Zahlen für 2022 - Polizei registriert erneut mehr Unfälle mit E-Scootern in Berlin

Do 02.02.23 | 06:25 Uhr | Von Kira Pieper
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Symbolbild: E-Roller liegen im Berliner Regierungsviertel übereinander. (Quelle: dpa/B.v.Jutrczenka)
Video: rbb24| 02.02.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/B.v.Jutrczenka

Seit 2019 sind E-Roller zugelassen - seitdem steigen auch die Unfallzahlen. Sind E-Roller also ein besonders gefährliches Verkehrsmittel? Experten sagen: Die riskante Fahrweise von E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrern ist nicht das Problem. Von Kira Pieper

  • Unfälle mit E-Scootern in Berlin weiter gestiegen
  • Verkehrsforscher:innen: E-Scooter-Fahrer:innen fahren kaum riskanter als Radfahrer:innen
  • Leihanbieter fordern mehr Akzeptanz von E-Scootern und eine bessere Infrastruktur

Die Zahl der registrierten Verkehrsunfälle mit E-Scootern hat in Berlin im vergangenen Jahr erneut zugenommen. Das geht aus Zahlen der Polizei hervor, die rbb|24 vorliegen. Demnach gab es bis zum 30. November 1.102 Unfälle. 2021 waren es insgesamt 813, im Jahr davor 320.

Auch die Zahl der Schwerverletzten ist gestiegen: Im vergangenen Jahr zählte die Polizei 116 Schwerverletzte, im Jahr zuvor waren es 90 und im Jahr 2020 waren es 34. Die Zahl der Leichtverletzten stieg von 181 im Jahr 2020 und 453 im Jahr 2021 auf 614 bis Ende November 2022. Wie auch 2021 wurde im vergangenen Jahr kein E-Scooter-Fahrer getötet, 2020 gab es einen Unfalltoten.

Allgemein weniger verunglückte Menschen

Die Unfallstatistik für alle Verkehrsteilnehmer in Berlin zeigt hingegen einen gegenläufigen Trend: Nach den neuesten Zahlen aus 2021 liegt die Anzahl der verunglückten Personen im Straßenverkehr auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren. 14.782 Menschen kamen auf den Straßen der Hauptstadt 2021 zu Schaden. 2020 waren es noch 15.377. Die Unfallstatistik für 2022 liegt noch nicht vor.

Leben E-Roller-Fahrende also besonders gefährlich? 2020 hatte sich ein Verkehrsforscherteam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) diese Frage gestellt und untersucht, wie hoch das Unfallrisiko von E-Rollern ist [dlr.de]. Seinerzeit hatte das Statistische Bundesamt zum ersten Mal Unfallzahlen für E-Scooter herausgegeben. Und diese Zahlen zeigten damals: Die Unfälle nehmen zu.

Erhebung von 2020: Unfallrisiko bei E-Rollern höher als bei Fahrrädern

Für ein Verkehrsmittel, dass erst seit Mitte 2019 in Deutschland zugelassen ist, gibt es noch nicht viele Zahlen und damit ist eine langfristige Vergleichbarkeit schwierig. Auch das DLR-Forscherteam betonte: Die Unfallzahlen müssten in Relation zu weiteren Nutzungszahlen betrachtet werden, sonst würden sie wenig aussagen.

Die Expert:innen schauten 2020 also auf die Zahlen für E-Roller-Nutzer:innen, Radfahrende und Fußgänger:innen. Dabei interessierte sie: Wie viele Personenschäden gab es jeweils und wie viele Wege wurden zurückgelegt und wie lang waren sie? Ihr Fazit: Beim Zurücklegen eines Weges mit dem E-Scooter ist das Unfallrisiko im Vergleich zum Fahrrad doppelt so hoch. Im Bereich der Schwerverletzten ist das Risiko sogar noch höher.

