Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 7. Tür: Unten plätschert's und oben rauscht's

Mi 07.12.22 | 06:12 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
Adventskalender: Kaffeefahrt mit dem Spreewaldkahn (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt

Rundfahrten sind ausgesprochen praktische Erfindungen der Ausflugsindustrie, für die sich jeder Tourismusmanager auf die Schulter klopft. Ganz früh hatte solch einen Einfall ein findiger Spreewälder. Am Alex haben sich die Berliner da ziemlich viel von abgeguckt.

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Vergleiche hinken. Fast immer. Aber ein Weihnachtskalender ist eine Wunderblume, ein Strauß der Überraschungen, da kann man sich auch mal was trauen. Hier kommt der Vergleich hinter der Tür: Der Spreewald und der Berliner Fernsehturm sind Geschwister. Also touristisch betrachtet. Auf die ersten vier Blicke vielleicht absurd, wenn man aber abstrahiert, analytisch vorgeht, klappt es. Wir helfen.

Der Spreewald bietet all das, womit auch der Fernsehturm in Berlin aufwartet. Man kann ewig fahren und sich bei wunderschöner Aussicht gemütlich hinsetzen. Nach ein, zwei Stunden dann hat man auf einer kleinen Rundfahrt alles Mögliche entdeckt, hat gut gegessen, ein paar Mal angestoßen, getrunken, kennt sich jetzt bestens aus und kann wieder heimfahren. Natürlich denkt man nun, dass man alles gesehen hat, aber das ist ja auch schon mal 'was. Außerdem hat man auch gleich noch einen Schwips. - Fürs Erste müsste das reichen als Bilanz der Gemeinsamkeiten. Oder?

Archivbild: Gäste sitzen im Drehrestaurant im Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz. (Quelle: dpa/M. Kappeler)

Rundfahrt mit Verpflegung

Wenn man dann länger über diese Parallele nachdenkt, fallen einem sofort weitere Änlichkeiten auf: Die Rundreise verläuft - oben im Turm genauso wie unten im Spreewald - nahezu lautlos. Wenn die Gäste auf dem Boot leise sind und der Kahnfährmann gerade mal nichts erklärt, berichtet oder auf irgendwas hindeutet, hört man nur, wie er das Boot mit seinem Rudel, also der Ruderstange, die im Spreewald diesen komischen Namen hat, vorwärts schiebt. Im Spreewald plätschert die Vorwärtsbewegung.

Um auf dem Fernsehturm den Antrieb ausmachen zu können, müssen auch alle aufhören zu reden, die Spülmaschine darf nicht an sein, auch das Anstoßen an den Tischen muss kurz unterbrochen werden. Und schon hört man nichts mehr, noch nicht mal die S-Bahn da unten - aber dann, zack, kommt es, das Rauschen der Drehung. Was also dem Fährmann sein Rudel ist, ist dem Fernsehturm seine "Sphäre" - so nämlich heißt die Drehscheibe im PR-Sprech des - so der offizielle Name - "Teams des TV-Turms Alexanderplatz".

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Die Polizei macht eine Ausnahme

Auf dem Fernsehturm rotiert ein Antrieb, im Spreewald nur der Muskel des Fährmanns, denn die Kanäle - mit kleinen amtlichen Ausnahmen etwa für die Polizei - sind motorfreies Gebiet. Laut ist es immer nur im Hafen und an den kleinen und großen Raststätten. Dann nämlich wackelt der Kahn beim Einsteigen, die Passagiere fabrizieren alle möglichen Schreckgeräusche, richten sich irgendwie auf den Bänken ein und ordern die ersten kleinen und großen Getränke. Das Äquivalent zum Kahn-Juchzen ist auf dem Fernsehturm das laute "Es-können-ruhig-alle-hören-Ohhh". Die ersten Worte sind dann wieder - auf dem Kahn und in der Kuppel - identisch: Nach den ersten Metern und wenn alle ein Getränk vor sich auf dem Rundfahrttisch haben, sagt immer irgendwer: "Kuck mal da..."

Gleich nach dem kurzen Lauschen auf das Plätschern des Fährmanns und auf das Rollen der Plattform spießt man auf die Kuchengabel über Berlin das erste Stück Schwarzwälder Kirsch und plämpert das erste Stück Gurke aufs Chemisett eines Kahnpassagiers. Essen, trinken, gucken und staunen - all das ist offenbar überall gleich - ob nun in Lehde oder am Alex. Und - jetzt schmulen bitte alle noch einmal ein bisschen tiefer in diese Kalendertür - das Anstoßen mit kleinen Gläsern oder Fläschchen ist der I-Punkt auf dem fünften Buchstaben der Gemeinsamkeiten. Ein adventiges Prost auf die Freuden der Rundfahrt.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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