Fachkräftemangel - So werden Kita-Quereinsteiger in Berlin und Brandenburg eingesetzt

Gruoße Gruppen, verkürzte Öffnungszeiten, unbesetzte Erzieherstellen: Das ist Kita-Alltag für viele Familien. Es fehlt an Betreuungsplätzen und auch an Personal. Viele Bundesländer gehen das Problem mit Quereinsteigern an - auch Berlin und Brandenburg.
An Kindertagesstätten in Deutschland sinkt einer Studie zufolge der Anteil der Fachkräfte. Zugleich werden zunehmend Personen ohne formale pädagogische Voraussetzungen eingestellt. Das geht aus dem "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann Stiftung [bertelsmann-stiftung.de] hervor.
Je nach Bundesland sind demnach die Regelungen, wer ohne pädagogische formale Voraussetzungen in den Kitas arbeiten darf, sehr unterschiedlich. So ist die Lage in Berlin und Brandenburg.
Wie hoch ist der Anteil an Quer- oder Seiteneinsteigern in Kitas hier in der Region?
In Berliner Kitas arbeiten laut einer Studie immer weniger Fachkräfte. Der Anteil pädagogisch ausgebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht laut Bertelsmann-Studie in keinem anderen Bundesland so stark zurück. So kam 2023 nur noch etwa jedes dritte Kita-Team (35 Prozent) auf eine hohe Fachkraft-Quote, bei der mehr als acht von zehn Mitarbeitenden mindestens über einen Fachschulabschluss verfügen. Damit liegt Berlin zwar immer noch über dem bundesweiten Durchschnitt von 23 Prozent, verzeichnet aber den größten Rückgang im Vergleich zu 2017. Damals erfüllte noch gut jedes zweite Kita-Team (53 Prozent) diese Quote.
Der Anteil an Kita-Teams, die mit mindestens acht von zehn pädagogisch ausgebildeten Fachkräften arbeiten, liegt in Brandenburg mit gut 80 Prozent deutlich höher. Gegenüber 2017 gab es dabei kaum eine Veränderung.
Wie wird man Quereinsteiger in einer Kita in Berlin oder Brandenburg?
Berlin: Wer einen verwandten pädagogischen Berufsabschluss hat, kann sich diesen in Berlin vor der Aufnahme einer Tätigkeit in einer Kita als "Person im Quereinstieg" als Fachkraft anerkennen lassen. Menschen, die eine Erziehern gleichwertige ausländische Berufsqualifikation haben und deren Antrag auf Anerkennung (Gleichstellungsprozess) läuft, können unter Umständen auch vor der Anerkennung befristet als Fachkraft in Berliner Kitas arbeiten. "Sonstige geeignete Personen" – auch hier gibt es eine Liste mit Berufen bzw. Tätigkeiten – können nach einer Qualifizierungsmaßnahme eine unbefristete Anerkennung als Person im Quereinstieg erwerben.
Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie [berlin.de]
Brandenburg: Hier gibt es "Ergänzungskräfte", die im Bereich Kinderbetreuung beruflich tätig werden können, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Ausbildung o.ä. abgeschlossen haben und "notwendige soziale Kompetenzen" mitbringen. Sie müssen sich Sachkompetenz im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme in einem Stundenumfang von 300 Unterrichtseinheiten erwerben.
Quelle: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport [mbjs.brandenburg.de]
Welche Unterschiede gibt es zwischen Quereinsteigern und Fachkräften?
Eine Fachkraft hat einen einschlägigen Hochschul- oder Fachschulabschluss und damit die formale pädagogische Qualifikation. Als solche gelten ausgebildete Erzieherinnen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Heilpädagogen oder auch Kindheitspädagogen.
In Berlin können sich Personen mit verwandtem pädagogischem Berufsabschluss als Fachkraft qualifizieren, wer eine gleichwertige ausländische Berufsqualifikation mitbringt, kann befristet als Fachkraft in einer Kita arbeiten. "Sonstige geeignete Personen" können in Berlin, wenn sie sich entsprechend qualifizieren, dauerhaft als Quereinsteiger arbeiten, werden aber nur dann zur Fachkraft, wen sie eine berufsbegleitende Ausbildung absolvieren.