Konfliktwahrnehmung bei E-Rollern ist groß

Seit dieser Untersuchung vor zweieinhalb Jahren blickt das DLR weiter auf das Unfallsrisiko von E-Rollern [dlr.de]. Allerdings mit einem etwas anderen Fokus. Im vergangenen Jahr untersuchte ein Team aus Forscher:innen, was auf der Straße passiert, bevor es zu einer brenzligen Situation oder einem Unfall kommt. Projektleiter war DLR-Wissenschaftler Michael Hardinghaus. Laut Hardinghaus hat die deutschlandweite Online-Befragung gezeigt, dass die Konfliktwahrnehmung in Bezug auf E-Roller sehr groß sei. Allerdings sei der empfundene Ärger bei parkenden E-Rollern größer als bei fahrenden.

Verkehrsforscher:innen nahmen Stichproben

Um herauszufinden, ob E-Roller-Fahrende sich tatsächlich so riskant im Straßenverkehr verhalten, wie ihnen oftmals vorgeworfen wird, führten die Verkehrsforscher:innen außerdem im September 2021 an drei Tagen und an unterschiedlichen Orten in Berlin Untersuchungen durch. Dabei beobachteten sie videobasiert die Interaktionen von Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und E-Roller-Fahrenden an der Adalbertstraße (Kreuzberg), Oranienburger Tor (Mitte) und Hardenbergplatz (Charlottenburg-Wilmersdorf).

Die Wissenschaftler:innen wollten herausfinden: Wer verhält sich regelkonform, wer nicht, wann wird es kritisch und wann kommt es fast zum Zusammenstoß? Das Resultat der Beobachtung: E-Scooter-Fahrende verhalten sich etwas häufiger regelwidrig als Radfahrer:innen. Kritische Interaktionen seien sowohl bei Radfahrenden als auch bei E-Scooter-Fahrenden sehr selten.

Parkende Autos genießen mehr Akzeptanz

Außerdem fanden die Forscher:innen heraus: E-Roller-Fahrer:innen verunglücken oft alleine, also ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmender, die meisten Fast-Unfälle passieren ihnen mit Fußgänger:innen.

Den Expert:innen fiel außerdem auf: Die Akzeptanz der parkenden Autos, die sehr viel Platz im urbanen Raum einnähmen, sei viel größer als die Akzeptanz der parkenden Roller. "Die Menschen haben sich an die parkenden Autos gewöhnt, während E-Roller ein relativ neues Verkehrsmittel sind und deswegen erst diese Akzeptanz finden müssen", sagt Verkehrsforscher Hardinghaus. Auch müssten ausreichend Flächen für regelkonformes Parken bereitstehen.

Erst kürzlich hatte die Verkehrsverwaltung des Senats beschlossen, dass E-Roller, Fahrräder und Motorräder seit Januar kostenlos auf Autostellplätzen geparkt werden dürfen. Außerdem will der Senat die Problematik mit parkenden E-Scootern mit der Ausweisung von gesonderten Stellflächen in den Griff bekommen. Beide Aktionen sollen dafür sorgen, dass weniger E-Scooter auf Fußwegen abgestellt werden und damit zu Stolperfallen werden.

Leihanbieter: Steigende Unfallzahlen wegen steigender Nutzerzahlen

Der Sprecher des E-Roller-Leihanbieters Lime, Alexander Jung, erklärt zu den steigenden Unfallzahlen auf Nachfrage von rbb|24: Fahrer:innen von E-Scootern müssten als Verkehrsteilnehmende mit Unfallrisiko anerkannt werden. "Wie Fußgänger:innen und Radfahrer:innen sind auch Fahrer:innen von E-Scootern dem Risiko von Zusammenstößen mit schnelleren und schwereren Verkehrsmitteln ausgesetzt."

Die steigenden Unfallzahlen seien auf eine zunehmende Nutzung von E-Rollern zurückzuführen, so Jung. Schließlich hätten sich die gefahrenen Kilometer bei Lime in vielen deutschen Städten seit der Betriebsaufnahme in Deutschland in 2019 mehr als verdreifacht. Diese Entwicklung werde in der Diskussion um das Unfallgeschehen zu wenig berücksichtigt.

