Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte - Mit welcher Strafe die Randalierer nach den Berliner Silvester-Krawallen rechnen müssen

Fr 06.01.23 | 19:51 Uhr | Von Roberto Jurkschat
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Feuerwehrmänner löschen an der Sonnenallee einen Reisebus, der von Unbekannten angezündet worden war. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Bild: dpa/Paul Zinken

Nach den Gewaltexzessen in der Silvesternacht sucht die Polizei nach Beweisen, um die Randalierer zu identifizieren. Welche Strafen es für die Täter geben könnte, zeigt ein Blick auf Gerichtsentscheidungen der vergangenen Jahre. Von Roberto Jurkschat

Brennende Polizeifahrzeuge, demolierte Rettungswagen, Einsatzkräfte, die mit Schreckschusspistolen und Böllern attackiert werden: Obwohl der Jahreswechsel in Berlin häufig etwas ruppig über die Bühne geht, fielen die Gewaltexzesse in der Berliner Silvesternacht besonders heftig aus.

Polizeipräsidentin Slowik: Täter sollen schnell verurteilt werden

Im rbb sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Mittwoch, die Polizei ermittle mit Hochdruck, um die Beteiligten zu identifizieren. Es werde Video- und Bildmaterial ausgewertet, um sie im Anschluss schnell verurteilen zu können.

In den vier Tagen nach den Krawallen auf den Berliner Straßen hatte die Polizei bereits 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion - vor allem aber auch wegen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte. Die Staatsanwaltschaft geht nach bisherigem Stand davon aus, dass sie für 281 dieser Fälle zuständig sein wird. Ein Sprecher erklärte rbb|24, man rechne mit weiteren Anzeigen, insbesondere von der Berliner Feuerwehr.

Freiheitsstrafen möglich

Für Angriffe auf Polizisten oder Sanitäter sieht das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen von drei Monaten bis fünf Jahren vor. Ob das juristische Nachspiel für die Täter aber wirklich so ausgeht, ist unklar. Das Strafmaß hänge von vielen Faktoren ab, wie der Kriminologe Vincenz Leuschner von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht im Gespräch mit rbb|24 sagt. "Entscheidend ist, um welche Altersgruppe es sich handelt, ob das Jugend- oder das Erwachsenenstrafrecht angewendet wird."

Für Täter unter 18 Jahren gilt das Jugendstrafrecht, das unter anderem Geldstrafen und im härtesten Fall Arrest in einer Jugendstrafanstalt vorsieht.

Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren wird durch eine Reifeprüfung ermittelt, ob noch das Jugend- oder schon das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden soll, in dem die Strafen insgesamt deutlich höher ausfallen können.

Wie aus einer vorläufigen Bilanz der Polizei zur Silvesternacht hervorgeht, waren es vor allem junge Männer, die auf den Straßen der Hauptstadt an Ausschreitungen beteiligt waren. Von den 145 Personen, die vorläufig festgenommen wurden, waren 27 nicht einmal 18 Jahre alt.

Bei den Festgenommenen handle es sich nicht zwangsläufig um Personen, die Raketen auf Menschen geschossen und Einsatzkräfte attackiert haben, erklärt Benjamin Jendro von der Polizeigewerkschaft (GdP) Berlin im Gespräch mit rbb|24. Es gehe auch um Sachbeschädigung und andere Delikte, die etwa in der Straße Unter den Linden verübt wurden. "In vielen Fällen der tätlichen Angriffe auf Polizeibeamte und Rettungskräfte laufen noch die Ermittlungen, aber zu vielen Taten haben wir bisher keine Tatverdächtigen."

Freiheitsstrafen gegen junge Täter eher selten

Dass im Zuge kommender Strafverfahren überwiegend Freiheitsstrafen gegen die jungen Täter verhängt werden, scheint mit Blick auf die vergangenen Jahre unwahrscheinlich: In 1.874 Entscheidungen, die Richter:innen im Jahr 2021 gegen Jugendliche und Heranwachsende wegen Widerstands oder tätlicher Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte getroffen haben, endeten nur 5,9 mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Das zeigt eine Auswertung der Berliner Staatsanwaltschaft für rbb|24.

Fast jedes zweite Strafverfahren (46 Prozent) wurde mit Geldstrafen beendet, 16 Prozent der Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt. Bewährungsstrafen verhängten die Gerichte in neun Prozent der Fälle. Selten dagegen gab es einen Freispruch (2 Prozent), oder Verfahren, die wegen Geringfügigkeit eingestellt wurden (3 Prozent).

Das zeigt, dass die Berliner Gerichte da relativ kompromisslos sind.

