Pensionierungswelle - Justiz in Berlin und Brandenburg droht Personallücke

Sa 16.09.23 | 10:11 Uhr
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Symbolbild: Viele Akten türmen sich vor einer Staatsanwältin auf dem Tisch. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 16.09.2023 | Steve Neuwirth | Bild: dpa/P. Pleul

Der Berliner und Brandenburger Justiz steht eine großere Pensionierungswelle bevor. Laut dem Deutschen Richterbund werden in den kommenden neun Jahren rund 40 Prozent aller Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen.

Berlins Gerichte und Staatsanwaltschaften stehen vor einer Pensionierungswelle und müssen in den kommenden zehn Jahren 758 Juristen ersetzen. Das ergab eine Umfrage der "Deutschen Richterzeitung". Das seien 39 Prozent der aktuell 1.937 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, teilte der Deutsche Richterbund weiter mit.

In Brandenburg gehen innerhalb der nächsten neun Jahre rund vier von zehn Richtern und Staatsanwälten in Pension. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes sind es 453 von 1.081 Juristen, die bis 2032 die Justiz verlassen - darunter 343 Richterinnen und Richter sowie 110 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Ostdeutschen Bundesländer besonders betroffen

Der Höhepunkt wird demnach in Brandenburg im Jahr 2031 erreicht sein, wenn 61 Richter und 20 Staatsanwälte ausscheiden werden. Das Brandenburger Justizministerium sieht sich jedoch vorbereitet.

"Die ostdeutschen Bundesländer sind davon besonders betroffen, weil dort zahlreiche Juristen direkt nach der Wiedervereinigung ihren Dienst begonnen haben und jetzt das Ruhestandsalter erreichen", sagte der Bundesgeschäftsführer des Richerbunds, Sven Rebehn. Als Anreiz seien mehr Besoldung und moderne Arbeitsplätze nötig.

Im April wurde bereits bekannt, dass auf die Justiz in Brandenburg eine große Pensionierungswelle zurollt. Bis 2028 gehen allein rund 120 Richter an Amts-, Land- und Oberlandesgerichten. Das Justizministerium erklärte damals, es gebe bereits einen Einstellungskorridor, mit dem vorübergehend die zusätzliche Einstellung von richterlichen Nachwuchskräften ermöglicht werde. Im Referendariat werde Werbung um Nachwuchs betrieben.

Justizverwaltung hat Pensionierungswelle im Blick

In Berlin scheiden nach Angaben der Justizverwaltung im nächsten Jahr 40 Juristen altersbedingt aus. Die Zahl steigt demnach in den Folgejahren kontinuierlich an und liegt im Jahr 2027 bei 117 Pensionierungen, 2028 gehen dann 120 Juristen in den Ruhestand. Danach nimmt die Zahl wieder ab und liegt 2033 bei 47.

Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) sieht in der Gewinnung neuer Juristen für die Gerichte und Staatsanwaltschaften ihre größte Herausforderung. "Ich setze mich mit aller Kraft dafür ein, dass gute Rahmenbedingungen entstehen und junge Juristinnen und Juristen aus Überzeugung bei uns arbeiten wollen", sagte sie der dpa. "Dabei geht es nicht nur um die Besetzung von Dienstposten, sondern auch um die langfristige Identifizierung mit diesem Amt."

Die Justizverwaltung habe die anstehenden Pensionierungswelle seit Jahren im Blick, hieß es. Neue und frei werdende Stellen würden deshalb möglichst zeitnah besetzt. Das sei weiterhin das Ziel. Helfen sollen dabei verschiedene Projekte. Geplant werde etwa die Einführung einer sogenannten Justizassistenz. Besonders geeignete Referendare sollen dabei befristet für maximal zwölf Monate direkt an einem Gericht in Teilzeit angestellt werden können.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.09.2023, 10 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    Es geht nicht nur um das reine "Abtippen, sondern um die komplexen Tätigkeiten, die generell in einer Geschäftsstelle anfallen. Dazu gehört dann das versenden von Schriftgut. usw usw

  2. 25.

