Berlin-Wilmersdorf - Radfahrerin bei Lkw-Unfall lebensgefährlich verletzt - Feuerwehr steckt im Stau fest
Eine Radfahrerin ist auf der Berliner Bundesallee von einem Betonmischer erfasst und schwer verletzt worden. Ein Feuerwehrwagen stand wegen der Klimaproteste im Stau. Die Hintergründe des Unfalls lösen in der Berliner Politik Wut und Kritik aus.
Eine Radfahrerin ist bei einem Verkehrsunfall mit einem Lkw am Montagmorgen in Berlin-Wilmersdorf lebensgefährlich verletzt worden. Die Verletzte sei am Morgen auf der Bundesallee / Ecke Spichernstraße unter dem Betonmischer eingeklemmt worden, teilte ein Sprecher der Feuerwehr mit. Sie wurde mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.
Lasterfahrer mit Messer angegriffen
Nach Angaben der Polizei wurde auch der Lkw-Fahrer verletzt: Der 64-Jährige sei von einer unbekannten Person mit einem Messer angegriffen worden, als er nach dem Unfall ausgestiegen sei, um nach der Radfahrerin zu schauen. Der Lkw-Fahrer habe eine Stichverletzung erlitten und sei ins Krankenhaus gekommen. Laut Zeugen habe es sich bei dem Täter um einen Mann gehandelt, sagte eine Polizeisprecherin. Er sei nach der Attacke geflüchtet.
Drei weitere Menschen seien psychologisch betreut worden, schilderte der Sprecher. Sie erlitten einen Schock. Die Unfallstelle wurde umfangreich abgesperrt. Wie die Verkehrsinformationszentrale Berlin auf Twitter mitteilte, ist die Bundesallee am Nachmittag wieder für den Verkehr freigegeben worden.
Feuerwehr-Rüstwagen stand im Stau
Vor Ort waren laut Feuerwehr 40 Einsatzkräfte. Bei dem Einsatz sollte auch ein Spezialfahrzeug zum Einsatz kommen, das mit umfangreichen Werkzeugen und Spezialgerät ausgerüstet ist, um Menschen unter anderem nach Unfällen aus Notlagen befreien zu können. Doch das Fahrzeug kam zu spät zur Unfallstelle wegen des Staus auf der A100, der von den Klima-Protesten verursacht wurde, teilte die Feuerwehr dem rbb mit. Die Rettung habe sich deshalb eine "relevante Zeit" verzögert. Weil die Technik nicht zur Verfügung stand, habe man an der Unfallstelle improvisieren müssen. Das Fahrzeug traf erst ein, als die Frau bereits befreit war.
In Berlin stehen nur zwei solcher Rüstwagen zur Verfügung. Der angeforderte befand sich in Siemensstadt und ist unmittelbar an der Autobahn stationiert. Der Rüstwagen wählte den Weg über die A100, bevor dem Fahrer klar war, dass er dort nicht gut durchkommt.
Klimaaktivisten äußerten sich "bestürzt"
Die Gewerkschaft der Polizei erklärte nach dem Unfall, spätestens jetzt sollte man sich "vom Märchen des harmlosen Protests verabschieden". "Wer Verkehrswege blockiert, riskiert und behindert die Handlungsfähigkeit der Inneren Sicherheit und nimmt auch bewusst in Kauf, dass Menschen in Not länger auf Hilfe von Polizei und Feuerwehr warten müssen." Bei den Guerilla-Aktionen im Zeichen des Klimas würden die aktuellen Folgen für das demokratische Zusammenleben nicht mitgedacht und es werde fahrlässig mit der Gesundheit der Bevölkerung gespielt.
Die Gruppe "Letzte Generation" äußerte sich in einer Stellungnahme "bestürzt". Sie würden bei ihren Straßenblockaden "sorgfältig auf das Einhalten von Rettungsgassen" achten. Dennoch könne man nicht ausschließen, dass die Verspätung des Rüstwagens auf einen von ihnen verursachten Stau zurückzuführen sei. Man hoffe inständig, dass sich der Gesundheitszustand der verletzten Radfahrerin durch die Verspätung nicht verschlimmert habe. "Sobald die Regierung die ersten Sicherheitsmaßnahmen gegen den drohenden Klimakollaps ergreift, werden wir sofort alle Protestaktionen einstellen", hieß es am Ende der Stellungnahme.
Klimaaktivisten mitschuldig?
Allerdings hat das Bilden einer Rettungsgasse an diesem Montag nicht funktioniert. Ob die "Letzte Generation" dafür verantwortlich gemacht werden kann, ist dabei nicht eindeutig. Denn viele Faktoren spielten eine Rolle dabei, ob ein Rettungswagen auf der Autobahn durchkomme oder nicht, erklärte Rolf Erbe von der Berliner Feuerwehr dem rbb.
Rettungsgassen würden auch bei herkömmlichen Verkehrsstaus selten funktionieren, weil die Verkehrsteilnehmer sich oft nicht richtig verhalten. Deshalb würde sich die Feuerwehr im Normalfall auch meist dagegen entscheiden, die Autobahn zu nutzen.
Scholz, Giffey und Spranger verurteilen Aktion
Ob die Klimaaktivisten eine Schuld tragen oder nicht, bleibe durch die Justiz zu klären, teilte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger dem rbb mit. "Anders verhält es sich bei der moralischen Frage. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Leben anderer zu gefährden." Vor der juristischen Klärung müsse jetzt die Anstrengung im Kampf um das Leben der verunglückten Frau im Fokus stehen.
Auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte, es sei jetzt Aufgabe der Polizei und der Gerichte, zu klären, inwieweit die Aktivisten eine Schuld daran trügen, dass dem Unfallopfer nicht schneller geholfen werden konnte. Ihre Gedanken seien bei der schwer verletzten Radfahrerin. Grundsätzlich sei die Gefährdung von Menschenleben durch nichts zu rechtfertigen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appellierte an die Klimaaktivisten, ihre Aktionen dürften nicht zur Gefährdung anderer beitragen. "Ich glaube, dass wir kritische Haltung, kritischen Protest, akzeptieren müssen. Dass die Aktionen jetzt nicht auf sehr weitreichenden Beifall gestoßen sind, ist auch offensichtlich", sagte Scholz. Das Gleiche gelte auch mit Blick auf Kunstwerke, die im Zuge von Protestaktionen beschädigt würden.
Sendung: Inforadio, 31.10.2022, 9:40 Uhr