Kriminologe Vincenz Leuschner

"Was mich an den Zahlen der Staatsanwaltschaft überrascht, ist dass viele Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden", sagt Kriminologe Vincenz Leuschner. "Das zeigt, dass die Berliner Gerichte da relativ kompromisslos sind." Nach Auffassung Leuschners sei in den Gerichtsentscheidungen ein Bemühen erkennbar, für jeden Fall eine individuell passende Strafe zu finden.

Kriminologe: Freiheitsstrafen nicht immer sinnvoll

Grundsätzlich stünden Richter aber immer vor der schwierigen Frage, ob sich die Entwicklungschancen junger Menschen durch die Strafen eher verschlechtern oder verbessern. "Manchmal ist es eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Täter sollen eine Strafe spüren aber viele Studien zeigen, dass junge Menschen nach Freiheitsstrafen weiter straffällig werden", erklärt Leuschner. Jugendliche und Heranwachsende würden sich häufig Vorbilder in ihrem Umfeld suchen. "Wenn sie dann in einem Jugendgefängnis oder einer Haftanstalt sind, dann werden andere Straftäter schnell zum Vorbild."

Eine Geldstrafe hingegen könne gerade diejenigen empfindlich treffen, die besonders auf Außenwirkung und Status bedacht sind. "Gerade in einem Alter, in dem die Täter normalerweise noch nicht viel Geld haben. Das halte ich grundsätzlich für eine gute Option."

Hauptverhandlung bedeutet Eintrag ins Strafregister

In weniger schweren Fällen sei das Gericht häufig bemüht, auf eine Einigung zwischen Täter und Opfer hinzuarbeiten; durch die Zahlung von Schmerzensgeld etwa oder durch einen anderen Ausgleich. "Wenn stattdessen eine Hauptverhandlung eröffnet wird, dann gibt es bei einer Verurteilung automatisch einen Eintrag ins Strafregister. Das ist perspektivisch ungünstig, wenn sich die Personen später irgendwo bewerben wollen."

Anders als es in der öffentlichen Wahrnehmung der Silvester-Krawalle den Anschein habe, sei die Zahl der Straftaten durch Jugendliche in Berlin seit Jahren rückläufig. "Diese Silvesternacht entspricht deshalb nicht dem Trend, den wir im Bereich der Jugendkriminalität beobachten. Was passiert ist, lässt sich aus meiner Sicht zum Teil mit den Einschränkungen einer langen Pandemie erklären, und eher weniger damit, dass es bestimmte migrantische Communities geben würde, die wegen ihrer Herkunft ein Problem darstellen würden", meint Leuschner.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.01.2023, 21:00 Uhr

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Beitrag von Roberto Jurkschat

61 Kommentare

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  1. 61.

    Volksreden kann man nicht halten, weil es "das Volk " nicht mehr gibt. Das letzte Lebenszeichen wurde in der Sylvesternacht ausgeblasen ! Mit Ihren Kommentaren treiben Sie der AfD die Wähler ja förmlich zu. Weiter so !!

  2. 60.

    Ich sehe das ähnlich wie viele Menschen hier.
    Grundsätzlich muss man sich Fragen, was stimmt mit den Menschen nicht, das Sie Rettungskräfte und Feuerwehr angreifen. Die wollen helfen! Wie bekloppt müssen diese Menschen im Kopf sein. Gewalt gegen Polizisten kann ich auch nicht billigen, aber die sind drauf ausgebildet das abzuwehren. Aber das sieht man den Werteverfall der Gesellschaft. Es gibt keinen Respekt mehr vor der Polizei. Früher (und heute) muss dieses Organ respektiert werden.

  3. 59.

    Es gibt in Berlin Menschen ,die obwohl sie Migranten sind, arbeiten, die deutsche Sprache lernen und ihre Kinder zu Schule schicken. Für diese ,muss die Justiz endlich mal hart durchgreifen….denn sie schämen sich für diese Chaoten die Berlin in Verruf bringen.

  4. 58.

    Ich prognostiziere:
    (Nicht) Im Namen des Volkes
    1 Wochenende gemeinnützige Arbeit!

  5. 57.

    Kann ich 100% zustimmen. Bin trotzdem kein
    Rechter. Als ich Kind war folgte die Strafe auf dem Fusse

  6. 53.

    Sie fragen sich also, warum die Behörden nicht gegen Gesetze verstießen?
    Sie haben ein komisches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.

  7. 52.

    Der ketzte Abschnitt ist unrealistisch. Ein Blick über den Tellerrand isollte jetzt, so schmerzlich er auch sein mag, absolute Priorität haben. Ohne Ursachenforschung kein Weg zur Verbesserung.

  8. 51.