Bessere Infrastruktur gefordert

Auch ein Sprecher des E-Roller-Leihanbieters Tier sagt auf Nachfrage von rbb|24, dass die Anzahl der Nutzer und die zurückgelegten Strecken zugenommen hätten und dies in Relation zu den erhöhten Unfallzahlen gesehen werden müsste. Außerdem hätte das Mobilitätsaufkommen insgesamt in den Städten zugenommen.

Lime-Sprecher Alexander Jung sieht auch nicht nur E-Scooter-Anbieter in der Pflicht, Lösungen zu finden, um das Fahren mit dem Roller sicherer zu machen. Es müsse außerdem mehr in eine sichere Infrastruktur investiert werden, sagt er. Je sicherer sich Zweiradfahrende auf den Radwegen fühlten, desto weniger Fehlverhalten werde es geben.

Sendung: rbb24, 02.02.2023, 13:00 Uhr

Beitrag von Kira Pieper

59 Kommentare

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  1. 59.

    Diese Studie ist einfach lachhaft. Warum? Weil sie nur an wenigen Punkten durchgeführt wurde, anstatt auf der breiten Fläche! Sie ist im Grunde wertlos!
    Ein Polizist sagt mal zu mir, dass sie nur mit Strafzettel für E-Scooterfahrer ausgelastet seien oder Bad das heißt schon etwas!

  2. 58.

    "Diese Dinger ganz verbieten Fahrer/innen ungeschützt und die liegen überall rum. "
    Das ist nicht gentlemanlike. Wenigstens den Fahrerinnen könnten sie aufhelfen.

  3. 57.

    Was nutzt so ein winziges "Versicherungskennzeichen" wenn es aufgrund der Größe nur in unmittelbarer Nähe zu lesen ist, zur Identifizierung?
    Solange diese Miniaturschildchen vorhanden sind, brauchen Verkehrsrowdys keine Angst vor Konsequenzen haben.

  4. 56.

    Es handelt sich im Wortlaut um ein "Versicherungskennzeichen". Das Fahren mit den Dingern auf dem Gehweg ist nach Straßenverkehrsordnung verboten und kostet 15-30 €, s. zusammengefasst hier: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/elektrofahrzeuge/e-scooter/ oder im Gesetzestext § 10 (1): https://www.gesetze-im-internet.de/ekfv/BJNR075610019.html

  5. 55.

    Ein Kennzeichen haben diese Dinger nicht wirklich.
    Es handelt sich um ein Schildchen kaum größer als eine Zigarettenschachtel.
    Das kann niemand lesen.
    Diese "Kennzeichen" sind nur ein Scheinkennzeichen.

  6. 54.

    Schon gewusst? Man darf mit E-Rollern, die ja ein Kennzeichen haben, nicht auf Gehateigen fahren! Am Kudamm / Gedächtniskirche scheint sich niemand drum zu kümmern. Die sausen munter zwischen den Fußgängern umher. Wenn man schon ein Verkehrsmittel einführt, das in der nicht motorisierten Form am Gehweg erlaubt ist, in der motorisierten Form aber nicht, muss man das mit Aufklärungskampagnen begleiten, Schilder aufstellen oder die Verkehrsregeln für alle sichtbar auf die Roller kleben: no driving in pedestrian areas!

  7. 53.

    Da hat sich die Schriftsteller : innin besondere Mühe gegeben, Sachverhalte aufzuklären.
    Danke dafür.
    Auch für die im Text verwendeten Genderdoppelpunkte, die es schwer machen, den Text zu lesen. Bei aller Liebe und den sichtbaren Erziehungs- und Bevormundungsauftrag muss ich sagen, gendern ist Scheiße und verschandelt die Deutsche Sprache.
    Wie die E-Scooter das Straßenbild.

  8. 52.

    Diese Dinger ganz verbieten Fahrer/innen ungeschützt und die liegen überall rum.