"Qualifizierte Ergänzungskräfte" über 18 Jahren können in Brandenburg auch nach ihrer Qualifizierung keine Fachkräfte werden. Daher dürfen sie keine Gruppen leiten oder Kinder ohne Begleitung allein betreuen, weil sie hinsichtlich frühkindlicher Pädagogik nicht beruflich qualifiziert sind.
Was bedeutet der Einsatz von Quereinsteigern im Kita-Alltag?
Genügend und qualifiziertes Personal gilt als wesentliche Voraussetzung dafür, dass Mitarbeitende in Kitas den komplexen Arbeitsanforderungen in ihrem Berufsalltag gerecht werden und die hohe Arbeitsbelastung positiv bewältigen können – und demnach auch, ob Kitas in der Lage sind, ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen. Ein dauerhaftes Absenken des Fachkräfte-Anteils in Kitas - wie es sich in vielen Bundesländern abzeichne - dürfe es nicht geben. Denn für die anspruchsvolle Arbeit mit den Kindern brauche es die entsprechende pädagogische Qualifikation, sagt Bildungsexpertin Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung.
Einig sind sich fast alle Experten, dass Quereinsteiger oder Ergänzungskräfte die "hochwertigen" Tätigkeiten in einer Kita nicht übernehmen sollten. Doch es sei bislang nicht definiert, wie man diese unterscheide, sagte Bernhard Kalicki, Professor für frühkindliche Bildung am Deutschen Jugendinstitut, rbb|24. Man wisse zudem, dass Kinder in den ersten Lebensjahren nicht in separierten Situationen, sondern alltagsintegriert lernen.
Welche Befürchtungen gibt es?
Der Sozialverband Deutschland hält die geringen Zahlen an Fachpersonal für alarmierend, besonders mit Blick auf große Aufgaben wie die Integration zugewanderter Kinder, die vielfach nicht umgesetzte Inklusion oder eine Anhebung des sinkenden Bildungsniveaus. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft [gew-berlin.de] warnt, es brauche nicht nur mehr Fachkräfte, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen. Eine "De-Professionalisierung" sei keine Lösung. Die Bildungsgewerkschaft Komba [komba.de] spricht hinsichtlich der sinkenden Fachkraft-Quote von einem "Riesenproblem für das System Kita".
Ein weiteres Problem sei, dass die nicht einschlägig und umfänglich ausgebildeten Mitarbeitenden in den Kitas zunächst begleitet und angeleitet werden müssten. Dies sei zusätzlicher Aufwand für die Kita-Fachkräfte, könne sich "deutlich negativ auf die Qualität im Team auswirken" und sei ein weiterer "Belastungsfaktor", sagt Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann Stiftung.
Inwiefern können Quereinsteiger in Kitas eine Lösung sein?
Kurzfristig helfen Quereinsteiger, die erst qualifiziert werden müssen, auch nicht gegen den Personalmangel - mittelfristig ein wenig und langfristig vielleicht, so Sören Gerulat, einer der Bundesprecher und Vorstandsmitglied im Brandenburger Kitaelternbeirat bei tagesschau.de im Sommer 2023. Bund und Land müssten Gerulat zufolge mehr in die Qualität der frühkindlichen Bildung investieren. Erzieherinnen und Erzieher müssten besser bezahlt, die Ausbildung erleichtert und so der Beruf attraktiver gemacht werden. Die Gewerkschaft GEW fürchtet um das Niveau der Kitabetreuung, wenn künftig Quereinsteiger aus verschiedenen Berufsfeldern kommen können.
Bernhard Kalicki vom Deutschen Jugendinstitut warnt, dass insbesondere in Bundesländern, wo die Kinderzahlen zurückgehen, der Fachkräftemangel gar nicht so groß sei. Dort habe man in Zukunft – auch wegen des demographischen Wandels – also in Zukunft eher zu viel Personal. Wenn dort nicht qualifiziertes Personal eingesetzt werde, um zu sparen, sei das bedenklich in Anbebracht der Systemrelevanz der Kindertagesbetreuung. Klappen könne es mit Quereinsteigern dann gut, so Kalicki, wenn diese mit speziellem Profil eine passende Einrichtung ergänzten. Man spreche dann von "multiprofessionell aufgestellten Teams", in denen die Quereinsteiger meist gut im Team anerkannt würden. Er warnt davor, den Erzieherberuf, wie beispielsweise Taxifahrer, für jedermann zu öffnen.
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