    Auch Sie irren sich… Juristisches Handwerkszeug ist gerade die Auslegung von Gesetzen, nach den verschiedenen Auslegungsmethoden… Z.B. nach dem Wortlaut, mutmaßlichem Willen des Gesetzgebers, historisch…

  3. 24.

    „ Wir bekommen bundesweit die geringste Besoldung und haben deutlich mehr zu tun als Kollegen in anderen Bundesländern. “
    Ist das wirklich so? Ich habe exemplarisch einmal drei Beispiele aus den Besoldungstabellen von Bayern und Berlin herausgesucht.

    Besoldungsgruppe R1, Stufe 1
    Bayern: 4673,77 €
    Berlin : 4720,84 €

    Besoldungsgruppe R1, Stufe 5
    Bayern: 5600,23 €
    Berlin : 6395,47 €

    Besoldungsgruppe R2, Stufe 8
    Bayern: 7075,36 €
    Berlin : 7870,40 €

    Angemerkt werden muss dabei, dass die Berliner Besoldungstabellen bei Stufe 8 endet, in Bayern erst bei Stufe 11. Der Vollständigkeit halber daher noch der Betrag für Bayern, Besoldungsgruppe R2, Stufe 11: 7895,76.
    Dass die Besoldung in Berlin niedriger als in allen anderen Bundesländern ist, stimmt so folglich nicht. Nur bei der Endstufe ist die Besoldung in Bayern geringfügig höher als in Berlin, ansonsten niedriger.

  4. 23.

    Wen wundert es, ist doch in vielen Bereichen so.... Leute ausgebildet und dann nicht weiter beschäftigt oder eingestellt. Und jetzt über den Personalmangel klagen....

  5. 22.

    Es geht nicht um den einzelnen Richter sondern die Justiz als Ganzes. Und diese unterliegt keiner Kontrolle von außen. Die Justiz kontrolliert sich selber und das bedeutet, dass es effektiv keine Kontrolle der Justiz gibt.

  6. 21.

    Wäre es eigentlich wirklich unzumutbar, wenn die Richter/innen ihre Urteile nebst Begründung nicht mehr diktieren sondern selber per Schreibprogramm schreiben würden oder, dank moderner Technik, das Diktat durch ein entsprechendes Programm in Textform übertragen lassen? Da braucht es dann keine reinen Schreibkräfte mehr.

  7. 20.

    So stimmt das nicht . Wer mit einer Entscheidung nicht einverstanden ist, kann fast immer Rechtsmittel einlegen.

    Das Prinzip der Gewaltenteilung ist Ihnen bekannt?

    Wir sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Ansonsten gäbe es keine demokratische Justiz.

  8. 19.

    Gerade im Bereich Justiz und Justizvollzug wurde in Berlin in den letzten 35 Jahren ohne Sinn und Verstand gespart.

    Jede Strafkammer am LG hat max 1,5 Verhandlungstage pro Woche. Es gibt nämlich nicht genug Säle. Meine Geschäftsstelle ist seit 1 Jahr unbesetzt. Dort müssten eigentlich 2 ausgebildete Beamte sitzen. Jetzt bleiben oft Akten liegen. Urteile werden diktiert und niemand schreibt sie ab. Also muss das jemand aus einer anderen Kammer machen. Die sind aber auch total überlastet. Chaos!

  9. 18.

    Wir Richter haben die Pflicht, die Gesetze nach eigenen Ermessen auszulegen. Der Gesetzgeber kann nur einen groben Rahmen setzen. Die Auslegung obliegt dem Richter.

    Jedes Gesetz wimmelt vor unbestimmten Rechtsbegriffen.

    Wenn ich ein Gesetz auslege, muss ein anderer Kollege dem nicht folgen.

    Der Gesetzgeber kann keine Regelung für jeden denkbaren speziellen Einzelfall schaffen.

    Nicht umsonst gehören Richter zur Judikative

  10. 17.

    Die Justiz ist die mit Abstand mächtigste Gewalt im Rechtsstaat, weil sie keiner Kontrolle Unterliegt. Die Politik ist hingegebenere Fülle von Kontrollmechanismen unterworfen und hat nur eine sehr eingeschränkte Entscheidungskompetenz.

  11. 16.