    Als Schutzsuchender habe ich mich erst Recht an die Gesetze des Gastlandes zu halten ansonsten habe ich das Gastrecht verwirkt.

  9. 50.

    Schon mal von illegalen Chinakrachern gehört?

    Viel interessanter wäre es gewesen alle Herrschaften, die mit Schreckschusswaffen in der Öffentlichkeit hantierten, von der Polizei einzufangen und die "Spielzeuge" sowie auf den dazu nötigen kleinen Waffenschein zu kontrollieren. Das Waffenrecht ermöglicht genug Spielraum derartige Exzesse entsprechend zu ahnden. Aber ohne eine Taserandrohung traut sich wohl kein Polizist in eine derartige Situation. Leider, denn eine Bodycam hat keinerlei Einfluss auf ein Tatgeschehen. Schliesslich muss ein Täter erst einmal identifiziert werden können und das ist wohl mehr als unwahrscheinlich bei Vermummung und bei Dunkelheit.

  10. 49.

    Vielen Dank für den Kommentar, aber was wollen sie ausdrücken? Es klingt wie eine Sympathiebekundung für Straftäter.
    Sachbeschädigung ist also ihrer Meinung nach keine Straftat sondern durch das GG abgedeckt und demzufolge erlaubt? Können sie uns noch erklären nach welchem Art. des GG das erlaubt sein soll?
    Haben sie die Bilder des ausgebrannt Busses und der PKW gesehen? Das ist ihrer Meinung nach keine Straftat sondern legal. Stimmt ja, Berlin soll ja autofrei werden. Dann haben Sie natürlich Recht.
    Oder geht es ihnen darum, rechtsverstöße von Migranten zu negieren?
    Sie beklagen, dass man ihre Beiträge nicht publiziert. Das hätte man bei dem aktuellen auch machen sollen.

  11. 48.

    Läuft doch für die rot /grünen. Frau Göring-Eckart sagt doch sie freue sich auf die Veränderung der Gesellschaft. Also willkommen in Kabul, Bagdad , Damaskus und Mogadischu. Nur mit Bürgergeld und Bestrafung der Hiesiger Bevölkerung

  12. 47.

    Sorry, aber der Betrag geht an der Realität vorbei.
    Es wird keine Strafen geben und auch keine Abschiebungen. Es bleibt wie immer alles so wie es ist.

  13. 46.

    Ach Käptn Graubart, fühlst du dich durch den RBB diskriminiert? Mit Worten wie Stammtischpöblerszene" stellst du dich vielleicht aber auch selber ins "aus". Schon mal drüber nachgedacht? Jeder darf seine Meinung kundtun, du musst diese nicht teilen, aber akzeptieren. Nur wer sich gleich auf dein Niveau begibt, muss auch damit rechnen nicht überall veröffentlicht zu werden.

  14. 45.

    Vorschläge, wie Ausweisung sind für etliche dieser Klientel nicht zielführend, weil sie - wie viele Clanmitglieder auch - inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die kann weder aberkannt, noch der Inhaber ausgewiesen werden. Hohe Haftstrafen helfen (die im gerade im Jugendstrafrecht - nicht verhängt werden [können]) nicht bei jedem... Es kann aber nicht sein, dass festgenommene Tatverdächtige nach 1 Tag entlassen werden (es besteht doch Wiederholungsgefahr).

  15. 44.

    Wenn man rechtes Zeug verzapft sollte man nicht immer rumheulen, wenn jemand einem sagt , dass man rechtes Zeug verzapft.
    Die Mischung aus Jämmerlichkeit und Bereitschaft zu autoritärer Gewalt ist wirklich legendär.
    Nervt aber ungeheuerlich.

  16. 43.

    RurbanBbFreitag, 06.01.2023 | 21:47 Uhr
    "Deutsche Straftaten mit 5 Jahren haft belasten.
    Migranten, egal wie alt, sofort ausweisen.
    Das wäre ein Zeichen!!!!"

    Ein Zeichen wäre aber auch, wenn Sie einen einfach nicht mit solchen Volksreden abnerven würden.
    Das Sie keine anständiger Bürger sind ist ja eine Sache. Aber das Sie das auch noch so zur Schau stellen muss nun wirklich niemand aushalten.

  17. 42.

    Weil „schutzsuchende „ sich wohl nicht an normalen menschlichen Umgang und Regeln halten müssen ?!
    UND - ab 16 ist man schon erwachsen genug, weg mit dem dämlichen Jugendstrafrecht.
    Wer Sanitäter und Feuerwehr, also eindeutige Hilfskräfte, körperlich angreift - gehört weggesperrt.
    Oder gibt es dazu eine logische und sinnvolle andere Meinung?

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