumalen, was in den "sozialen Medien" diesbezüglich so alles los ist - , wird genau diesen Eindruck haben.
    Man könnte ebenso gut sagen "Den Diskurs um Panikmache als Unsinn zu bezeichnen ist ein rhetorisches Mittel, um Argumente ins Leere laufen zu lassen..." :-)))

  18. 51.

    Nein, es ist wie beim Lotto: jeder kann reich werden, aber nicht alle! Können Sie jeder und alle auseinander halten?
    Das Vermögen der einen sind die Schulden der anderen. Ganz einfaches Prinzip.

  19. 50.

    Ihre egoistische und unempathische Einstellung kann Ihnen keiner verbieten. Aber bilden Sie sich bitte nicht ein, damit für die Allgemeinheit zu sprechen.

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