    Nun hat ja jede Person, die die beiden juristischen Examina besteht, die Befähigung zum Richteramt. Eine Absenkung der Anforderungen kam bei erhöhtem Bedarf immer einmal wieder vor, z.B. Anfang der 90er Jahre. Meines Wissens wurden die damals auf Probe eingestellten Richter faktisch durchgehend auf Lebenszeit übernommen, müssen also den Anforderungen auch ohne Prädikatsexamen genügt haben.

  12. 15.

    Es hat sich gezeigt, dass ein Abstrich an den Examensnoten keine Entlastung bringt. Sehr viele Richter auf Probe erfüllen die Anforderungen nicht.

  13. 14.

    Die Besoldung der Berliner Richter ist nach aktueller Rechtsprechung zu gering. Wir bekommen bundesweit die geringste Besoldung und haben deutlich mehr zu tun als Kollegen in anderen Bundesländern.

    Geeigneter Nachwuchs fehlt auch.

  14. 13.

    Ich kann die "überragende Machtstellung" der Richter in unserem Rechtsstaat nicht nachvollziehen. Die Entscheidung eines Richters beruht auf Recht und Gesetz. Ein Auslegungsspielraum ist deshalb oft nicht gegeben. Es ist nicht die Aufgabe eines Richters, die Gesetze neu zu schreiben. Diese Macht ist allein der Politik gegeben, die wiederum dem Bürger zu dienen hat, da politische Beauftragungen in unserer Demokratie durch Wahl erfolgen. Deshalb erfolgt unsere Rechtssprechung immer "im Namen des Volkes". Ein Richter in unserem Land ist deshalb genauso wie der Politiker ein Beauftragter im Namen des Volkes.

  15. 12.

    Ist doch kein Problem, Generation Z wird Menschen suchen die diee "Arbeit" machen sollen.

  16. 11.

    Bislang gibt es für den Justizdienst jedenfalls genug Bewerbungen, so dass in Berlin zwei Prädikatsexamina erforderlich sind. Die Bezahlung ist dabei natürlich nicht der einzige Grund für das hohe Bewerberaufkommen, sondern sicher auch die überragende Machtstellung der Richter im Rechtsstaat. Im Übrigen ist die Besoldung der Richter verglichen mit dem höheren Dienst in der öffentlichen Verwaltung deutlich höher. Und es ist eben nicht wahr, dass die Bezahlung zu gering ist.

  17. 10.

    Wenn sich alle mal ein bisschen mehr an Recht und Gesetz hielten, dann gäbe es auch weniger Prozesse. Irgendwie hat sich eine regelrechte Prozesskultur entwickelt, weil manche immer denken, sie stünden über allem. Besonders die jüngere Partygeneration, GenerationX, Lastgeneration oder wie immer man sie nennen mag hat überhaupt keine Hemmungen mehr ihren Egoismus mit allen Mitteln durchzusetzen. (damit meine ich nicht Demos und Kleben, das ist ein Extrathema)
    Hier schein etwas eklatant in der Erziehung schief gelaufen zu sein.

  18. 9.

    Droht? Man könnte ja endlich mal geltendes Recht durchsetzen statt immer wieder Ausreden und umgehungen zu finden und zu konstruieren, dann wären zumindest schonmal die ganzen 100te oder gar 1000de Prozesse wegen des rechtswidrigen Beitrages weg. Dieser Beitrag erfüllt nichtmal die Definition für einen Beitrag.

  19. 8.

    Es geht nicht immer um die Entlohnung wenn man von einem funktionierenden System reden will. Bei Anschaffungen von Technik, Fortbildungen und elektronischer Akte haben auch Haushälter die Hand drauf. Und solange ist die Justiz abhängig. Wer will von der Jugend in ein System wechseln, wo die Eskalationsstufe schon bei 6 von 10 ist?

  20. 7.

    Gleich kommt der Aufschrei (faule überbezahlte Beamte und Steuergelder), aber es ist wahr: die Bezahlung ist (vergleichsweise mit anderen Berufen für Volljuristen) zu gering.

    Deshalb gibt es auch weniger Bewerber.

    Das gilt im Übrigen auch für andere Tätigkeiten in der Justiz. Und vor allem für Angestellte.

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