  9. 51.
    Antwort auf [Jan] vom 02.02.2023 um 12:14

    Die E-Stehroller wurden allerdings fraktionsübergreifend durchaus als Verkehrsmittel der letzten Meile und Bestandteil der Verkehrswende begrüßt. Warnungen wg. Wildwuchs wie in anderen Metropolen außerhalb Deutschland wurden von der Immobilitätssenatorin in den Wind geschlagen. Hamburg und München haben von Anfang an härtere Regeln aufgestellt als Berlin. Hier wurde, als das Kind schon im Brunnen lag, zum Kaffeekränzchen eingeladen.

  10. 50.

    Warum Sammelt man diese Geräte nicht ein,die Länger als 3.Tage Rumstehen ein,Container für Schrott , Prämie für Entsorgung.Pluspunkt Seltene Erden und Metalle werden Geliefert.Es ist zum Kotzen , Die Intelligenz und Reife ,zeigt das Niveau dieser Gesellschaft.

  11. 49.

    Sollte wie Alkohol und Zigaretten erst ab 18 sein.

  12. 48.

    Kopfhörer auf und rein in den Verkehr. Und ältere und Rentner habe ich damit noch nie gesehen. Die Jüngeren werden auch alt und mal sehen ob sie dann mit 50+ durch die Strassen düsen oder im Auto sitzen?

  13. 47.

    Ich hasse die Dinger! Braucht kein Mensch außer ein paar Touristen und faule Teenager (die sich sowieso kaum noch bewegen). Ständig stehen die Dinger kreuz und quer auf Gehwegen oder mein Favorit: quer vor dem S-Bahn-Eingang. Außerdem belasten die Akkus bei Herstellung und Entsorgung die Umwelt. Zum Laden werden sie mit Lieferwagen eingesammelt, um dann bei einem armen Collektor für einen Hungerlohn Strom zu verschwenden. Die Dinger gehören wieder abgeschafft!

  14. 46.

    Viele Unfälle passieren nur deshalb nicht, weil man als Fußgänger ständig ausweicht.
    Zusammenstösse mit Fahrrädern genauso.
    Und dafür brauch ich keine teure Studie. Das erlebe ich tagtäglich.
    Aber Fußgänger haben leider keine Lobby.

  15. 45.

    Wenn die "Fortschrittlichen" Verkehrsregeln beherrschen würden und ihr Gehirn beim Abstellen der E-Roller benutzen würden, gebe es keine "Fortschrittshasser".

  16. 44.

    Wer diese Scooter als Fortschritt bezeichnet, muss einen sehr begrenzten Horizont haben. Oder schlicht keine Ahnung, wie umweltfeindlich diese Dinger sind.

  17. 43.

    " ... denn 80 % der Nutzenden sind gut zu Fuß ..."

    Ergänzung: ... und die Gehstrecken ohnehin nicht lang.

  18. 42.
    Antwort auf [Jan] vom 02.02.2023 um 12:14

    Du kannst kein Berliner sein.

  19. 41.

    Auf jeden Fall ist die beobachtbare Nutzung der E-Scooter definitiv kein Beitrag zur Verkehrswende, wer sich die Zugriffszahlen in Stadtbezirken anschaut: Nicht, wie bei Zulassung dieser Gerätschaften angeführt in den Außenbezirken, wo es tatsächlich "um die letzte Meile" zur Wohnung und zum Haus ginge, sondern nahezu ausschließlich in den innerstädtischen Stadtteilen, wo sie ein bisheriges Zu-Fuß-Gehen ersetzen. Das ist die Verschwendung der Elektrizität für unsinnige Zwecke, denn 80 % der Nutzenden sind gut zu Fuß. Das Geschäftsinteresse der kommerziellen Anbieter, was um die höchsten Zugriffszahlen aus modischer Torheit heraus in den Innenstadtbezirken weiß, führt genau zu diesem kontraproduktivem Effekt.

  20. 40.

    Das ist er wieder, der Ruf nach mehr Verboten. Aber wehe, man ist selbst davon betroffen. Dann wird gleich die Freiheit eingeschränkt.... :)

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